Ostermayer: „Keine Steuerreform ohne zusätzliche Einnahmen“

INTERVIEW: OSTERMAYER
INTERVIEW: OSTERMAYER(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Die Millionärssteuer samt Erbschaften bleibe auf der SPÖ-Agenda, sagt Kanzleramtsminister Josef Ostermayer. Betriebe seien aber ausgenommen.

Die Presse: Sind Sie zufrieden mit dem neuen Vizekanzler und dem neuen Finanzminister?

Josef Ostermayer: Ich bin mit der neuen Konstellation zufrieden, weil ich sehe, dass der Wille, etwas weiterzubringen, gestiegen ist. Die Situation hat sich deutlich verbessert.

Liegt das an den Personen, also an Reinhold Mitterlehner und Hans Jörg Schelling? Oder ist die Regierung zur Einsicht gelangt, dass Sie jetzt etwas tun muss?

Ich habe Reinhold Mitterlehner als jemanden kennengelernt, der zwar klare Positionen hat, aber auch weiß, dass am Ende eine Lösung her muss. Der deutsche Soziologe Georg Simmel hat einmal gesagt: „Der Kompromiss ist die größte Erfindung der Menschheit.“

Hat sich Simmel demnach nicht bis zu Michael Spindelegger durchgesprochen?

Ich will nicht negativ über Spindelegger sprechen. Seine Entscheidung ist zu akzeptieren.

Glauben Sie, dass es nächstes Jahr zu einer Steuerreform kommen wird?

Davon bin ich überzeugt. Die Reform soll im März von der Regierung und im Sommer dann vom Parlament beschlossen werden.

Und wann soll sie in Kraft treten?

Wenn wir glaubwürdig bleiben wollen und es technisch geht, dann sinnvollerweise 2015.

Wann genau? Rückwirkend mit März – oder doch erst im zweiten Halbjahr?

Ich bitte um Verständnis, das wird noch verhandelt. Und ich bin nicht jemand, der anderen ausrichtet, was zu tun ist, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass man in vertraulichen Gesprächen eher zu Lösungen kommt.

Im Gespräch ist auch eine Etappenlösung. Ziehen Sie diese in Betracht?

Es wäre besser, wenn wir etwas beschließen, und dann ist es so.

Die schlechten Konjunkturprognosen machen Ihnen keine Sorgen?

Die Beweglichkeit der Wirtschaft ist höher geworden. Erinnern Sie sich an die sogenannte Budgetloch-Debatte im Vorjahr. Am Ende sind wir viel besser gewesen, als vorhergesagt worden ist.

Werden die Prognosen überbewertet?

Man muss sie schon ernst nehmen. Aber man muss auch sehen, dass sie rasch schwanken.

Worauf führen Sie das zurück?

Wir sind ein exportorientiertes Land. Wenn in Deutschland die Konjunktur einbricht, wenn eine Ukraine-Krise zu Verunsicherung führt, hemmt das relativ schnell auch unser Wachstum. Daher wollen wir die Binnennachfrage stärken – mit einer Steuerreform, die ja auch einen konjunkturbelebenden Effekt hat.

Fällt das nicht in den Bereich Voodoo-Ökonomie? Woher wollen Sie wissen, dass die Leute tatsächlich mehr Geld ausgeben, wenn sie weniger Steuern zahlen?

Die Wirtschaftsforschung geht davon aus, dass sich eine Steuerreform zu 15, 20 Prozent selbst finanziert. Es kommt aber darauf an, wen man entlastet. Wenn man bei den unteren Einkommen die Kaufkraft erhöht, geht ziemlich viel sofort wieder in den Konsum. Bei den höchsten Einkommen ist auch die Sparquote viel höher.

Der ÖAAB will die Steuerstufen durch einen Gleittarif ersetzen: Der Steuersatz soll parallel zum Einkommen steigen. Was halten Sie von diesem Ansatz?

Ich muss gestehen, dass ich bisher nur die Überschriften kenne. Aber wir haben vereinbart, dass auch dieser Vorschlag in der Steuerreformgruppe diskutiert werden sollte.

Aber prinzipiell sagt Ihnen das Modell von ÖGB und Arbeiterkammer mit einem Eingangssteuersatz von 25 Prozent und sechs Steuertarifen mehr zu, nehme ich an.

Da kann ich mit einem klaren Ja antworten.

Gibt es auch beim Entlastungsvolumen Übereinstimmungen? ÖGB und AK wollen sechs Milliarden Euro.

Ich sage nur: 26.September. Da werden sie vom Bundeskanzler mehr erfahren.

Da beginnt die Regierungsklausur in Schladming. Wird dann auch schon ein Zeitplan für die Steuerreform festgelegt?

Wir wollen den Zeitplan für die Beschlussfassung, die weitere Vorgangsweise und das Volumen präsentieren.

Und die Gegenfinanzierung? Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser hat gemeint, sie bestehe nicht auf Vermögenssteuern. Wichtig sei die Lohnsteuerentlastung – wenn sie anders finanziert werden könne, sei es ihr auch recht. Ihnen auch?

