Länder unter Druck: 2000 Plätze für Asylwerber dringend gesucht

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Kanzler Faymann und Vizekanzler Mitterlehner wollen noch diese Woche eine Notlösung im Asylkonflikt zwischen Bund und Ländern. Am Mittwoch findet eine Krisensitzung mit den neun Flüchtlingsreferenten statt. Dabei wird Innenministerin Johanna Mikl-Leitner auch ihr – langfristiges – Reformkonzept vorstellen.

Wien. Die Regierungsspitze will das Asylproblem noch diese Woche lösen, am besten schon heute, Mittwoch, in einer Krisensitzung mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und den Flüchtlingsreferenten der Länder. Es geht um die Frage, wo rund 2000 Asylwerber untergebracht werden könnten.

Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner erhöhten am Dienstag den Druck auf die Länder, die zum Teil ihre Asylquoten nicht erfüllen. Faymann kritisierte das „unwürdige Pingpong-Spiel der Landeshauptleute“, sprach sich aber für eine gemeinsame Lösung aus. Doch wie könnte eine solche aussehen? Und wodurch ist das Problem eigentlich entstanden? Im Folgenden die Antworten auf die wichtigsten Fragen:

1 Warum gibt es plötzlich Handlungsbedarf im Asylwesen?

Durch internationale Krisenherde steigt die Flüchtlingszahl in Österreich: Heuer suchten rund 13.000 Menschen um Asyl an. 2000 davon haben laut Innenministerium noch keine fixe Unterkunft. Die meisten Flüchtlinge kommen aus Syrien, Afghanistan und Tschetschenien. Im Vergleich zu 2013 stieg die Zahl der Asylanträge um 13 Prozent – wobei es in der Vergangenheit höhere Flüchtlingswellen gab (siehe Grafik).

2 Sind die internationalen Krisen der einzige Grund für das Asylproblem?

Nein. Jetzt rächen sich die politischen Versäumnisse der vergangenen Jahre: Etliche Bundesländer erfüllten ihre Asylquoten lange Zeit nicht. Das führte dazu, dass Flüchtlinge länger als notwendig in den beiden Erstaufnahmezentren Traiskirchen (Niederösterreich) und Thalham (Oberösterreich) bleiben mussten. Gleichzeitig kamen immer mehr Asylwerber hinzu. Die Folge sind überfüllte Zentren, vor allem Traiskirchen platzt seit Wochen aus allen Nähten. Rund 1600 Menschen sind dort einquartiert. Laut einem Beschluss zwischen Bund und Land sollten es aber nicht mehr als 480 sein.

3 Warum wehren sich die Länder und Gemeinden so gegen Asylwerber?

Weil sie davon ausgehen, dass ihre Wähler keine Asylwerber in der Gemeinde, im Land wollen – oder jedenfalls keine große Zahl. Diese Annahme ist nicht ganz unberechtigt, wie das Beispiel der obersteirischen Gemeinde Spital am Semmering zeigt. Dort haben am Montag rund 400 Bürger gegen das Asylquartier im Hotel Haus Semmering protestiert, das vom Innenministerium kurzfristig eingerichtet worden war. 141 Flüchtlinge wurden vorerst untergebracht.

4 Welche kurzfristigen Lösungen überlegt die Bundesregierung?

Optimalerweise sollen die Asylwerber in mehreren Unterkünften, verstreut über das gesamte Bundesgebiet, untergebracht werden. Privatquartiere sind ebenso im Gespräch wie aufgelassene Hotels oder Liegenschaften des Bundes. Auch die von Mikl-Leitner geforderte Unterbringung in Kasernen ist noch nicht vom Tisch. Wobei die Martinek-Kaserne in Baden – mit einer Kapazität für 900 Flüchtlinge – derzeit die einzig leer stehende wäre. Kanzler Werner Faymann hielte das aber für „keine gute Lösung“, weil man sich damit einem Risiko aussetzen würde. Immerhin gebe es aufrechte Benützungsbewilligungen für die Kasernen, da könnten „hunderte Anzeigen“ fällig werden, nicht zuletzt von den Bürgermeistern selbst.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gab zu bedenken, dass Traiskirchen im Bezirk Baden liege, nur wenige Kilometer von der Bezirkshauptstadt entfernt. Die Region würde also nicht entlastet. Auch eine Zeltlösung lehnt der Vizekanzler ab: Das wäre Österreichs internationaler Reputation abträglich.

5 Welche Angebote für zusätzliche Unterkünfte gibt es?

Tirol will noch diese Woche „100 bis 150“ zusätzliche Plätze für Asylwerber schaffen, Salzburg zeitgleich 85 und dann bis Mitte Oktober weitere 111. In Niederösterreich bieten Privatpersonen Wohnraum für insgesamt 40 bis 50 Flüchtlinge an.

6 Welche langfristigen Änderungen plant das Innenministerium?

Am Mittwoch will Mikl-Leitner den Flüchtlingsreferenten ihr Reformkonzept für das Asylwesen präsentieren. Es sieht vor, dass die Erstprüfung nicht mehr nur in den beiden großen Zentren in Traiskirchen und Thalham stattfindet, sondern in jedem Bundesland. Die gerechte Aufteilung soll über Quoten sichergestellt werden, deren Einhaltung vom Bund kontrolliert wird.

7 Welche Bedenken gibt es in den Ländern gegen Mikl-Leitners Konzept?

Im Detail wollen die Länder das Konzept erst in den nächsten Tagen diskutieren. Die Begeisterung hält sich aber in Grenzen. Der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) sprach sich bereits gegen die Auflösung der Erstaufnahmezentren aus und forderte stattdessen ein weiteres – im Westen. Außerdem gefällt den meisten Ländern nicht, dass das Innenministerium die Flüchtlingssteuerung in die Hand nehmen will.

8 Welche asylpolitischen Forderungen gibt es an die Europäische Union?

Mikl-Leitner wünscht sich auf europäischer Ebene ein ähnliches Konzept, wie sie es für Österreich plant: Eine Quotenregelung soll alle Mitgliedstaaten der EU gleichermaßen in die Pflicht nehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2014)

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