Ausländische Arbeitskraft liegt brach

Arbeitsmarkt. Das Klischee vom Bauingenieur, der Taxi fährt, stimmt noch immer. Jeder fünfte Migrant in Österreich ist für seinen Job zu hoch qualifiziert. In die Führungsetagen schaffen es Migranten kaum.

WIEN (cim). „Siemens ist zu deutsch.“ Peter Löscher, Chef des Konzerns, sorgte mit diesem Statement vergangenen Sommer für Aufruhr. Er sehe in der Führungsetage bloß weiße Männer und wolle das aktiv ändern, bekundete Löscher damals. Die Suche nach Mitarbeitern mit ausländischen Wurzeln, das „Diversity Management“, ist in Österreich noch immer Minderheitenprogramm, aber die Förderung der Vielfalt in Unternehmen wird immer mehr zum Thema.

Noch nutzt man einen guten Teil des Potenzials der Migranten am Arbeitsmarkt nicht. Eine Studie der OECD (Organisation für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit) besagt, dass 21,1 Prozent der Migranten in Österreich für ihren Job zu hoch qualifiziert sind. Bei Österreichern sind nur 11,5 Prozent zu gut gebildet. Andere Länder gehen mit ihren Zuwanderern effizienter um: In der Schweiz sind nur 12,5 Prozent der Migranten überqualifiziert.

Auch sind Menschen mit ausländischen Wurzeln – sie sind entweder im Ausland geboren oder haben eine andere Muttersprache als Deutsch – öfter arbeitslos. Im Jahresschnitt 2007 lag die Arbeitslosigkeit von Migranten bei 8,8 Prozent, jene der Österreicher betrug laut AMS 5,9 Prozent. Besonders hoch ist die Quote bei Migranten aus der Türkei und den Ländern Ex-Jugoslawiens.
sDie Wirtschaftskammer beklagt, dass Migranten in Österreich vergleichsweise schlecht gebildet seien. Rund elf Prozent haben einen akademischen Abschluss, knapp 40 Prozent nur einen Pflichtschul- oder keinen Abschluss. Damit sei Österreich Schlusslicht der OECD-Staaten, so die WKÖ.

(c) Die Presse / HR

Die Einkommen und die Stellung von Migranten in den Hierarchien der Unternehmen sind kaum erforscht. Nur so viel: Überproportional vertreten sind sie in Branchen, die eine geringe Bildung voraussetzen und in denen wenig bezahlt wird. So war im Jahr 2007 jede dritte Servicekraft in einem Restaurant oder Hotel sowie jeder dritte Forstarbeiter Migrant, bei Bauarbeitern jeder Fünfte, besagt eine Publikation des Wifo.

Telekom-Chef Boris Nemsic, geboren in Sarajewo, bleibt die Ausnahme. In die Führungsetagen großer Konzerne schaffen es Migranten kaum. Von 217 Aufsichtsräten der ATX-Unternehmen hatten im Jahr 2007 gerade 19 ausländische Wurzeln. Die Quote hat sich zwischen 2005 und 2007 knapp verdoppelt, so eine Studie des Jobportals karriere.at. Diese Aufsichtsräte stammten 2007 allerdings aus „westlichen“ Ländern. Klassische Zuwanderer aus der Türkei oder vom Balkan waren nicht dabei. „Österreich hinkt da hinterher“, so Dominik Sandner vom Consulting-Unternehmen „DiversityWorks“.

Vorreiter USA


Seit fünf Jahren würden auch immer mehr österreichische Unternehmen Diversity-Manager und Berater engagieren, um für Vielfalt zu sorgen. „Allerdings geht das meist von internationalen Konzernen aus“, erklärt der Berater. Vor allem von solchen, deren Mutterkonzern in den USA sitzt. Dort hat „Diversity“ eine lange Tradition. „Seit den 1950er-Jahren beschäftigt man sich damit, seit den 80ern schätzt man qualifizierte Migranten als betriebswirtschaftlichen Faktor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2008)

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