Vorarlberg: Volkspartei zwischen Grün und Blau

GRÜNE VORARLBERG: ´WAHLKAMPFFINALE´
GRÜNE VORARLBERG: ´WAHLKAMPFFINALE´(c) APA/DIETMAR STIPLOVSEK (DIETMAR STIPLOVSEK)
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Bei den Vorarlberger Wahlen am Sonntag dürfte die ÖVP wieder stärkste Partei werden, auch wenn sie einen Regierungspartner brauchen wird. Die Grünen haben realistische Chancen.

Dornbirn/Bregenz. Wenn im traditionell tiefschwarzen Vorarlberg von einer Schicksalswahl die Rede ist, dann bedeutet das nicht ein völliges Umkrempeln der politischen Landschaft, sondern das Abrutschen der ÖVP von der absoluten Mehrheit auf die Mehrheit. Umfragen zufolge ist genau das zu erwarten, und der Wahlkampf der Oppositionsparteien wurde dementsprechend geführt – alle haben Bereitschaft zu einer Regierungsbeteiligung signalisiert. Dabei wird besonders den Grünen eine realistische Chance eingeräumt.

Der Wahlkampf sei jedenfalls der „beste und intensivste“ gewesen, den die Grünen je im Land geführt haben, lobte sich die Partei am Freitag während der Abschlussveranstaltung auf dem Dornbirner Marktplatz. Die Listenkandidaten zeigen sich selbstbewusst, die Doppelspitze Johannes Rauch und Katharina Wiesflecker hat auf starke Themen wie Kinderbetreuung, Bildung, Pflege und natürlich Umwelt gesetzt. Eine Affinität zu Nachhaltigkeit hatte das Ländle schon immer, zuletzt sind aufgrund der deutschen Fracking-Pläne am Bodensee (Suche nach Erdgas) empörte Bürger auf die Barrikaden gegangen. Das hat der Partei Aufwind verschafft. Und: Da die SPÖ kaum Gewicht in Vorarlberg hat, wählen viele Migranten die Grünen.

Die EU-Wahlen im Mai waren das ausschlaggebende grüne Moment: Die Partei überholte die ÖVP in vielen Gemeinden wie etwa Fußach, Hard, Götzis, Rankweil, aber auch in den Städten Feldkirch und Dornbirn. Leichte Verluste musste sie bei den Nationalratswahlen im vergangenen Jahr hinnehmen, die wiederum ein Triumph für die Neos waren. Vor den Pinken müssen sich die Grünen bei diesen Wahlen vermutlich nicht sehr fürchten: Deren Spitzenkandidatin, Sabine Scheffknecht, hatte schwache, wenig profilierte Wahlkampfauftritte, die Erwartungen im Kernland der Neos – Gründer Matthias Strolz ist Vorarlberger – waren aber auch sehr hoch. Interne Querelen haben der neuen Partei ebenfalls geschadet.

Offen für grüne Impulse

ÖVP-Spitzenkandidat Markus Wallner zeigte sich während seiner Auftritte eher zurückhaltend, es ist sein erster Wahlkampf als Landeshauptmann. Koalitionspräferenzen hat er freilich keine genannt. Innerhalb der Opposition gilt er als pragmatisch und – im Gegensatz zu seinem Vorgänger Herbert Sausgruber – zugänglich. Sausgruber habe die Grünen als „weltabgewandte Spinner“ betrachtet, er hätte kaum mit ihnen koaliert, sagt Johannes Rauch. Mit Wallner hat Rauch eine gute Arbeitsbasis. Für grüne Impulse hat sich Wallner offen gezeigt und der Energie-Autonomie sowie dem 365-Euro-Jahresticket für Bus und Bahn grünes Licht gegeben.

Die zweitstärkste Partei im Land ist die FPÖ mit 25 Prozent; Umfragen zufolge können die Freiheitlichen mit Gewinnen rechnen. Eine schwarz-blaue Regierung wäre für Vorarlberg kein Sprung ins kalte Wasser, vielmehr hat das Land Erfahrung mit dieser Konstellation. Und FP-Chef Dieter Egger würde gerne wieder in die Regierung wechseln: Aus der letzten flog er wegen antisemitischer Aussagen heraus. Wenn Wallner auf die bewährte Koalition mit der FPÖ setzen will, muss Egger wohl nochmals Stellung zu seinen Aussagen nehmen. Eine große Mehrheit hätten beide Parteien jedenfalls fix. Egger hat im Vorfeld aber auch angekündigt: „Regierungsbeteiligung – nicht um jeden Preis.“

AUF EINEN BLICK

Vorarlberg. Umfragen zufolge wird die ÖVP bei den Landtagswahlen am Sonntag die absolute Mehrheit verlieren. Mit einer schwarz-blauen Koalition hat das Land lange Erfahrung gesammelt, realistische Chancen werden auch einer schwarz-grünen Landesregierung eingeräumt. Die letzten Wahllokale schließen bereits um 13 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2014)

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