„Der Richter“: Zwischen Gesetz und Gewissen

(C) Warner
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Das Vater-Sohn-Drama „Der Richter“ von David Dobkin verlangt dem Publikum einen langen Atem ab, gewinnt in der zweiten Hälfte aber an Spannung und inhaltlicher Schärfe.

Einen Richter zum Vater zu haben ist nicht leicht. Dies zeigt schon die Tradition, dass seine drei Söhne den gestrengen Mann – wie alle Bewohner des Städtchens im amerikanischen Indiana – mit „Richter“ ansprechen. Die Brüder Glen und Dale sind in ihrem Geburtsort geblieben, Hank, der Mittlere, hat als Anwalt das Weite gesucht. Der Tod der Mutter führt die Familie im elterlichen Haus zusammen, wo Hank und sein Vater nicht einmal aus oberflächlicher Höflichkeit versuchen, die Brüche in ihrer Beziehung zu kitten, die durch jahrelange Distanz und weit zurückliegende Konflikte gestört ist. „Diese Familie ist ein beschissenes Picasso-Gemälde“, befindet Hank genervt, bis er nach einem Streit überstürzt zum Flughafen aufbricht, um nie wieder zurückzukehren. Einen Anruf später stürmt er ins örtliche Sheriffbüro: Richter Palmer wurde verhaftet, er soll in einen Unfall mit Todesfolge oder gar in einen Mord verwickelt sein. Hank beschließt, seinem Vater, der sich an nichts erinnern kann, als Anwalt beizustehen.

Robert Downey Jr. in seiner Paraderolle

Mit „Der Richter“ wechselt der US-amerikanische Regisseur David Dobkin vom Komödienfach („Shanghai Knights“, „Die Hochzeits-Crasher“) in ernste Gefilde. Man muss dem Film Zeit geben: Mit 141 Minuten Länge hat er es nicht eilig, auf den Punkt zu kommen. Zunächst scheint Robert Downey Jr. in der Rolle des erfolgreichen Anwalts Hank, der mit der Vertretung reicher Beschuldigter ein exklusives Leben finanziert, seine in den vergangenen Jahren geradezu zum Typ gewordene Paraderolle zu zementieren. Ob als Iron Man, Sherlock Holmes oder Anwalt Palmer – stets spielt er den getriebenen, schlagfertigen und nach außen hin furchtlosen Kindskopf mit der zynismusgepanzerten harten Schale, die einen brüchigen Kern umschließt. In dieser Konstellation arbeitet er sich eine ganze Weile an seinem noch hartschaligeren Vater ab, den Altstar Robert Duvall verkörpert. Mit dem Fehlen von Action, einer äußerlichen Bedrohung – im kleinen Städtchen geht es recht verschlafen zu, und Dobkin erzählt entspannt – und der nicht erfüllten Erwartungshaltung, ein an John-Grisham-Verfilmungen der 1990er-Jahre erinnerndes Gerichtsdrama zu sehen, kristallisiert sich schließlich heraus, dass es in „Der Richter“ nicht primär um den Gerichtsfall geht.

Stattdessen verdichten sich die zunächst nur vage angedeuteten Geister der Vergangenheit zur Notwendigkeit, sich mit ebendieser auseinanderzusetzen. Das Verhältnis von Vater und Sohn rückt mit dem langsamen Aufweichen der verhärteten Fronten in den Vordergrund: Je mehr die Zuseher über die Gründe dafür erfahren, dass der Vater Gedächtnislücken hat und Hank seiner Familie den Rücken gekehrt hat, desto mehr gewinnt der Film an Spannung. Selbst wenn Robert Downey Jr., der auch als Executive Producer fungiert, seine stets gut gespielte, aber oberflächliche Paraderolle hinter sich lässt, geht es dem Film dabei nicht um Emotionalität: Der Illusion, eine jahrelange Entfremdung auflösen zu können, gibt „Der Richter“ sich nicht hin. Nach der langatmigen ersten Hälfte entwickelt der zweite Teil durch eine Verschränkung von Gerichtsfall und Familiengeschichte vielmehr Aspekte, die in ihrer interessanten Sperrigkeit zum Nachdenken und eigenen Urteilen im Themenkreis von Recht, Moral und Erziehung anregen.

Mit Billy Bob Thornton als Staatsanwalt Dickham und Vera Farmiga als Hanks Jugendliebe Samantha ist „Der Richter“ bis in die Nebenfiguren prominent besetzt, Fans des Robert-Downey-Jr.-Typs können sich an humoristischen Momenten erfreuen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2014)

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