Der Mann, der auszog, die Länder das Fürchten zu lehren

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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„Presse“-Diskussion. Zuckerbrot und Peitsche hält Finanzminister Jörg Schelling für die Bundesländer bereit.

Wien. Hans Jörg Schelling ist von Selbstzweifeln wenig angekränkelt. Jedenfalls ist er nicht geneigt, diese in der Öffentlichkeit zu zeigen. Er gibt Sätze von sich wie: „Die Länder sind nicht reformunwillig.“ Und er sagt das derart selbstbewusst, mit so bestimmtem Ton, dass niemand im Publikum laut auflacht. Gleichzeitig fügt er hinzu: „Man muss ihnen nur Vorschläge machen. Dann muss man genau so ein harter Knochen sein wie die Länder.“

„Harter Knochen“ – es gibt nicht allzu viele Politiker, denen man derartige Aussagen über sich abnimmt. Niemand der Zuhörer aus den dicht gedrängten Reihen bei der „Presse“-Diskussion „Ideen für Österreich“ in der Aula der Akademie der Wissenschaften erhebt Einspruch. Und später, als ihn ein Leser auf die Abhängigkeit der Bundesregierung von Sozialpartnern und Bundesländern anspricht, sagt der ÖVP-Minister unerschrocken: „Ich sehe das ganz entspannt. Wir müssen auf selber Augenhöhe miteinander reden – wie mir das bei der Gesundheitsreform gelungen ist. Dass das nicht einfach ist, ist klar.“

Er plane, für die und mit den Ländern eine Obergrenze der Verwaltungskosten einzuziehen. Das ist aber bei Weitem nicht alles. Dass derzeit ein Drittel der Einnahmen des Bundes an die Länder geht, „das kann so nicht bleiben“, wie der Minister den Landeshauptleuten nicht eben diplomatisch ausrichtet. Und: „Das wird eine heftige Frage werden.“

„Harter Knochen“ – das muss auch der Koalitionspartner SPÖ spüren. Den Hinweis von „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak, der die Diskussion moderiert, dass es nach der Aussage von Sozialminister Rudolf Hundstorfer, die vereinbarten fünf Milliarden Euro seien die Unterkante bei der Steuerreform, offenbar in der Koalition noch Klärungsbedarf gibt, kontert Schelling trocken: „Für mich sind die fünf Milliarden Euro Ober- und Unterkante zugleich.“ Es wäre unverantwortlich, Versprechungen zu machen, die er nicht einhalten könne. Dann entschlüpft ihm, was bei Schelling untypisch ist, doch ein typischer Politikersatz: „Dafür stehe ich nicht zur Verfügung.“

Keine neuen Steuern

Die Spannweite der Vorschläge, die er aus allen Richtungen zur steuerlichen Entlastung erhalte, reiche von drei bis 15Milliarden Euro. Schelling: „Man kann auch 15 Milliarden machen.“ Sehr kurze Pause: „Wenn sie mir zehn Jahre Zeit geben.“

Das Geld, genauer das Geld, das die Republik seinen Bürgern über Steuern nimmt, ist zentraler Punkt der Anfragen mehrerer Leser. So wie die nach einer allfälligen Anhebung der Grundsteuer. Schelling wiederholt mit sonorer Stimme seine schon mehrfach gehörte Botschaft, auch und gerade Richtung SPÖ: „Österreich ist ein Hochsteuerland. Ich möchte die Reform ohne neue Steuern machen.“ Im Übrigen merkt er an, stünde das Geld der Grundsteuer den Kommunen zu. Auch deshalb halte er sich bei dieser Diskussion zurück...

Bis Ende November werden, wie er verrät, die 600 Ausnahmen im Steuerrecht durchforstet. Aber groß sei der Spielraum hier nicht, räumt er ein. Jedenfalls müsse das Prinzip gelten, dass am Ende der Steuerreform auch bei Streichung von Ausnahmen jeder besser gestellt sein müsse als vorher. Wer hört derartiges nicht gerne.

Um Wachstum und Beschäftigung anzukurbeln, müsste auch die Zurückhaltung bei den Investitionen beendet werden. Zur Umgehung der Kreditklemme plane er eine Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft, wobei Schelling auch die Banken mit ins Boot holen will.

Fehler eingestehen

Generell bemängelt Schelling an der Politik, dass zu selten über die Ziele diskutiert werde. Beispiel Bundesheer oder Bildungsreform. Politiker müssten auch Fehler eingestehen und, um Stillstand zu vermeiden (wieder Stichwort Bildung), manchmal den Rückwärtsgang einlegen.

Ein Mal nur, sehr kurz, blitzt etwas auf, das entfernt an so etwas wie Selbstzweifel erinnern könnte. Als der Finanzminister darüber spricht, wie überrascht er über die öffentliche Euphorie gewesen sei, die er nach seiner Bestellung registriert habe und dann meint, es werde „nicht ganz leicht sein, alle Erwartungshaltungen zu erfüllen“. Aber, wie wir gehört haben, Schelling ist ja ein „harter Knochen“. (d.n.)

IDEEN FÜR ÖSTERREICH

„Presse“-Aktion. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) war Gast bei einer von Chefredakteur Rainer Nowak moderierten, überaus gut besuchten Diskussion mit „Presse“-Lesern. Den Anlass bot der Abschluss der Serie „99 Ideen für Österreich“ und das Erscheinen des Magazins, das der Dienstagausgabe der „Presse“ beigelegt gewesen ist.
Nachbestellungen sind per Mail möglich unter: guenter.brunecker@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2014)


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