Familienpolitik: Die Reform der Reform der Reform der Reform

(c) Clemens Fabry
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Aus dem Karenzgeld wurde unter Wolfgang Schüssel das Kinderbetreuungsgeld. Nach 2008 und 2010 wird es nun erneut reformiert. Es ist auch eine Geschichte des gesellschaftlichen Wandels.

Es war ein Prestigeprojekt der schwarz-blauen Regierung Schüssel. Durchaus eines mit ideologischem Hintergrund. Das Kinderbetreuungsgeld löste das Karenzgeld ab. Letzteres, eingeführt unter Bruno Kreisky, war eine Versicherungsleistung. Soll heißen: Nur Frauen, die vorher Beiträge gezahlt, also gearbeitet haben, hatten Anspruch darauf. Studentinnen, Unternehmerinnen, Bäuerinnen, Hausfrauen hatten keinen.

Die Regierung Schüssel beseitigte hier einen Missstand. Allerdings lag dieser Reform ein doch eher konservatives Familienbild zugrunde: Alle – also auch die der ÖVP nicht gerade fernstehende Klientel der Unternehmerinnen und Bäuerinnen – bekamen nun Kinderbetreuungsgeld. Und alle bekamen dasselbe: 436 Euro im Monat bis zum dritten Lebensjahr des Kindes. 30 Monate für den einen Elternteil, noch einmal sechs, sollte auch der andere gehen.

Die Anreize für Mütter, wieder arbeiten zu gehen, und für Väter, zuhause zu bleiben, waren also nicht allzu groß. Der Idealfall im Sinne der Erfinder – auch wenn nun viel von Wahlfreiheit die Rede war: Mütter sollten ihre Kinder bis zum Kindergarteneintritt zu Hause betreuen. Für gröbere Probleme sorgte zudem die strengere Zuverdienstgrenze. Es kam zu zahlreichen Rückforderungen an die Bezieher.

Doch die Gesellschaft hatte sich gewandelt. Und so mussten auch die Verantwortlichen in der ÖVP einsehen, dass sie mit dem Kinderbetreuungsgeld zwar einen Schritt in die richtige Richtung getan hatten – aber auf halbem Wege stehen geblieben waren. Zumal auch der gewünschte Effekt ausgeblieben war: Weiterhin lag die Geburtenrate in Österreich auch im europäischen Vergleich im Schnitt bei niedrigen 1,4 Kindern pro Frau.

12+2: Für Karrierefrau und Feministin

Anfang 2008 unter der rot-schwarzen Regierung Gusenbauer/Molterer wurde von ÖVP-Familienministerin Andrea Kdolsky dann zusätzlich zum 30-plus-6-Monate-Modell das 20-plus-4- (je 624 Euro) und 15-plus-3-Monate-Modell (je 800 Euro) eingeführt. 2010 unter der Regierung Faymann/Pröll, ausverhandelt von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und Familienstaatssekretärin Christine Marek (ÖVP), kam dann noch das einkommensabhängige Kindergeld dazu.

Ein Modell, das von der bürgerlichen Karrierefrau bis zur linken Feministin von allen Seiten Applaus bekommen sollte. Die Idee dahinter: Frauen, die schneller wieder in den Beruf einsteigen, sollen finanziell belohnt und Väter zur Karenz animiert werden. Am meisten Geld gab es nun für eben dieses 12-plus-2-Modell (12 Monate der eine Elternteil, zwei der andere): 80 Prozent des Gehalts, maximal 2000 Euro.

Die Folge: Viele Frauen nahmen das 12-plus-2-Modell in Anspruch und gingen nach einem Jahr wieder arbeiten. Allerdings: Auf die Schnelle fehlte es nun an Kinderbetreuungseinrichtungen, in denen die Kleinen – nach einer allfälligen Karenz des Vaters – betreut werden konnte. Hier hinkten die realen Gegebenheiten den gesetzlichen Möglichkeiten nach. Die Politik musste nachjustieren – und Geld für neue Kinderbetreuungseinrichtungen in die Hand nehmen, die aber auch nicht von heute auf morgen aus dem Boden sprossen.

Karenz bald auch bei Schuleintritt

Nach etlichen kleineren Anpassungen – Asylwerbern und subsidiär Schutzberechtigten wurde ebenfalls Karenzgeld gewährt, die Rückzahlungen bei den Zuschüssen wurden gestrichen, die Zuverdienstgrenzen flexibilisiert – wird nun wieder in größerem Stil evaluiert. Die nächste Reform der Reform der Reform der Reform steht an: Die zuständige Arbeitsgruppe im Familienministerium hat gestern ihre Arbeit aufgenommen, im Frühjahr sollen die Ergebnisse den Regierungsparteien zur Umsetzung vorgelegt werden. Wirksam werden soll die Novelle spätestens mit Jahresbeginn 2016.

ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin hat ihre Präferenzen bereits kundgetan: Das einkommensabhängige 12-plus-2-Modell soll es weiterhin geben. Die übrigen Modelle nicht mehr. Sondern vielmehr ein Kindergeldkonto mit einem Fixbetrag: Innerhalb der maximalen Bezugsdauer von drei Jahren, wenn Vater und Mutter zuhause bleiben, sollen diese entscheiden können, wann sie ihre Karenzzeit in Anspruch nehmen. Möglich wäre es auch, etwa einen Monat bezahlte Karenz erst während des Schuleintritts eines Kindes zu nehmen. Auch an einen „Partnerschaftsbonus“ ist gedacht: wenn sich die Eltern die Karenzzeit halbe-halbe aufteilen.

Es wird wahrscheinlich nicht die letzte Reform gewesen sein: Die Grünen fordern bereits die Begrenzung des Karenzgeldbezugs auf zwei Jahre und einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz. Gut möglich, dass die Regierung auch diesen Wünschen eines Tages nachkommt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2014)

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