Die Post-Wende-Generation

Drei Nationalratsabgeordnete, ein Bezirksparteiobmann und ein künftiger Jugendorganisationschef. Von links nach rechts: Douglas Hoyos (Neos), Maximilian Krauss (FPÖ), Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP), Daniela Holzinger (SPÖ), Julian Schmid (Grüne).
Drei Nationalratsabgeordnete, ein Bezirksparteiobmann und ein künftiger Jugendorganisationschef. Von links nach rechts: Douglas Hoyos (Neos), Maximilian Krauss (FPÖ), Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP), Daniela Holzinger (SPÖ), Julian Schmid (Grüne).Die Presse
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Welche Klammer hält die Generation unter dreißig zusammen? Wie wurde sie politisiert? Eine Nachforschung unter Jungpolitikern, aus denen noch was werden könnte.

Früher war die Welt einfach und übersichtlich. Bruno Kreisky? Man war für oder gegen ihn. Kurt Waldheim? Man war für oder gegen ihn. Jörg Haider? Man war für oder gegen ihn. So wurden ganze Generationen polarisiert. Heute ist die Welt vergleichsweise unübersichtlich und zersplittert. Werner Faymann taugt weder zur Integrations- noch zur Reizfigur. Welche politische Klammer aber hält die Generation der unter Dreißigjährigen dann zusammen? Die eine große, lagerübergreifende gibt es nicht. Ein prägendes Ereignis auch nicht. Eines lässt sich aber sagen: Schwarz-Blau stand zumindest am Anfang vieler politischer Biografien.

Douglas Hoyos war im schwarz-blauen Wendejahr 2000 zehn Jahre alt. „Das war schon der Beginn meines politischen Interesses. Aber ich kann nicht mehr sagen, in welche Richtung es ging.“ Am meisten fasziniert habe ihn die Leuchtzifferntafel auf der Kärntner Straße mit dem Countdown zum Nulldefizit. Heute ist Douglas Hoyos 24, Student der Betriebswirtschaft, und Generalsekretär der Junos, der Jugendorganisation der Neos. Wenn alles glatt geht, wird er am 1. November zum neuen Junos-Chef gewählt, da der bisherige, Nikolaus Scherak, sich auf sein Nationalratsmandat konzentriert.

Auch für Daniela Holzinger (27), die es als Nationalratsabgeordnete bereits in die Schlagzeilen gebracht hat – sie hatte als einzige SPÖ-Mandatarin für einen Hypo-U-Ausschuss gestimmt –, war Schwarz-Blau prägend: „Da habe ich gemerkt, was es für Einschnitte gibt, wenn die SPÖ einmal nicht in der Regierung ist.“ Noch prägender, neben dem Heranwachsen in einem Arbeiterhaushalt, sei ihr Studium der Politikwissenschaften gewesen. „Ich habe gesehen, welche Errungenschaften mit welcher Partei verbunden sind.“ So fasste sie den Entschluss, sich in der SPÖ zu engagieren.

Klassenkämpferische Töne hatte die Vöcklabruckerin zuvor auch schon zu Hause vernommen, der Vater Schlosser, die Mutter Hausfrau, beide Sozialdemokraten, aber ohne politische Funktion. Da sei schon auf die Schwarzen geschimpft worden („aber auch auf die eigenen, wenn sie einen Blödsinn gemacht haben“), und das Bewusstsein in ihr erwacht, dass sich die Arbeitnehmer zusammentun müssten, um etwas zu erreichen.

Unter umgekehrten Vorzeichen verliefen die politischen Debatten am Mittagstisch der Familie Himmelbauer. Ihre Mutter sei schon ÖVP-Gemeinderätin gewesen, sie habe sie auch oft begleitet, erinnert sich Eva-Maria Himmelbauer (27), heute Nationalratsabgeordnete der ÖVP. Über die Junge ÖVP und den Wirtschaftsbund kam die Unternehmerstochter aus Pulkau im Weinviertel 2012 ins Parlament.

Schwarz-Blau, sagt sie, habe sie relativ wenig in ihrer politischen Ausrichtung beeinflusst. Es sei dann schon mehr die familiäre Vorprägung gewesen. „Freiheit, Eigenverantwortung und Solidarität“ seien die Werte, die sie da mitbekommen habe und die sie mit der ÖVP verbinden würde.

