Schieder: „SPÖ muss sich vom alten Arbeiterbegriff lösen“

INTERVIEW: SPOe-KLUBOBMANN ANDREAS SCHIEDER
INTERVIEW: SPOe-KLUBOBMANN ANDREAS SCHIEDERAPA/HANS KLAUS TECHT
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Die SPÖ sollte ihre historische Bestimmung weiterentwickeln, findet Klubchef Andreas Schieder. Bei der Frauenquote kündigt er ein Durchgriffsrecht des Parteivorstands an.

Die Presse: Demnächst, am 28.Oktober, haben Sie Ihr einjähriges Jubiläum als Klubobmann der SPÖ. Ich nehme an, Sie haben den Wechsel von der Regierung ins Parlament nicht bereut.

Andreas Schieder: Überhaupt nicht. Klubobmann ist eine spannende Aufgabe, weil das Themenfeld sehr breit ist. Ich sehe den SPÖ-Klub auch als eine Art Thinktank für die Zukunft des Landes.

Sie wissen vermutlich, dass Sie bereits für höhere Weihen gehandelt werden?

Nein. Ich weiß, dass Journalismus immer auch die Frage behandelt, wer etwas werden könnte. Das ist legitim. Manchmal fühlt man sich gebauchpinselt, wenn man vorkommt, manchmal will man allerdings auch nicht vorkommen.

Und, fühlen Sie sich jetzt gebauchpinselt oder steht SPÖ-Chef nicht auf Ihrer To-be-List?

Ich enthalte mich da jeglichen Kommentars.

Jedenfalls überarbeitet die SPÖ gerade ihr Parteiprogramm. Wo sehen denn Sie Änderungs- bzw. Modernisierungsbedarf?

Die Produktionsprozesse haben sich verändert, wir stehen heute vor einer Industrie 4.0 mit Dingen wie 3-D-Druckern. Das hat Auswirkungen auf das menschliche Sein und stellt auch die SPÖ vor neue Herausforderungen: Wie sieht soziale Sicherheit in der Zukunft aus? Darüber müssen wir diskutieren.

Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos hat gemeint, der Kardinalsfehler der SPÖ sei der „Dritte Weg“ gewesen, den Viktor Klima Ende der 1990er im Windschatten von Tony Blair und Gerhard Schröder eingeschlagen hat.

Jede Zeit hat ihre Antworten. Vieles am „Dritten Weg“ hat auch mir nicht gefallen. Der Begriff Gerechtigkeit, um den sozialdemokratische Politik immer kreisen muss, war in dieser Zeit unterbelichtet.

Darabos findet, dass die SPÖ zu ihren Wurzeln zurückkehren, sich also wieder mehr um die Arbeiterschaft kümmern muss.

Das ist der richtige Ansatz, aber wir müssen uns vom alten Arbeiterbegriff lösen. Der ist zu eng geworden. Die SPÖ muss ihre historische Bestimmung weiterentwickeln.

In welche Richtung?

Victor Adler ist damals auf den Wienerberg gefahren und hat Lösungen für die grässliche Situation der Ziegelarbeiter entwickelt. Heute zählen zu den prekär Beschäftigten auch Ein-Personen-Unternehmen, Leiharbeiter und Scheinselbstständige. Das sind die Leute, um die wir uns kümmern müssen.

Um ihre Frauenquote hat sich die SPÖ zu wenig gekümmert, weshalb die Frauen jetzt ziemlich verärgert sind. Muss sich Werner Faymann vor dem Parteitag im November fürchten?

Ich glaube, dass eine faire Beurteilung vor allem berücksichtigt, dass Faymann Österreich gut durch die Krise gebracht hat. Aber es stimmt, dass unser Anspruch, Frauen gleichermaßen in den Gremien zu beteiligen, in letzter Zeit einen leichten Rückschlag erlitten hat. Deswegen stellen wir uns dem auch.

Das Problem sind die Kandidatenlisten in den Landes- und Regionalwahlkreisen. Stimmt es, dass der Bundesparteivorstand ein Durchgriffsrecht auf die Listen bekommen soll?

Wir haben eine abgestufte Entscheidungspyramide. Die gipfelt im Bundesparteirat bzw. Bundesparteitag, der die Listen beschließt. Davor wird es aber der Parteivorstand sein, der ein stärkeres Durchgriffsrecht hat.

Wie geht es Ihnen mit den Umfragen für die Wien-Wahl nächstes Jahr? In manchen liegt die SPÖ nur noch bei 35 Prozent.

Entscheidend sind die Umfragen vor Ort, die Hausbesuche. Wenn der Kontakt gehalten werden kann, hat die SPÖ gute Chancen auf ein gutes Wahlergebnis.

Was wäre ein gutes Ergebnis?

Die absolute Mehrheit ist stets eine Zielvorstellung der Wiener SPÖ.

Derzeit wohl eher eine Wunschvorstellung.

Schauen Sie sich an, wie gut sich die Stadt entwickelt hat. Das sind die besten Voraussetzungen dafür.

Da gehen die Meinungen auseinander. Aber wenn Sie die Arbeit der Stadtpolitik preisen, schließt das die Grünen mit ein. Soll die Koalition fortgesetzt werden?

Lieber wäre mir natürlich eine SPÖ-Alleinregierung.

Und was wäre Ihre zweitliebste Option, also die realistische?

Dass es mit den Grünen gut funktioniert hat, ist für mich evident.

Wie soll es mit der Staatsholding ÖIAG weitergehen?

Die Performance der ÖIAG war eine Schande im letzten Jahr. Die Telekom hat einen Bauchfleck hingelegt – Stichwort América Móvil. Und eben erst haben wir ein Management- und Aufsichtsratsversagen bei der OMV erlebt. Es wäre die Aufgabe des ÖIAG-Chefs gewesen, die Probleme intern zu klären.

Hat Rudolf Kemler versagt?

Ja, absolut. Eine Reform der ÖIAG ist dringend nötig. Wir brauchen neue Leute, auch einen neuen Aufsichtsrat, denn mit diesem Personal kann es nicht weitergehen.

Die Frage ist doch, ob wir die ÖIAG überhaupt noch benötigen. Über Privatisierungen braucht man mit Ihnen vermutlich nicht zu diskutieren.

Nein.

Und was halten Sie davon, die Staatsbeteiligungen dem Finanzministerium zu überantworten?

Das wäre die zweitbeste Lösung. Ich würde die ÖIAG gerne zu einer Standortholding weiterentwickeln und ihr vielleicht zusätzliche Aufgaben übertragen – zum Beispiel einen Österreich-Fonds, der Unternehmen einen Schutzschirm gegen feindliche Übernahmen anbietet.

Warum darf man eigentlich nicht darüber nachdenken, ob es Sinn macht, auch die Bundesbahnen der ÖIAG einzugliedern?

Weil sie so groß und komplex sind, dass die ÖIAG das Anhängsel der ÖBB wäre und nicht umgekehrt.

Oder weil die SPÖ ihr Hoheitsgebiet ÖBB nicht aus der Hand geben will.

Nein. Unsere Überlegungen sind rein betriebswirtschaftlicher Natur.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2014)

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