Der wesentliche Punkt ist die Senkung der Kosten auf Arbeit, da hat Oberhauser recht. Aber ohne zusätzliche Einnahmen wie eine Millionärssteuer werden wir keine ausreichende Gegenfinanzierung zustande bringen.

Wie wäre es denn mit Reformen?

Wir müssen uns fragen, ob es sinnvolle Einsparungen gibt, die nicht gleich die Konjunktur abwürgen. Wachstum und Beschäftigung sind wesentliche Aspekte dieser Reform. Sie dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.

Was sinnvolle Einsparungen wären, wollen Sie vermutlich auch nicht vorwegnehmen.

Richtig.

Sind Sie sicher, dass eine Millionärssteuer nur die wirklich Reichen träfe?

Es würde keinen Sinn ergeben, die unteren und mittleren Einkommen zu entlasten, wenn man gleichzeitig die mittleren Einkommen wieder belastet. Deshalb wollen wir ja eine Freigrenze von einer Million Euro: damit der Mittelstand eben nicht belastet wird.

Die ÖVP befürchtet, dass davon viele landwirtschaftliche Betriebe betroffen sein könnten: Haus, Hof, Betrieb – da kommen etliche über die Millionengrenze, heißt es.

Sind Bauern so reich?

Keine Ahnung.

Niemand muss sich fürchten. Betrieb und Betriebsvermögen sind in unserem Konzept ausgenommen. Wir wollen ja nicht, dass Unternehmen geschädigt werden. Es geht um das Vermögen von Privatpersonen.

Also Sparbücher, Autos, Schmuck, etc. Wie soll der Wert erhoben werden?

Man müsste eine Veranlagung machen wie bei der Einkommenssteuer.

Klingt nach großem bürokratischen Aufwand, wie wir ihn schon einmal hatten. Die Vermögenssteuer wurde 1993 von einer SPÖ-geführten Regierung abgeschafft.

Die Schweiz hat eine Vermögenssteuer, das ist dasselbe Modell. Und Deutschland hat eine Erbschafts- und Schenkungssteuer. Das sind also keine abwegigen Vorschläge, in diesen Ländern funktioniert es auch.

(c) Die Presse

Wollen Sie jetzt beides, eine Vermögens- und eine Erbschaftssteuer, oder fällt das alles unter den Begriff Milionärssteuer?

Es wird Ihnen jetzt nicht gelingen, dass ich Ihnen alle Punkte so auf den Tisch lege, dass mein Verhandlungspartner eine Freude hat.

Einen Versuch war's wert. ÖGB-Präsident Erich Foglar hat eine Untergrenze für die Erbschaftssteuer genannt: 300.000 Euro. Das ist deutlich unter der Millionengrenze.

Dem Gewerkschaftsbund steht es zu, diese Meinung zu vertreten.

Was würde denn eine Erbschaftssteuer mit einer Freigrenze von einer Million Euro im Jahr bringen? Vermutlich nicht viel.

Nach unseren Berechnungen: 500 Millionen Euro im Jahr.

Auch eine Erbschaftssteuer hatten wir bis 2008, sie hat aber nur zwischen 110 und 150 Millionen Euro pro Jahr gebracht.

Sie war anders konstruiert.

Damals gab es viele Ausnahmen. Gibt es diese im SPÖ-Modell nicht mehr?

Nein. Dafür ist die Freigrenze mit einer Million jetzt sehr hoch angesetzt.

Die Frauenquote ist im SPÖ-Klub mit 40Prozent angesetzt, eingehalten wird sie aber nicht. Stimmt es, dass der Parteivorstand ein Durchgriffsrecht auf alle Wahllisten der SPÖ bekommen soll, damit sich das in Zukunft ändert?

Das ist der Plan. Die Listen sollen korrigiert werden können. Ob vom Bundesparteivorstand oder vom Bundesparteirat, das ist noch offen. Tatsache ist, dass wir schon bei der Listenerstellung auf die Frauenquote achten müssen. Denn nach der Wahl ist es zu spät.

AUF EINEN BLICK

Josef Ostermayer ist seit Dezember 2013 Kanzleramtsminister, zuständig unter anderem für die Agenden Verfassung, Kultur und öffentlicher Dienst. Davor war er Staatssekretär im Bundeskanzleramt (2008 bis 2013) und Werner Faymanns Kabinettschef im Verkehrsministerium (2006 bis 2008). Der 53-jährige Jurist ist einer der engsten und langjährigsten Mitarbeiter des heutigen Kanzlers. Ostermayer gehört auch der Steuerungsgruppe für die Steuerreform an.

Bei der Regierungsklausur am 26. und 27.September in Schladming wird die Steuerreform das zentrale Thema sein. SPÖ und ÖVP wollen sich dort auf das Entlastungsvolumen und den Zeitplan für die Beschlussfassung einigen. Im März soll die Steuerreform in der Regierung, im Sommer 2015 im Parlament beschlossen werden. Wann sie in Kraft tritt, ist offen. Die Gegenfinanzierung ebenso.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2014)

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