Was also prägt die heutige junge Politikergeneration? „Social Media, der Umgang mit den Neuen Medien, das beschäftigt uns schon alle“, sagt die Sozialdemokratin Holzinger. Insgesamt ein Mehr an Öffentlichkeit. Und die Bürgerliche Himmelbauer ergänzt: „Dazu kommen noch das lebenslange Lernen, die neue flexible Arbeitswelt, in der man einmal selbstständig und einmal unselbstständig sein kann.“

Social Media sind auch für Julian Schmid (25), den Nationalratsabgeordneten der Grünen, der den Kapuzenpulli zu seinem Markenzeichen gemacht hat, das entscheidende Merkmal der Generation Y, wie sie im englischen Sprachraum genannt wird. „Und schon auch der Stil.“ Man sei – auch im richtigen Leben – untereinander sehr gut vernetzt. Was Jungpolitiker anderer Parteien bestätigen. Die ideologischen Gräben seien nicht mehr so tief, sagt die Kärntner Frohnatur. Auch das Hackel-ins-Kreuz-Werfen gebe es nicht. Wie zum Beweis dafür: Beim gemeinsamen Fototermin für die „Presse am Sonntag“ scheinen sich selbst der Grüne Schmid und der Freiheitliche Maximilian Krauss gut zu verstehen.

Protest gegen Haider. Für Schmid war definitiv noch Schwarz-Blau der Auslöser für sein politisches Engagement. Aufgewachsen in Kärnten am Höhepunkts der Machtentfaltung Jörg Haiders, die auch von zahlreichen Schulauftritten des Landeshauptmanns begleitet war, lief Schmid aus Protest mit einem Anti-Schwarz-Blau-Anstecker in seiner Schule herum. Bis ihm das vom Schulwart untersagt wurde.

In der Folge wandte er sich den Grünen zu. „Die SPÖ war damals in Kärnten extrem uncool, die waren ja in einer Koalition mit der FPÖ.“ Seine Eltern, sagt Schmid, hätten schon meist Rot oder Grün gewählt – die Mutter ist heute sogar grüne Gemeinderätin in Klagenfurt. Sein ältester Bruder sei aber ein Konservativer, der mittlere eher unpolitisch.

Aus einem SPÖ-Elternhaus stammt – ausgerechnet – der Freiheitliche Maximilian Krauss. Unlängst hätte der 21-jährige FPÖ-Bezirksparteichef von Wien-Josefstadt zum stellvertretenden Stadtschulratspräsidenten von Wien aufsteigen sollen. Doch Stadtchef Michael Häupl, den Krauss als „Türken-Bürgermeister“ bezeichnet hatte, lehnte den schlagenden Burschenschafter ab. Nächstes Jahr, sagt Krauss, werde er ihn nicht mehr verhindern können: Da ziehe er nämlich in den Landtag ein.

Aber wie kam Krauss nun zur FPÖ? „Meine Eltern waren anfangs gar nicht begeistert. Sie haben gemeint, jetzt gefällt es dir, aber später macht es dir vielleicht Probleme. Aber ich bin froh, mich gegen die Familie durchgesetzt zu haben.“ Vielleicht auch ein Merkmal der Gegenwart: Die Kinder müssen nicht mehr wie früher gegen ein rechtes Elternhaus rebellieren. Es stehen nun auch linke dafür zur Verfügung.

Ausländer und Strache. Das Erweckungserlebnis bei Krauss war – wie könnte es anders sein – eine Begegnung mit Heinz-Christian Strache. Dieser habe sich Zeit für ein Gespräch genommen, für ein Foto posiert, später habe er ihn ins Parlament eingeladen. Thematisch habe ihn vor allem die gescheiterte Integrationspolitik in Wien zum Freiheitlichen werden lassen. „Ich bin in der Nähe des Westbahnhofs aufgewachsen, da sieht man dann, was alles schiefläuft.“ Er würde nicht sagen, dass es zu viele Zuwanderer in Österreich gebe, „aber es gibt zu wenig gut integrierte“. Auch die Bildungspolitik und später das Europa-Thema hätten ihn angesprochen. Vor allem der freiheitliche Zugang, lieber Geld für die eigenen Leute, die eigene Jugend, auszugeben, als es nach Brüssel zu schicken.

