Volksanwaltschaft: Der Mut zum Boulevardesken

PK VOLKSANWALTSCHAFT: FICHTENBAUER
PK VOLKSANWALTSCHAFT: FICHTENBAUER(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Peter Fichtenbauer will nicht warten, „bis der gequälte Bürger mir einen Brief schreibt“. Und greift von sich aus Missstände auf: Vom Stau-Chaos bis zur Deutschmatura.

Wien. Der Zustand des Bundesheers beschäftigt derzeit nicht nur Regierung und Parlament, auch die Volksanwaltschaft hat sich eingeschaltet: Die verringerte Einsatzfähigkeit der Pionierkräfte sowie andere Schwachstellen im Heer sind Thema eines eigenen Prüfauftrags. Volksanwalt Peter Fichtenbauer hat zunächst beim Verteidigungs- und beim Finanzminister eine Stellungnahme zu den Mängeln angefordert.

Dass Fichtenbauer sich mit diesem Thema beschäftigt, ist kein Zufall. Der frühere FPÖ-Nationalratsabgeordnete hat eine besondere Affinität zum Bundesheer: Ist er doch als Milizoffizier bis zum Rang eines Brigadiers aufgestiegen – der höchste Rang, den man in der Miliz erreichen kann.

Zu wenig Literatur

Das Bundesheer ist nicht das einzige Thema, bei dem sich Fichtenbauer in den Bereich der Tagespolitik begibt. Prüfverfahren leitete er beispielsweise zum Datenleck des Bildungsforschungsinstituts Bifie, zum Stau-Chaos in der Wiener Westeinfahrt, zum Maßnahmenvollzug in den Gefängnissen ein. Und zur Zentralmatura: Da wurde er aufgrund von Medienberichten aktiv, die eine Vernachlässigung der Literatur im Deutschunterricht anprangerten.

Fichtenbauer ist nicht der erste Volksanwalt, der politische Themen aufgreift und von Amts wegen ein Verfahren einleitet. Die zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten waren beispielsweise ebenso schon Thema für die Volksanwaltschaft wie die Asylgesetzgebung. Doch die systematische Anwendung des Instruments Prüfverfahren bei öffentlich bekannt gewordenen Missständen ist neu. „Das geht ein bisschen ins Boulevardeske“, sagt ein ehemaliger Volksanwalt. Fichtenbauer greife das auf, was in den Medien breitgetreten wird und ihm wiederum Medienpräsenz bringe.

Fichtenbauer selbst steht zur politischen Dimension seines Amtes. Die Volksanwaltschaft sei schließlich ein Teil des politischen Systems. Dass er von sich aus aktiv wird, ist Teil seines Amtsverständnisses: „Ich warte nicht, bis der gequälte Bürger mir einen Brief schreibt.“ Die regelmäßige Lektüre von Zeitungen gehört für ihn zum Job. Dort findet er Missstände – vom Salzburger Busfahrer, der Schüler an der Haltestelle stehen lässt, bis zum Stau an der Wiener Westeinfahrt. Letzteren hat er selbst besichtigt – und sich geärgert, dass kein Bauarbeiter zu sehen war, während Tausende im Stau steckten. Was die Interventionen der Volksanwaltschaft bringen? Laut Statistik der Volksanwaltschaft gingen im Vorjahr 19.249 Beschwerden ein. In 8003 Fällen wurde ein formelles Prüfverfahren eingeleitet. Bei Weitem nicht in jedem Fall ist die Volksanwaltschaft der Meinung, dass ein Missstand vorliegt. Bei 9161 erledigten Fällen im Vorjahr war das 1444 Mal der Fall. In den Fällen gelingt es häufig, dass die Beschwerdeführer zu ihrem Recht kommen.

Bei den großen politischen Themen ist das schon schwieriger. Dass beispielsweise das Verteidigungsressort aufgrund der Intervention der Volksanwaltschaft ein höheres Budget erhält, ist doch eher unwahrscheinlich. Man könne aber aufgrund der verfassungsrechtlichen Stellung mehr als nur „lästig“ sein, meint Fichtenbauer: „Dass wir mit anderen Verwaltungsstellen eine Debatte auf Augenhöhe führen können, ist viel wert.“

Debatte auf Augenhöhe

Eine Debatte auf Augenhöhe führen will die Volksanwaltschaft künftig auch in jenen Fällen, in denen sie es derzeit noch nicht kann: Die Behörde will auch bei ausgegliederten Gesellschaften des Bundes tätig werden können. Beispiele dafür sind ÖBB und Asfinag. Da wird zwar derzeit schon geprüft, man ist aber auf das Goodwill der betreffenden Stellen angewiesen. Eine Gesetzesänderung soll den Volksanwälten die gleichen Rechte bringen, wie dem Rechnungshof: Auch der darf bei ausgegliederten Gesellschaften prüfen, wenn der Staat mehr als 50 Prozent der Anteile hält.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2014)

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