Krach in Koalition: Faymann lässt ÖVP abblitzen

(c) AP (Lilli Strauss)
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Fronten um Pensionsautomatik sind verhärtet: Neuer SPÖ-Chef lehnt Angebot Molterers ab, Volkspartei stellt SPÖ-Pakttreue in Frage.

Wien/Klagenfurt (ett/bene). Es herrscht wieder Wahlkampf im Land. Sprengstoff dafür liefert das Thema Pensionen: Die beiden Regierungsparteien steuern dabei auf Kollisionskurs. Vizekanzler ÖVP-Chef Wilhelm Molterer kam der SPÖ zwar mit einem Kompromissangebot zur heftig umkämpften „Pensionsautomatik“ – statt einer Ministerverordnung sollte der Hauptausschuss des Parlaments entscheiden – entgegen.

Dem neuen SPÖ-Chef Werner Faymann reicht das aber nicht: Er schaltete, wie er am Freitag wenig später deutlich machte, auf hart. Von einer „Automatik“, bei der jetzt künftige Einschnitte im Pensionssystem ermöglicht werden, will er gar nichts mehr wissen. Offenbar ist Faymann der Überzeugung, dass die SPÖ mit dem Nicht-Antasten der Pensionen bei vorgezogenen Neuwahlen gegenüber der ÖVP in der klar besseren Ausgangsposition ist.

Das Kompromissangebot Molterers war überraschend gekommen. Denn die ÖVP-Führung hat bisher die einstimmige Forderung des SPÖ-Präsidiums, wonach es keine „automatischen Verschlechterungen“ bei den Pensionen geben dürfe und das Parlament die Letztentscheidung haben müsse, strikt abgelehnt.

Hauptausschuss soll's richten

Weil die Haltung der SPÖ offenbar populärer ist, unterbreitete Molterer nun den Vorschlag, es solle der Hauptausschuss des Parlaments das letzte Wort haben. „Wir wollen damit einen Schritt auf die SPÖ zugehen“, betonte Molterer. Seine Bedingung: Es müsse sichergestellt werden, dass das gesamte „Pensionssicherungspaket“ umgesetzt wird. Dieses sieht nach einer rot-schwarzen Vereinbarung von Ende Mai unter anderem vor, dass das Pensionsalter erhöht wird, die jährliche Pensionserhöhung niedriger ausfällt und die Beiträge angehoben werden, wenn es wegen der steigenden Lebenserwartung Finanzierungsprobleme gibt.

Die Abfuhr der neuen SPÖ-Parteispitze ließ nicht lange auf sich warten. Faymann sprach sich bei einer Pressekonferenz in Klagenfurt kategorisch gegen eine Automatik-Lösung aus: „Die Teuerungsrate erlaubt eine solche Vorgangsweise nicht.“ Es sei unverantwortlich, „das Pensionssystem einer Automatik auszuliefern“.

„Drohen lassen wir uns nicht“

Und weiter: „Drohen lassen wir uns nicht.“ Die von der ÖVP vorgeschlagene Lösung bedeute nämlich, dass spätestens 2015 auf alle heutigen und die künftigen Pensionisten Verschlechterungen zukämen. So einem Plan könne er, Faymann, nicht zustimmen. Faymann betonte, er habe sich in seinem Politikerleben zwar angewöhnt Kompromisse zu schließen. Doch beim ÖVP-Vorschlag seien die Grenzen sozialdemokratischen Denkens überschritten worden.

Die ÖVP fuhr danach mit ihrer Retourkutsche vor. Im Koalitionspakt ist die Umsetzung einer „Pensionsautomatik“ festgeschrieben. Die ÖVP stellt daher die Koalitionstreue des neuen SPÖ-Chefs in Frage. „Was ist Faymanns Unterschrift wert?“, so ÖVP-Arbeitnehmerchef Fritz Neugebauer.

Faymann hat daneben weiter innerparteilich mit Turbulenzen zu kämpfen, weil der Verbleib von Alfred Gusenbauer als Bundeskanzler für manche Genossen keineswegs fix ist. Von einer Ablöse Gusenbauers will Faymann offiziell aber nichts wissen. Gusenbauer, der in Umfragen massiv an Vertrauen eingebüßt hat (siehe auch Grafik links) sei in den letzten Wochen heftigen Anfeindungen ausgesetzt gewesen. Einen Anlass für einen SPÖ-Sonderparteitag vor dem Oktober sieht Faymann nicht.