Schwarz-Blau hat für Krauss, dessen Onkel ÖVP-Bürgermeister von Krems war, eine untergeordnete Rolle gespielt. Wohl weil er zu jung war. Auch zu Jörg Haider, zwei Jahrzehnte unbestrittener Anführer des Dritten Lagers, fand er nicht wirklich einen Zugang. Krauss ist – auf die FPÖ bezogen – schon ganz „Generation Strache“. Im Wahlkampf 2008, erinnert er sich, sei Strache für die Jungen einfach viel attraktiver gewesen als Haider.

Auch für Krauss sind Social Media die Klammer, die die heutige Jugend zusammenhält. Und er hält sie auch politisch für kriegsentscheidend. Die FPÖ sei daher vor allem auf Facebook und auf YouTube mit FPÖ-TV höchst aktiv, aber auch auf Instagram und Twitter. „Bei den Jungen zeigt sich, dass stets die Freiheitlichen und Grünen vorn liegen, während die Werte der früheren Großparteien zurückgehen. Das ist schon zukunftsweisend.“


Generationengerechtigkeit. Für Neos-Mann Douglas Hoyos kommt noch eine Komponente hinzu: „Das ist die Frage der Generationengerechtigkeit, die uns alle beschäftigt. Wie schaffen wir es, dass auch unsere Generation in 50, 60 Jahren noch ein lebenswertes Leben führen kann?“ Er selbst war über sein BWL-Studium zu den Neos-Liberalen gekommen. Die Wahlplakate im ÖH-Wahlkampf 2011 – „Wie beschissen ist deine Uni?“ – hätten ihm gefallen. Das sei ein anderer Zugang, eine andere Sprache gewesen. Auch inhaltlich, in der Frage der Studiengebühren, habe er Übereinstimmungen festgestellt. „Ich habe mich da erstmals bewusst mit dem Liberalismus auseinandergesetzt.“

Freilich sei er auch zu Hause politisiert worden. „Wenn man jeden Abend mit den Eltern die ,Zeit im Bild‘ schaut, will man auch mitreden.“ Er sei schon liberal erzogen worden, habe neben dem LIF aber auch die ÖVP gewählt. Hoyos stammt aus einem adeligen Elternhaus, aufgewachsen ist er in einem kleinen Ort im Waldviertel. Die aristokratische Herkunft könne er zwar nicht leugnen, sie habe in seinem Leben aber keine große Rolle gespielt.

„Ich bin in eine normale Volksschule und ein normales Gymnasium gegangen und auch nicht in einem Schloss aufgewachsen.“ Während sich sein Vater vom Vereinsleben weitgehend ferngehalten habe, sei er von Kindheit an gern in Vereinen gewesen. Nun eben bei den Junos und Neos.


Gesellschaftspolitische Nähe. Gesellschaftspolitisch, so scheint es, werden die Unterschiede unter den Jungen geringer. Themen wie die Homo-Ehe sind mehr oder weniger durch. Auch wirtschaftspolitisch hat sich – mehr oder weniger – die Ansicht durchgesetzt, dass man nicht immer mehr Schulden anhäufen kann. Allerdings: Bestimmte Dogmen halten sich hartnäckig. Zwar redet heute kaum noch einer in der SPÖ Verstaatlichungen das Wort, aber die Abneigung gegenüber Privatisierungen ist geblieben. „Privatisierungen haben schon negative Folgen, denke ich. Schließlich wird da ja auch das Vermögen der Republik verscherbelt“, meint SPÖ-Abgeordnete Daniela Holzinger. Ihr ÖVP-Pendant, Eva-Maria Himmelbauer, sieht das erwartungsgemäß anders: Sie störe vor allem die ständige Gegenüberstellung von Arbeit und Unternehmertum.

Überhaupt, findet Holzinger, hätte man eine Koalition mit der ÖVP gar nicht mehr machen sollen. „Lieber eine Minderheitsregierung – auch gemeinsam mit den Grünen.“ Das hätte Werner Faymann in seinen Zwanzigern wahrscheinlich auch noch so gesagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.10.2014)

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