Hoher Verlust: Ukraine-Krise holt Raiffeisen ein

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Nur kurz nach der guten Halbjahresbilanz warnt die Osteuropabank vor gewaltigen Abschreibungen. Ukraine und Ungarn bringen der RBI den ersten Verlust ihrer Geschichte.

Wien. Irgendwann hilft auch der größte Optimismus nichts mehr. Nur wenige Wochen nachdem die Raiffeisenbank International (RBI) trotz Ukraine-Krise ein starkes Halbjahr präsentiert hat, muss Bankenchef Karl Sevelda zurückrudern: Der Konflikt im Osten des Landes geht doch nicht so spurlos an der Bank vorbei wie erhofft. So muss nun auch die RBI hunderte Millionen Euro in Osteuropa abschreiben und dürfte nach einem Plus von über 300 Millionen Euro im Halbjahr heuer noch einen Verlust von bis zu einer halben Milliarde einfahren.


Jeden Tag müsse man mit der ukrainischen Zentralbank abstimmen, welche Filialen der ukrainischen Tochterbank Aval noch geöffnet werden dürften. Von 80 Standorten in der Ostukraine seien derzeit im Schnitt 60 geschlossen, erklärte Sevelda am Dienstag vor Journalisten. „In manchen Regionen wissen wir nicht einmal, ob wir dort überhaupt weiter eine Bank betreiben dürfen.“

Ukrainer bezahlen Kredite nicht mehr

In Summe hat die Bank Kredite im Wert von 470 Millionen Euro in der Ukraine vergeben. Doch aufgrund der Kämpfe im Osten des Landes und der brachliegenden Wirtschaft können viele Kunden ihre Schulden schlichtweg nicht mehr bezahlen. Raiffeisen muss daher mehr Geld als Vorsorge für faule Kredite zur Seite legen. Statt bisher geplanten 1,3 bis 1,4 Milliarden Euro dürften die Risikovorsorgen auf 1,5 bis 1,7 Milliarden Euro steigen, wie die Bank am Montag kurz vor Mitternacht in einer Gewinnwarnung mitteilte. Der Großteil davon entfällt auf die Ukraine. Hinzu kommen Währungsverluste (siehe Artikel rechts) sowie die erwartete Abschreibung des Kundenstocks und der Marke im Wert von 60 Millionen Euro. Unter dem Strich dürfte der RBI damit heuer ein Minus von 50 bis 500 Millionen Euro bleiben – es ist der erste Verlust in ihrer Geschichte.

Ungarn: Das Schlimmste überstanden

Doch die Ukraine ist nicht das einzige Land, das der Osteuropa-Bank dieses historische Debakel beschert. Wenige Kilometer von Österreich entfernt, im Nachbarland Ungarn, braucht es keinen militärischen Konflikt, um die Bank in die Bredouille zu bringen. Hier reicht die Regierung Viktor Orbán. Er zwingt die Finanzinstitute des Landes per Gesetz, ungarischen Fremdwährungskreditnehmern rückwirkend für die vergangenen zehn Jahre die Zinsen und Gebühren zu senken.

Voraussichtliche Kosten für die RBI im Jahr 2014: 240 Millionen Euro. Das sind um hundert Millionen mehr, als bisher dafür veranschlagt waren. Ein Rückzug aus dem Land, über den schon monatelang spekuliert wird, stehe dennoch „nicht auf der Agenda“, versicherte Sevelda. „Ungarn ist ein wichtiges Land und wir werden nicht ohne Weiteres die Zelte abbrechen.“

Zudem ortet der Bankchef Signale, dass das Schlimmste für die Banken überstanden sein könnte. So hat Viktor Orbán mit der Übernahme der Ex-BayernLB-Tochter MKB immerhin sein Ziel erreicht, mehr als die Hälfte des ungarischen Finanzmarktes in ungarische Hände zu bringen.

Raiffeisen-Aktie stürzt ab

Bleibt die Frage, warum die RBI erst so spät handelt. Andere heimische Banken haben ihre Osteuropa-Töchter längst wertberichtigt, das Gesetz in Ungarn war vor wenigen Wochen ebenso bekannt wie der Konflikt in der Ukraine. Mutmaßungen, dass die EZB im Zuge ihres Stresstests der europäischen Großbanken eine Nachbesserung gefordert habe, weist Sevelda zurück. Die Lage in der Ukraine habe sich seit August drastisch verschlechtert und in Ungarn hätten die Banken bisher eben eine positivere Lesart des Gesetzes gehabt. In jedem Fall sei der Millionenverlust der RBI in seinen Augen ein „einmaliger Ausreißer“.

Die Anleger reagierten am Dienstag dennoch geschockt auf die Gewinnwarnung. Die Aktie verlor im Tagesverlauf bis zu zwölf Prozent an Wert. Treffen wird das vor allem die größten Anteilseigner, die Raiffeisen Zentralbank (RZB) und die jeweiligen Landesbanken der „Giebelkreuzer“. Die Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien und die Landesbank Steiermark haben ihre Investoren bereits auf ein schlechteres Ergebnis eingestimmt.

Direkte Notmaßnahmen seien dennoch nicht vorgesehen, versichert Sevelda. Sein Institut brauche weder eine Kapitalerhöhung, noch müsse das 600 Millionen Euro schwere Sparprogramm verschärft werden. Allein im heurigen Jahr kündigte die Bank bereits 1600 Mitarbeiter.

Sorge um die Cash-Cow Russland

Größter Hoffnungsträger (und größter Unsicherheitsfaktor) bleibt Russland. Auch im ersten Halbjahr 2014 steuerte das Land den Großteil des RBI-Gewinns bei. Erst vor wenigen Tagen landeten über 200 Millionen Euro an Dividenden aus Moskau in Wien. In Summe hat Raiffeisen in Russland 10,3 Milliarden Euro an Krediten vergeben. Die Zahlungsmoral der russischen Kunden sei „noch nicht schlecht“. Die Sanktionen hätten bisher nur geringe Auswirkungen, versichert man.

„Das gilt nicht für 2015“, schickt der Risiko-Chef Johann Strobl hintennach. Wegen des erwarteten Einbruchs der russischen Wirtschaft rechnet die Bank im kommenden Jahr mit höheren Vorsorgen für faule Kredite in Russland. Für ein paar hundert Millionen Euro Gewinn sollte es sich für die RBI 2015 in Summe dennoch wieder ausgehen, betonen die Vorstände. Genug sei das nicht.

Auf einen Blick

Die Raiffeisenbank International (RBI) bereitet seine Aktionäre auf höhere Verluste in Ungarn und der Ukraine vor. Die anhaltenden Konflikte im Osten der Ukraine und ein ungarisches Gesetz zwingen das Institut, die Kreditvorsorgen für 2014 von bisher 1,4 auf bis zu 1,7 Milliarden Euro zu erhöhen.

In Summe werde die RBI damit heuer erstmals in ihrer Geschichte einen Verlust einfahren. Bank-Vorstand Karl Sevelda sprach von 50 bis 500 Millionen Euro minus. 2015 will die RBI wieder Gewinn schreiben. Die Anleger an den Börsen reagierten geschockt auf die Nachricht. Die Aktie stürzte im Tagesverlauf um bis zu zwölf Prozent ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2014)

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