Die große Bewährungsprobe für Werner Faymann kommt im Oktober. Dann muss sich der von Alfred Gusenbauer installierte geschäftsführende Parteiobmann auf dem Parteitag der Wahl stellen. Dass er dort auch mit einem überzeugenden Votum gewählt wird, ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Denn auch wenn Werner Faymann in den Medien überzeugend rüberkommt – in der Partei gibt es durchaus auch kritische Stimmen. So steht ihm die Gewerkschaft mit einiger Distanz gegenüber. Und auch in den Bundesländern hält sich die Zahl der Faymann-Fans in Grenzen.

Häupl stellt sich hinter Faymann

Die Machtbasis ist klarerweise seine Heimatorganisation, die Wiener SPÖ. Bürgermeister Michael Häupl, der in der Vergangenheit durchaus auf kritische Distanz zu seinem damaligen Wohnbaustadtrat gegangen ist, hat sich nun voll hinter den neuen Parteichef gestellt. Auch verwandtschaftliche Beziehungen zur Wiener SPÖ existieren: Ehefrau Martina Ludwig sitzt im Wiener Gemeinderat.

Mit der neuen Bundesgeschäftsführerin Doris Bures hat Faymann eine lange gemeinsame Vergangenheit: Beide waren jahrelang in der SPÖ-nahen Mietervereinigung aktiv.

Ansonsten ist das personelle Netzwerk des Werner Faymann für einen Parteivorsitzenden aber erstaunlich dünn. Ausgeglichen hat er das mit einem Netzwerk der anderen Art: Jenem zu den Boulevardmedien. Sowohl zu Hans Dichand (Kronenzeitung), als auch zu Wolfgang Fellner (einst News, jetzt Österreich) gibt es ausgezeichnete Kontakte. Geholfen hat da sicherlich das Werbebudget, das Faymann als Wohnbaustadtrat zur Verfügung hatte. Wohnbauprojekte der Stadt Wien wurden da breitflächig inseriert – immer in Verbindung mit einem Kommentar des freundlich aus der Zeitung lächelnden Faymann.

Dass Faymanns Pressesprecherin mit dem Chronik-Chef der Kronen Zeitung liiert ist, ist da sicher auch kein Nachteil – aber wohl nicht ausschlaggebend für die positive Darstellung in der auflagenstärksten Tageszeitung. Verantwortlich dafür ist wohl eher der pragmatisch-verbindliche Stil des Ministers, der gut ankommt.

Sehr eng ist auch der Kontakt zu einer weiteren Boulevardzeitung, der U-Bahn-Gratiszeitung Heute. Neben Dichand-Schwiegertochter Eva sitzt dort Wolfgang Jansky in der Geschäftsführung. Der ist nicht nur der Partner der Faymann-Vertrauten Doris Bures, sondern war auch jahrelang Pressesprecher von Faymann. Diese Verbindung hat Gerüchte laut werden lassen, wonach die Stadt Wien mit der Finanzierung des Projekts zu tun haben könnte.

Enge Kontakte hat Faymann in seiner Zeit als Wohnbaustadtrat auch zur Bauwirtschaft aufgebaut. So ist es kein Zufall, dass er als Verkehrsminister den langjährigen Porr-Generaldirektor Horst Pöchhacker zum ÖBB-Aufsichtsratschef bestellt hat. Und die Strabag bildet den Türöffner zum Raiffeisen-Konzern, der wiederum über ein eigenes Medienimperium verfügt.

Achse mit Josef Pröll funktioniert

Fragt man die ÖVP zu Werner Faymann, erntet man leichte Ratlosigkeit. „Für seine langjährige politische Laufbahn ist er unheimlich profillos“, heißt es. Die Nicht-Festlegung sei eine seiner Haupteigenschaften. Zu Wilhelm Molterer pflege er eine „korrekte Gesprächsbasis“. Relativ reibungslos funktioniert die Achse mit Umweltminister Josef Pröll – dem Gegenüber Faymanns als Regierungskoordinator. Zumindest war das bis zur Bestellung zum Parteichef so.

APA, OGM

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2008)

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