Spekulationen: Was geschah in der letzten Stunde vor Haiders Tod?

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Wo und wie ist der Alkoholisierungsgrad von 1,8 Promille im Blut entstanden? Niemand hat ihn trinken gesehen.

Klagenfurt. Nach dem Unfalltod von Jörg Haider bewegt die Menschen die Frage: Wo war der Landeshauptmann die letzten 90 Minuten vor seinem Tod? Gesichert sind zwei Zeitpunkte: Gegen 23.45 Uhr hat Haider Velden verlassen, um 1.15 Uhr hat sich sein Dienstfahrzeug auf der Loibl-Bundesstraße im Süden Klagenfurts überschlagen. Für die Zeit dazwischen gibt es hauptsächlich Spekulationen.

Gegen 21.45 Uhr war Haider im „Le Cabaret“ erschienen, um dort mit dem Promi-Fotografen Egon Rutter das erstmalige Erscheinen eines Szenemagazins zu feiern. Viele Anwesende versichern überzeugend, dass Haider dort höchstens an einem Sektglas genippt und keinen weiteren Alkohol zu sich genommen habe. Rutter erinnert sich, dass Haider nach kurzer Zeit das Lokal verlassen hat, „weil es ihm drinnen zu laut und zu rauchig war“. Draußen vor der Tür habe er sich weiter unterhalten, zu trinken habe es dort aber nichts gegeben.

In Velden hat sich Haider von seinem Sprecher Stefan Petzner, in Klagenfurt von seinem Chauffeur verabschiedet. Was danach kam, bleibt vorerst im Dunkeln. Gäste des Klagenfurter Hotels Moser-Verdino wollen Haider an der Bar des Hauses gesehen haben. Andererseits hat die Staatsanwaltschaft Klagenfurt das Mail eines Unbekannten erhalten, der berichtet, dem Landeshauptmann nach Mitternacht in einem Innenstadtlokal begegnet zu sein. Angesichts des Alkoholisierungsgrades habe er ihm angeboten, ihn nach Hause zu bringen. Doch als der Hilfsbereite mit seinem Wagen zum Lokal zurückkam, war Haider schon abgefahren.

Gerüchte um Szene-Lokal

Die Gerüchteküche will wissen, dass es sich beim genannten Lokal um den „Stadtkrämer“ handelt, dessen Wirt am Freitagabend ein zweites Lokal, nämlich die Bar „Bem Vindo“ am Kardinalsplatz, eröffnet hat. An deren Eröffnung am Freitagabend hat Haider teilgenommen, wie Wirt Hans-Peter Grasser bestätigt. Von Haiders nächtlichem Besuch im „Stadtkrämer“ will Grasser jedoch nichts wissen. Er könne auch nicht bestätigen, dass Haider des Öfteren unter den Gästen des „Stadtkrämers“ gewesen ist.

Die Frage, wo Haider in so kurzer Zeit so viel Alkohol zu sich genommen hat, dass die Gerichtsmedizin in seinem Blut einen Anteil von 1,8 Promille festgestellt hat, bleibt also offen. Andere Ursachen als die Alkoholisierung hat es bei dem Unfall des Landeshauptmannes nicht gegeben. Staatsanwalt Gottfried Kranz betont, dass beim sogenannten Vortestverfahren alle Ergebnisse negativ waren. Die Gerichtsmedizin habe bei der Obduktion weder Drogen noch Medikamente oder Psychopharmaka festgestellt.

Anzeige gegen Staatsanwalt

Haiders Familie erstattet nun Anzeige gegen den Staatsanwalt wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses in Bezug auf Haiders Alkoholisierung und den Lokalbesuch. „Es ist beispiellos, dass Ergebnisse eines Obduktionsberichtes zuerst an die Medien und erst dann an die Familie gelangen“, so Anwältin Huberta Gheneff.

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("Die Presse" Printausgabe vom 17. Oktober 2008)

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