Das Kärntner „Guantanamo“ auf der Saualm

Sonderanstalt in Griffen
Sonderanstalt in Griffen(c) AP (Gert Eggenberger)
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Haiders „Sonderanstalt“ für Flüchtlinge erregt große Aufmerksamkeit.

GRIFFEN. Die Frage nach dem Weg zum Asylantenheim sorgt am Stammtisch des Dorfcafés für Heiterkeit: „Nach Guantanamo willst? Da musst ganz rauf auf die Saualm fahr'n!“ Die Kärntner Marktgemeinde Griffen hat in den letzten Tagen fast europaweit Bekanntheit errungen durch die „Sonderanstalt“ für „verdächtige Asylwerber“, die Landeshauptmann Jörg Haider auf einer Seehöhe von 1.200 Metern einrichten hat lassen. In einem ehemaligen Jugendheim wohnen vorerst acht Flüchtlinge aus Georgien, Kasachstan und Gambia.

Laut Darstellung des Kärntner Flüchtlingsreferates sind sie allesamt krimineller Handlungen verdächtig. Deshalb gäbe es für die Asylwerber oben auf der Alm „Sonderbewachung“ und „Sonderbehandlung“ hatte der Landeshauptmann bei einer Pressekonferenz verlauten lassen. Von alldem ist allerdings nichts zu bemerken, wenn man nach einer halbstündigen Fahrt durch den herbstlich gefärbten Wald im Griffener Ortsteil Wölfnitz ankommt. Von der Saualm herunter leuchten die Schneefelder, auf der großen Wiese vor dem ehemaligen Jugendheim spielen kleine Kinder mit einem jungen, aufgeweckten Hund. Schnell wird klar, dass es sich um die Enkel der Wirtin handelt. Denn als die die gezückte Kamera erblickt, scheucht sie schnell Kinder und Hund ins Haus hinein. „Keine Fotos!“ lautet die unfreundliche Begrüßung noch ehe man Gelegenheit hat, sich vorzustellen. „Erzählen tu ich Ihnen sowieso nichts. Wenn'S was wissen wollen, müssen'S das Flüchtlings-Referat in Klagenfurt anrufen“, so die resolute Blondine.

Es stellt sich heraus, dass es sich bei der unfreundlichen Dame um Maria Steiner handelt, die das Jugendheim auf der Saualm zum Zweck der Unterbringung von Asylwerbern von der Kärntner AVS (Arbeitsvereinigung der Sozialhilfe) gepachtet hat. Unten in St. Kanzian am Klopeiner See betreibt sie ein weiteres Flüchtlingsheim. Aber „so etwas“ habe sie noch nie erlebt. Fast rund um die Uhr kämen Journalisten und Kamerateams herauf auf die Alm, schimpft sie. Sogar tagsüber müsse sie die Vorhänge zuziehen, weil auf alles, was sich bewegt, Kameras gerichtet werden.

Überhaupt verstehe sie die ganze Aufregung nicht, sagt Maria Steiner trotz der selbstauferlegten Informationssperre. Das hier heroben sei doch ein wunderschöner Platz mit einer phantastischen Aussicht weit ins Land hinein: „Andere würden viel Geld bezahlen, um hier Urlaub machen zu dürfen.“ Und gesund sei es obendrein: „Mein Sohn hat an Asthma gelitten. Nach einem dreiwöchigen Aufenthalt hier auf der Saualm ist's ihm viel besser gegangen.“

Direkten Kontakt mit den Asylwerbern erlaubt die Wirtin nicht. Den gibt's allerdings „illegal“. Als Maria Steiner verschwunden ist, tauchen am Balkon im ersten Stock zwei Männer auf, die den Besucher neugierig beobachten. Einer zückt sogar seine Digital-Kamera, um scherzhalber auf den Reporter „zurückzuschießen“. Der 23-jährige Alex aus Georgien klagt, hier sei es „wie im Gefängnis“. „Katastroph'“ ist eines der wenigen Worte aus seinem mageren deutschen Wortschatz. Er versteht nicht, warum man ihn hier eingesperrt hat, wo er sich doch nichts habe zuschulden kommen lassen.

Bürgermeister erstattet Anzeige

Aber „Chef“ sei in Ordnung, und „Chefin“ koche ausreichend. Dann erschallt von innen ein Ruf und die kurze radebrechende Unterhaltung ist zu Ende.

Die – spärlichen – Anrainer des Jugendheims haben wenig Freude mit den Nachbarn. Der Pensionist, der sich im alten Widum eingemietet hat, klagt: „80Jahre alt hab' ich werden müssen, damit ich zum ersten Mal die Haustüre zusperren muss.“ Der Griffener Bürgermeister Josef Müller fühlt sich und seine Gemeinde überfahren: „Alles was ich weiß, habe ich in der Zeitung gelesen.“ Bei der Gewerbeverhandlung (Maria Steiner hat eine Gastgewerbekonzession angemeldet) habe man der Marktgemeinde keine Parteienstellung zuerkannt. Das will sich der Gemeindechef nicht gefallen lassen. Beim Meldeamt sind acht Flüchtlinge angemeldet worden: „Bei jeder Meldung erstatten wir Anzeige, weil Frau Steiner keine Gewerbeberechtigung hat.“ Am liebsten sähe es der Bürgermeister, wenn die „Sonderanstalt“ schließen müsste: „Für eine solche Einrichtung ist das nicht der richtige Platz.“

Auf einen Blick

Asylantenheim. Haiders „Sonderanstalt für verdächtige Flüchtlinge“ sorgt in der Kärntner Marktgemeinde Griffen – und nicht nur dort – für Aufregung. Hoch oben auf dem Berg sei es nicht möglich, traumatisierte Flüchtlinge fachgerecht zu betreuen, argumentiert Bürgermeister Josef Müller. Außerdem verfüge die Betreiberin des Heimes über keine Gewerbeberechtigung.
Um das Heim wieder loszuwerden, erstattet die Gemeinde bei jedem neu angemeldeten Asylanten Anzeige beim Gewerbeamt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2008)

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