Israel: „Der Haiderismus lebt auch ohne Haider weiter“

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Für Historiker Segev war Haider das „ekelhafte Österreich“.

JERUSALEM. Der Unfalltod des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider erregt die israelischen Gemüter deutlich weniger als der jüngste Wahlerfolg der österreichischen Rechtsaußenparteien. Während sich die meisten Medien auf die schlichte Nachricht über den Autounfall beschränkten, wagte die Tageszeitung „Haaretz“ die These, dass der Tod Haiders möglicherweise „den Weg zu einem vereinten extremen rechten Lager in Österreich ebnen könnte“. Die auflagenstärkste Tageszeitung „Yediot Achronot“ widmete sich als einzige ausführlich der Person Haiders, den sie als „geistigen Enkel Hitlers“ bezeichnete.

Lebhaft und zahlreich reagierten die Leser der Online-Ausgaben beider Blätter, wobei von gelangweilt bis boshaft alles vertreten ist. Von einer „gerechten Strafe“ ist dort die Rede, und „Ooops, Haider ist tot, aber wen interessiert das schon?“ „Möllemann, Haider, wer ist der nächste?“, fragt ein Blogger, während ein anderer direkt den Mossad, Israels Geheimdienst, hinter dem Unfall vermutet.

Doch Israel habe weder einen Nutzen von Haiders Tod noch Grund zur Freude darüber, meint der Jerusalemer Historiker und Autor Tom Segev. „Ich habe schon immer gedacht, dass Haider nicht uns, sondern Österreich den größten Schaden antut.“ Der könne auch durch sein Ableben nicht repariert werden. „Der Haiderismus lebt auch ohne ihn weiter.“ Dass fast ein Drittel der österreichischen Wahlberechtigten Nazi-Parteien gewählt hätten, „ist für Österreich schrecklich, nicht für mich.“

„Kein großer Feind Israels“

Segev empfindet es als bedauerlich, dass die Österreicher – „gerade als eine neue Generation antrat, die nach Kurt Waldheim versuchte, über die eigene Geschichte nachzudenken“ – mit der Wahl Haiders alles wieder rückgängig machten. „Mit Haiders erstem großen Wahlsieg war plötzlich alles wieder ausgelöscht und Österreich entpuppte sich neuerlich als ekelhafter Staat.“ Der damalige Einzug der rechten FPÖ in the Regierungskoalition führte zu einer Herabstufung der diplomatischen Beziehungen zwischen Jerusalem und Wien. Die israelische Regierung berief den Botschafter ab.

Das Ergebnis der jüngsten Nationalsratswahl besorgt nun erneut die Diplomaten in Jerusalem. Das Außenamt wollte Konsequenzen wie einen erneuten Botschafterabzug nicht ausschließen, sollten die Rechtsparteien an der Koalition in Wien beteiligt werden.

„Ich habe weder das Gefühl, dass hier ein großer Feind Israels gestorben ist“, meint Segev, „noch, dass sich etwas ändern wird. Letztendlich gibt es noch einen zweiten Rechtsaußen-Politiker in Wien, Heinz-Christian Strache, der wie Haider aussieht, wie ein Dressman, und über ein ähnliches Charisma verfüge. Der „Macho Haider“ sei, so findet Segev, „mit dem Autounfall auf eine Art gestorben, die zu ihm passt“.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2008)

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