Nationalrat: Graf zum Dritten Präsidenten gewählt

Martin Graf
Martin Graf(c) Reuters
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Nach einer heftigen Debatte haben 109 Abgeordnete für den Freiheitlichen Martin Graf als Dritten Präsidenten gestimmt. 27 wählten den grünen Gegenkandidaten Alexander Van der Bellen.

Der Nationalrat hat sich heute neu konstituiert und sein Präsidium gewählt. Die Erste Präsidentin Barbara Prammer (SPÖ) wurde mit 140 von 168 gültigen Stimmen wiedergewählt. Der Zweite Präsident Michael Spindelegger (ÖVP) erhielt 142 von 170 gültigen Stimmen. Gegenkandidaten gab es bei beiden keine.

Bei der Wahl des Dritten Nationalratspräsidenten kam es hingegen zu einer Kampfabstimmung: Um diesen Posten kämpften der freiheitliche Abgeordnete Martin Graf und der Ex-Chef der Grünen, Alexander Van der Bellen.

Graf wurde schließlich mit 109 von 156 gültigen Stimmen gewählt. 27 Abgeordnete wählten den grünen Gegenkandidaten Alexander Van der Bellen (die grüne Fraktion hat übrigens 20 Mitglieder). 20 Stimmen entfielen auf andere Abgeordnete, 26 waren ungültig.

Die Grünen protestierten gegen Grafs Wahl: Grünen-Chefin Eva Glawischnig meldete nach der Abstimmung Zweifel daran an, dass diese wirklich geheim erfolgt sei. Einige Wahlzettel seien nämlich markiert gewesen - der Name Grafs sei auffällig an den linken oberen Rand geschrieben worden. Spindelegger ortete hingegen keine unzulässige Markierung. Die grünen Abgeordneten hielten nach der Abstimmung auch ein Transparent mit der Aufschrift "Ihr habt aus der Geschichte nichts gelernt" hoch.

Graf ist wegen seiner Mitgliedschaft in der schlagenden Burschenschaft Olympia umstritten. Neben den Grünen hatten vor der Wahl auch einige SPÖ-Abgeordnete angekündigt, ihn nicht wählen zu wollen.

Der ÖVP-Klub hatte hingegen eine Empfehlung für Graf ausgesprochen, womit eine schwarz-blau-orange Mehrheit gesichert war.

Trotz der Diskussionen im Vorfeld erhielt Graf mehr Stimmen als Glawischnig bei ihrer Kür zur Dritten Präsidentin vor zwei Jahren: Die jetzige Klubobfrau hatte 83 der 152 gültigen Stimmen auf sich vereint.

Parlaments-Debatte um Graf

In der Nationalrats-Debatte vor der Abstimmung erklärte Cap, Usancen im Parlament - wie jene, dass die drittstärkste Partei den Dritten Präsidenten erhält - seien sinnvoll. Er betonte jedoch auch, dass es in Österreich den Grundkonsens gebe, den Nationalsozialismus zu verurteilen. Es dürfe kein Rütteln am Verbotsgesetz geben.

Auch VP-Chef Josef Pröll wies auf die Usance bei der Wahl des Präsidiums hin. Es stelle sich außerdem die Frage, was sich seit 2006 geändert habe, als Graf zum Vorsitzenden eines U-Ausschusses (des Banken-Ausschusses, Anm.) gewählt worden sei.

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache verteidigte seinen Kandidaten. Graf sei ein untadeliger Abgeordneter und Mensch. Die Grünen würden einen Rachefeldzug führen, weil sie ihre Verluste bei der Wahl nicht verkraftet hätten.

Der neue Klubchef des BZÖ, Josef Bucher, sagte, seine Partei werde die Usancen des Nationalrats einhalten, "weil sich das so gehört". Man habe von Graf auch noch nie eine verwerfliche oder rechtspopulistische Äußerung vernommen, so Bucher. Gleichzeitg lobte er Van der Bellen: Es sei gut, dass dieser Abgeordnete bleibe, denn seine "launisch-intellektuellen Reden" hätten ihm gefehlt. Die Grünen hätten aber keinen Anspruch auf den Posten des Dritten Präsidenten.

Bucher nahm auch auf seinen verstorbenen Vorgänger Jörg Haider Bezug und machte die Rolle der 21 orangen Abgeordneten klar: "Behüter und Bewahrer der Politik Jörg Haiders".

Grünen-Chefin Eva Glawischnig erklärte, die Wahl des Präsidiums sei keine formale, sondern eine politische Entscheidung und eine Gewissensfrage. Graf habe sich zwar vom Nationalsozialismus distanziert. Sein Festhalten an der Mitgliedschaft in der Olympia erwecke aber den Eindruck, dass es sich dabei um ein Lippenbekenntnis gehandelt habe. Schließlich habe die Olympia etwa den Liedermacher Michael Müller eingeladen, in dessen Repertoire sich Texte fänden wie: "Mit sechs Millionen Juden, da fängt der Spaß erst an, bis sechs Millionen Juden, da bleibt der Ofen an."

Der grüne Abgeordnete Karl Öllinger bezeichnete die Olympia als "rechtsextremen Rand der deutschen Burschenschaften." Der Freiheitliche Herbert Kickl entgegnete, für die Grünen sei alles, was nicht links sei, reaktionär und rechtsradikal.

Konjunkturpaket wird beschlossen

Neben der Wahl des Präsidiums wird die Abgeordneten der Beschluss des erst vergangene Woche vom Ministerrat vereinbarten Konjunkturpaketes beschäftigen. In einem Blitzverfahren wird das Gesetzeswerk am Vormittag eingebracht, dann durch den Finanzausschuss gejagt und schließlich am Nachmittag vom Plenum beschlossen. Das Paket enthält unter anderem Aufstockungen von Kreditrahmen und zusätzliche Haftungen, um Investitionen zu bewirken. Zudem sollen Bauprojekte vor allem im Bereich der Schiene vorgezogen werden.

Wenig neue Mandatare, wenig Frauen

Die neue Gesetzgebungsperiode hatte um 9 Uhr begonnen. Zum Auftakt gedachten die Abgeordneten mit einer Schweigeminute des Wiener Alt-Bürgermeisters Helmut Zilk und Ex-Bautenministers Karl Sekanina.

Anschließend wurden die Abgeordneten des neuen Nationalrats angelobt - allerdings nur 182 von 183: Keinen Schwur leisten konnte VP-Finanzminister Wilhelm Molterer, er ließ sich krankheitsbedingt entschuldigen.

Gut ein Drittel der Mandatare, die heute angelobt werden, ist neu im Hohen Haus. Stärkste Fraktion sind weiter die Sozialdemokraten mit 57 Abgeordneten. Die ÖVP hat 51 Sitze, die FPÖ 34. Das BZÖ hat 21 Mandatare in den Nationalrat gebracht und die Grünen als nunmehr kleinste Fraktion 20. Neu ist die Sitzordnung: FPÖ und BZÖ sitzen nicht mehr nebeneinander, in Hinkunft bilden die Grünen zwischen den beiden Rechtsparteien eine Art "Pufferzone".

Die Frauenquote im neuen Nationalrat ist niedrig: Nur 50 der 183 Abgeordneten sind weiblich. Das sind um 10 weniger als bisher.

Martin Graf im Chat

29. Oktober von 12 bis 13 Uhr.

Am Tag nach seiner Wahl zum Dritten Präsidenten des Nationalrates steht Martin Graf auf DiePresse.com Rede und Antwort.

(Red.)

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