Ärzte als Helfer beim Suizid?

(c) Clemens Fabry
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Wie soll man sterben (dürfen)? Die Experten der Bioethikkommission diskutierten öffentlich über das Lebensende. Eine Premiere.

Wien. Matthias Beck hat das wohl ganz richtig beobachtet. Er habe den Eindruck, sagte der Theologe, in der Bioethikkommission sei man sich in der Ablehnung der Tötung auf Verlangen (vulgo „aktive Sterbehilfe“) ohnehin relativ einig. Dafür habe sich die Debatte auf die Beihilfe zum Suizid konzentriert. Es war dies eine von mehreren spannenden Erkenntnissen der ersten öffentlichen Sitzung der Bioethikkommission, die sich für diese Premiere ein brisantes Thema gewählt hat: das Lebensende. Die Bioethikkommission wurde von der Regierung beauftragt, sich zum Thema „Sterben in Würde“ zu äußern und arbeitet dabei „in leger verzahnter Parallelität“, wie es die Leiterin der Bioethikkommission Christiane Druml nennt, mit der parlamentarischen Enquetekommission zusammen. Letztere tagt am 7. November; sie prüft vor allem eine Verankerung des Verbots der Tötung auf Verlangen in der Verfassung. Die ÖVP will das bekanntlich – die SPÖ nicht.
Gestern, Montag, war jedenfalls große Skepsis in der Verfassungsfrage spürbar.

Es gebe bereits ein strafrechtliches Verbot der Tötung auf Verlangen, eine schwammige Formulierung in der Verfassung würde die Ärzte nur verunsichern, wenn es darum gehe, sinnlose Behandlungen am Lebensende abzubrechen, meinte Andreas Valentin. Valentin ist Chef der AKH-Intensivstation und leitet die Arbeitsgruppe der Bioethikkommission.

Generell, so lautet die Diagnose des renommierten Palliativmediziners Gian Domenico Borasio, besteht am Lebensende derzeit eine „Übertherapie“. Die Gesundheitsindustrie würde die Hoffnung der Patienten und die Ängste der Ärzte instrumentalisieren, um höhere Renditen zu erzielen. Gleichzeitig beklagt Borasio, eine palliative, sprich schmerzlindernde Unterversorgung im Alltag, wobei sich die öffentliche Debatte fälschlicherweise immer erst auf den den Todeszeitpunkt konzentriere.

Deutsche Debatte als Vorbild?

Wobei Borasio auch für die Option des assistierten Suizids eintritt, wenn eine unheilbare Krankheit besteht, die in absehbarer Zeit zum Tod führt. In Deutschland, wo die Beihilfe zum Suizid anders als in Österreich legal ist, hat er an einem Gesetzesvorschlag mitgearbeitet. Im Unterschied zu Christiane Woopen, der Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats, die persönlich dafür wäre, die Beihilfe (mit Einschränkungen) erlaubt zu lassen, will Borasio sie verbieten, aber Ausnahmen für Nahestehende und für Ärzte machen. Vorbild ist ihm der US-Bundesstaat Oregon, wo Schwerstkranke ein tödliches Mittel zur selbstständigen Einnahme bekommen können.

Ein Drittel der Patienten würde das Mittel aber nie verwenden, sagt Borasio. Denn bei der Tablette, die man selbst einnehmen müsse, gebe es eine höhere Hemmschwelle als bei einer tödlichen Spritze vom Arzt. Daher seien die Zahlen in Oregon (zwei von 1000 Todesfällen) konstant niedrig, während jene in den Niederlanden, wo Tötung auf Verlangen erlaubt ist, stiegen.

Wäre Oregon ein Vorbild für Österreich? Sollen Ärzte beim Suizid helfen dürfen? Einige Mitglieder der Kommission zeigten Sympathie dafür: „Man sollte das rigorose Verbot aufweichen. Borasios Vorschlag ist für Deutschland zwar ein Rück-, wäre für uns aber ein riesiger Fortschritt“, sagt etwa Strafrechtler und Kommissions-Mitglied Alois Birklbauer. (uw)

Der Mitschnitt der Sitzung der Bioethikkommission wird unter www.bka.gv.at online gestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2014)

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