Budgetlage ist ernster als erwartet

(c) APA (Roland Schlager)
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Österreichs Regierung will trotz der EU-Mahnung ein Milliardensparpaket verhindern. In den kommenden Jahren lassen stark steigende Sozialausgaben kaum Spielraum für eine Bildungsoffensive.

Wien. Während die Regierung spätestens für 2016 eine Steuerentlastung verspricht, spitzt sich die Situation der Staatsfinanzen schon heuer zu. Das Defizit, das bereits von der Bundesregierung an die EU gemeldet wurde, fällt mit 1,0 Prozent der Wirtschaftsleistung bereits höher aus als geplant. 2015 verschärft sich die Lage: Statt des von der EU schon für das kommende Jahr verlangten strukturellen Nulldefizits (ohne Einmaleffekte) von 0,45 Prozent bleibt es bei einem Prozent. Die Regierung schmettert die EU-Vorgabe ab und drückt sich so um ein Sparpaket im Ausmaß von mindestens 1,8 Milliarden Euro.

SPÖ und ÖVP wollen trotz der versprochenen Steuerreform auf Kurs für ein Nulldefizit 2016 bleiben. Die Jahre bis zur nächsten Wahl 2018 werden keineswegs rosiger, weil deutlich steigende Sozialausgaben Geld für Bereiche wie die Bildung auffressen.

Warnungen von Experten

Die Warnungen wegen der Budgetlage, die prekärer ist als bisher wahrgenommen, kommen von Experten. Der Präsident des Rechnungshofes, Josef Moser, nützte einen Vortrag vor der Vereinigung der Finanzakademiker im Finanzministerium für seinen Weckruf. Österreich hat bereits unter Ex-Finanzminister Michael Spindelegger heuer im Mai Nachbesserungen mit einem Volumen von knapp einer Milliarden Euro gemeldet, 630Millionen Euro wurden von der EU anerkannt. Dennoch musste die Regierung in der Vorwoche für heuer das Defizit auf 1,0 Prozent nach oben schrauben. Hauptgrund sind laut Finanzministerium höhere Ausgaben wegen der schlechteren Konjunktur.

2015 wird die Kluft zwischen den von der EU-Kommission verlangten Nachbesserungen und dem Budgetkurs, den die rot-schwarze Regierung einschlagen will, größer. Der „Wächter“ über die Staatsschulden und Vorsitzende des Fiskalrats, Bernhard Felderer, erwartet laut Austria Presse Agentur eine Lücke von etwa 1,8 Milliarden Euro. Dafür wären Nachbesserungen bei den heuer im Frühjahr vom Nationalrat beschlossenen Budgets für 2014/15 notwendig.

Die Bundesregierung denkt aber nicht daran, sondern drückt sich um ein weiteres Sparpaket. Das stellte erst am Dienstag Bundeskanzler Werner Faymann nach dem Ministerrat klar. Dass die EU-Kommission schon 2015 ein strukturelles Nulldefizit sehen wolle, sei eine interessante Meinung, „die wir nicht teilen“. Mit dem neuen Vizekanzler, Reinhold Mitterlehner (ÖVP), sei vereinbart, dieses Ziel wie geplant erst 2016 zu erreichen. Österreich setze angesichts der Wirtschaftssituation auch auf Investitionen.

In dem von Hans Jörg Schelling (ÖVP) geführten Finanzministerium steht man zum Nulldefizitplan für 2016. Alles andere hieße Sparpaket, wurde der „Presse“ offen erläutert. Dabei strampeln sich die Ministerien schon ab, die Budget- und Sparvorgaben für 2014 und 2015 einzuhalten: „Es ist schwierig genug, dass die Ressorts das liefern.“ Wie berichtet, musste etwa das Unterrichtsressort um eine Stundung der Mieten für Schulgebäude bitten, um finanziell über die Runden zu kommen. Dabei hat Schelling seine Regierungskollegen nach seinem Amtsantritt im September zu sich gebeten, um Sparsamkeit einzumahnen. Außerdem hat sich die Regierung bei der Klausur in Schladming Ende September auf eine Steuerreform festgelegt, von der Faymann trotz EU-Mahnungen keinesfalls abrückt.

Die Folgen eines Verstoßes? Vorerst gibt es Gespräche mit Brüssel. Möglich ist eine EU-Verwarnung. Sanktionen in Form höherer Strafzahlungen sind wegen des mehrstufigen Verfahrens vorerst nicht zu erwarten.

Viel mehr Geld für Pensionen, Zinsen

Allerdings bekräftigte RH-Präsident Moser vor den Finanzakademikern seine Forderung an Regierung, Länder und Gemeinden nach Strukturreformen bei Verwaltung, Gesundheit und Pensionen. Grund dafür ist die im Finanzrahmen der Regierung bis 2018 vorgezeichnete Entwicklung. Demnach steigen die Ausgaben für Soziales, Pensionen, Gesundheit und Familie (siehe Grafik) drastisch – und vor allem stärker als etwa jene für den Bildungssektor. Allein der Anteil für Pensionen und Zinsen an den Gesamtausgaben steigt bis 2018 auf fast 37 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2014)

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