Asyl: Wien springt mit 600 Notbetten ein, der Bund zahlt

Die Bundesimmobiliengesellschaft stellt ein Gebäude in Wien-Erdberg für Asylwerber zur Verfügung.
Die Bundesimmobiliengesellschaft stellt ein Gebäude in Wien-Erdberg für Asylwerber zur Verfügung.APA/ROBERT JAEGER
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Nach Häupls Theaterdonner gab es eine Einigung: In der Ex-WU und einer Polizeiunterkunft werden Asylwerber untergebracht.

Wien. In letzter Minute gab es dann doch noch eine Einigung: Die Stadt Wien wird als Sofortmaßnahme zur Entschärfung des Asylproblems 600 Flüchtlinge aufnehmen, befristet auf vier Monate, verkündeten Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Donnerstagnachmittag.

Es wurden zwei Standorte vereinbart: In einer ehemaligen Polizeiunterkunft in der Erdbergstraße im dritten Bezirk stehen 350Plätze zur Verfügung, und in der früheren Wirtschaftsuni im neunten Bezirk finden bis zu 250 Asylwerber Platz. Sämtliche Kosten dieser Maßnahme trägt der Bund und nicht die Stadt Wien. Start der Unterbringung könnte schon Anfang nächster Woche sein.

Wenige Stunden davor hatte es aber noch gar nicht nach einer Einigung ausgesehen. Der Bürgermeister war nämlich gar nicht „amused“, andere Quellen sagen, er sei „fuchsteufelswild“ gewesen. Und zwar über das ÖVP-geführte Innenministerium, das in der Asylfrage Druck macht – und auch über Mitterlehner. Dieser hatte am Vormittag während der ÖVP-Klausur verkündet, dass ein Großquartier in Wien gefunden worden sei und mit Billigung Häupls 600Asylwerber einquartiert würden.

Tatsächlich hatte Häupl mit Mitterlehner Mittwochabend telefoniert. Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen habe Wien Hilfe zugesagt, heißt es im Rathaus. In dem Gespräch sei aber eine Aufteilung auf mehrere Standorte vereinbart gewesen. Dass von ÖVP-Seite von einem einzigen Großquartier gesprochen wurde, hat der Bürgermeister den Quellen zufolge absolut nicht goutiert. Erst nach mehreren Telefonaten gab es eine Lösung.

Beide Standorte befinden sich im Eigentum der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), die dem Wirtschaftsministerium untersteht. Die ehemalige Wirtschaftsuni steht seit dem Umzug in die Leopoldstadt vor einem Jahr leer und war für verschiedene Nachnutzungen im Gespräch. Unter anderem als Übergangsquartier für das Parlament, wenn dieses umgebaut wird. Diese Option war aber bald vom Tisch, jetzt wird ein Teil der Uni von Studenten der Boku benutzt. Der zweite Standort liegt im dritten Bezirk und sollte eigentlich in nächster Zeit als Studentenheim fungieren. Es handelt sich dabei um das frühere Ausbildungszentrum der Zollwache, gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht. Das Gebäude wurde erst vor einem Dreivierteljahr geräumt und ist daher noch sehr gut in Schuss, wie „Die Presse“ bei einem Lokalaugenschein in dem siebenstöckigen Haus feststellen konnte. Die meisten Räume sind Zweibettzimmer und modern eingerichtet.

Jetzt müssen rasch Basisadaptierungen gemacht werden, wie Heizung aktivieren, Stromsystem überprüfen, Grundreinigung durchführen, den Speisesaal herrichten, heißt es bei der BIG. Außerdem müssten die Matratzen für die Betten organisiert und geliefert sowie kleine Sanierungsarbeiten gemacht werden. Dies könne aber bis Montag erledigt sein. Dann könne man schrittweise die ersten Flüchtlingsgruppen einquartieren.

Das einzige Problem ist, dass das untere Stockwerk an das Wiener Ballsportgymnasium (auf dem es auch einen Zweig für Leistungssportler gibt) vermietet ist. Laut BIG müsse man in kurzer Zeit eine Lösung finden, um die Aufgänge zur Schule und zu den Asylwerber-Unterkünften zu trennen. In ersten Reaktionen äußerten sich einige Schüler übrigens positiv über die künftigen Nachbarn. Kleines Detail: Da das Gebäude jahrelang für Schulungszwecke der Zollwache verwendet worden ist, gab es im Keller sogar Einrichtungen für Schießübungen.

Fixe Betten gesucht

Mit dieser Lösung ist zumindest die kurzfristige Suche nach Quartieren für Innenministerin Johanna Mikl-Leitner beendet. Trotzdem werden immer noch fixe Quartiere für Flüchtlinge gesucht. Nach dem Asylgipfel am Mittwoch zwischen der Ministerin und den Flüchtlingsreferenten zeigten sich die Landeshauptleute kompromissbereit. „Es kann nicht sein, dass ein so reiches Land wie Salzburg nicht in der Lage ist, 1500 Flüchtlinge aufzunehmen“, meinte Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP). Das Land Tirol will 70 Flüchtlinge im Schloss Tirol und weitere 100 in der ehemaligen Straubkaserne in Hall in Tirol unterbringen. Einige Ortschaften wehren sich allerdings dagegen, Flüchtlinge aufzunehmen – wie Spital am Semmering. Über dieses Problem will die Ministerin in den nächsten Wochen verhandeln: Sie will die Betreuungsquoten, die derzeit nur für Länder gelten, auf Gemeinden herunterbrechen: Pro 266 Einwohner soll ein Asylwerber aufgenommen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2014)

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