Die 24-Stunden-Betreuung boomt

Hände Pfleger und Seniorin
Hände Pfleger und Seniorin(c) Erwin Wodicka - BilderBox.com (Erwin Wodicka - BilderBox.com)
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Seit der Legalisierung der Pflegekräfte 2007/08 steigen die Kosten für den Bund drastisch. Für Betroffene ist das Modell auch aus Spargründen beliebter als die Unterbringung in Heimen.

Wien. Sie war in der Nach-Schüssel-Ära während der ersten Neuauflage der SPÖ-ÖVP-Koalition ab Jänner 2007 einer der heftigsten Konfliktpunkte, mittlerweile ist die Rund-um-die-Uhr-Betreuung zu Hause aus dem Pflegesystem in Österreich nicht mehr wegzudenken. Rund 40.000 Pflegekräfte sind laut Sozialministerium in Österreich angemeldet.

Damals hat das Modell zur Legalisierung der Pflegekräfte, die schon großteils aus Österreichs Nachbarländern im Osten gekommen sind, hohe Wellen geschlagen. Inzwischen schlägt sich die Nachfrage auch in deutlich steigenden Kosten für den Bund bei der finanziellen Unterstützung nieder. Grund für die Neuregelung war: Im Nationalratswahlkampf 2006 hatte der Umstand viel Staub aufgewirbelt, dass bis dahin viele großteils ausländische Pflegekräfte illegal, also ohne Anmeldung, tätig waren.

Die Ausgaben haben sich von rund neun Millionen in der Startphase 2008 auf mittlerweile deutlich über 100 Millionen Euro erhöht. Das ist auch der Beweis dafür, dass die 24-Stunden-Betreuung, bei der sich im Regelfall zwei weibliche Pflegekräfte im Rhythmus einiger Wochen abwechseln, auf große Akzeptanz stößt.

15 bis 18 Prozent Steigerung

Heuer rechnet Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) mit Kosten von 125 Millionen Euro. Das ist eine Steigerung um rund 15 Prozent. In den vergangenen Jahren war die Zuwachsrate mit rund 18 Prozent sogar noch höher gewesen.

Es gibt zwei Hauptgründe für den Boom bei der 24-Stunden-Betreuung daheim. Erstens entsprechen die Pflege und die Unterstützung zu Hause in vielen Fällen den Wünschen der Betroffenen, die – solange dies medizinisch und aufgrund der Bewegungsmöglichkeiten und des persönlichen und familiären Umfelds praktikabel ist – lieber daheim bleiben.

Zweitens spielen auch finanzielle Gründe eine entscheidende Rolle. Denn bei einem stationären Aufenthalt und bei einer Übersiedlung in ein Pflegeheim gibt es für Betroffene einen praktisch kompletten Regress. Das bedeutet, sie müssen Pension und Pflegegeld dafür aufwenden. Im Regelfall reicht das nicht aus. Außerdem ist der Zugriff auf Vermögen bei der 24-Stunden-Betreuung anders als bei der Unterbringung in einem Heim deutlich begrenzt.

Schließlich gibt es auch ein Land-Stadt-Gefälle: Die 24-Stunden-Betreuung ist in ländlicheren Regionen, wo auch Pensionisten- und Pflegeheime im Regelfall weiter vom Wohnort der betroffenen Menschen entfernt sind, beliebter. Der Andrang auf die Rund-um-die-Uhr-Betreuung ist stärker, in städtischen Bereichen fehlt viel öfter genügend Wohnraum, damit die Menschen tatsächlich zu Hause betreut werden können.

Großteil ist selbstständig

Die meisten Pflegekräfte in der 24-Stunden-Betreuung sind formal als Selbstständige aktiv. Das war dem ÖGB ein Dorn im Auge, für den es sich vielfach bloß um Scheinselbstständige handelt. Forderungen der Gewerkschaft nach Änderungen wurden dann allerdings von Sozialminister Hundstorfer, der immerhin bis Dezember 2008 ÖGB-Präsident war, abgeschmettert. Hintergrund dafür war, dass bei einer Umstellung auf Angestelltenverhältnisse deutlich höhere Kosten auch für die betroffenen pflegebedürftigen Personen befürchtet wurden.

AUF EINEN BLICK

Die 24-Stunden-Betreuung daheim ist aus dem Pflegesystem nicht mehr wegzudenken. Rund 40.000 Pflegekräfte sind in Österreich angemeldet. Die Ausgaben des Bundes haben sich von rund neun Millionen in der Startphase 2008 auf mittlerweile deutlich über 100Millionen Euro erhöht. Heuer rechnet das Sozialministerium mit Kosten von 125 Millionen Euro. Das ist eine Steigerung um rund 15 Prozent. In den vergangenen Jahren war die Zuwachsrate mit etwa 18 Prozent noch höher gewesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2014)

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