Wahlwerbung: Die Verdichter von Faymann und Co.

Mariusz Demner(r.) und Markus Gull.
Mariusz Demner(r.) und Markus Gull.(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Warum SPÖ-Werber Demner auf knappe Botschaften setzt, sich ÖVP-Mann Gull im Wilden Westen angekommen sieht und die Demokratie von Marktschreiern lebt.

WIEN. Sie sind ein perfektes Abbild ihrer Kampagnen und ihrer vermarkteten Produkte: Mariusz Demner, aktueller Werber der SPÖ, ist offensiv, extrovertiert, über jeden Selbstzweifel erhaben. Markus Gull, der neue Mann der ÖVP, agiert defensiv, wirkt introvertiert und lässt sich jedes Statement aus der Nase ziehen. Demner erzählt sogar bereitwillig, dass er dieselbe schwarze Strickkrawatte wie SPÖ-Chef Werner Faymann auf den Plakaten trägt. Nämlich tatsächlich ein- und dieselbe. „Es ist meine. Ich trage die seit Jahren.“ Das große Vorbild war Yves Montand. Bei Faymann sollte der schlichte Strick einfach nur die Farbpalette auf den Plakaten reduzieren und den Blick aufs Wesentliche schärfen. Gull plaudert hingegen nicht aus der Schule.

Nicht mehr als drei Worte

Dass man bei einer Diskussion über „Wahlkampf und Medien – Demokratie im Stress“ in den Presseclub Concordia die eigenen Plakate mitnehmen kann, ist für Demner selbstverständlich (für die Einlader nicht). Gull muss erst endlos lange in seiner Aktentasche kramen, ehe er Wilhelm Molterers Botschaften im Scheckkartenformat hervorzieht.

„Bitte, darf ich?“, erkundigt sich Demner höflich. „Da hat man ja jetzt auch Zeit, das alles zu lesen.“ Nicht nur Eingeweihten ist klar: Das ist ein Seitenhieb gegen die heftig kritisierte, äußerst wortlastige ÖVP-Kampagne. „Ich habe auf keinem Plakat mehr als drei Wörter“, bohrt Demner weiter. „Wir sind ja in einer Art Verdichtungsgeschäft.“ Das sei demokratiepolitisch eine schöne Herausforderung. „Das ist auch kurz und knapp“, murmelt Gull mehr, als er es sagt. Dann wehrt er sich doch: „Verkürzung wird sehr schnell zur Verstümmelung.“ Das sei ja fast schon ein Trend zur Nichtkommunikation, aber „der Gegentrend wird nicht lange auf sich warten lassen“.

Wenn das Faustrecht herrscht

Die Plakate und die Wähler sind das eine, die Massenmedien und die Wähler das andere. Natürlich kommen da sofort die „Kronen Zeitung“, deren volle Unterstützung für Faymann und der offene Streit mit der ÖVP ins Spiel. Und da wähnt sich Gull im Wilden Westen, wo das „Faustrecht herrscht“. Als tätliche Attacke hält der ÖVP-Werber, dass eine Zeitung glaubt, „je mehr Kraft ich habe, desto mehr Recht kann ich mir verschaffen“. Demner sieht das ganz anders. „Es ist wichtig, in Medien mit großer Reichweite präsent zu sein. Das ist doch völlig legal.“

Überschätzte Massenmedien?

Außerdem sei das Sympathische an Faymann, dass er seinen kritisierten Leserbrief an die „Krone“ als Fehler eingestanden hat. „Das heißt aber noch lange nicht, dass der Kontakt zur ,Krone‘ prinzipiell ein Fehler ist“. Medienpsychologe Peter Vitouch muss ihm recht geben. Er sieht auch keine Gefahr für die Demokratie. Die lebe quasi von Anfang an vom Marktschreien. Und: „Es ist ja glücklicherweise nicht so, dass Menschen sofort reagieren, wenn Massenmedien irgendetwas auspacken.“ Man neige eben oft dazu, die Reaktionen der anderen zu überschätzen. Sich selbst gönne man schon einmal einen Krimi im Fernsehen, bei anderen fürchte man gleich, sie werden zu Massenmördern. Gull widerspricht dieses Mal recht emotional: „Natürlich spielt es eine Rolle, wenn ein Medium eine Kampagne gegen eine Partei führt.“ Demner hält dagegen: „Es hat schon Politiker gegeben, die sich massiv gegen die ,Krone‘ gestellt haben und trotzdem Bundeskanzler geworden oder geblieben sind.“

Ein überzeugter Wähler

Könnten sich die beiden Herren vorstellen, auch einmal für ein anderes politisches Produkt in die Werbeschlacht zu ziehen? Fast scheint es, als hätte sich Gull an Demner ein Beispiel genommen. Kurz, wenn auch nicht in drei Worten, fällt die Antwort aus: „Nein. Ich werbe ja auch nicht für jeden Markenartikel.“ Verdichter Demner schweift aus: Er wollte an sich nie für Politiker werben. Er ist aber froh, dass er sich gewinnen hat lassen. Sich selbst hat der traditionelle Wechselwähler jedenfalls schon überredet: „Ich werde Faymann wählen.“ Kordikonomy S. 22

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2008)

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