Die Bonsai-Koalition: Mutlosigkeit und Kleingeist

Faymann und Proell
Faymann und Proell(c) Reuters, Montage:
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Wuchsbegrenzung und ästhetische Durchformung sind die Ziele der beiden Koalitionsgärtner Faymann und Pröll. Sie halten die Erwartungen so klein, dass auch nach fünf Jahren niemand enttäuscht sein kann.

Die Regierungsverhandlungen sind abgeschlossen. Rund um dieses Wochenende werden Werner Faymann und Josef Pröll die Neuauflage jener Großen Koalition aus SPÖ und ÖVP präsentieren, die ein Bonsaiprojekt ganz im Sinne jener Begriffsbestimmung darstellt, die „Wikipedia“ für diese Spielart der fernöstlichen Gartenkunst anbietet: „Der Bonsaibaum ist ein in einem Pflanzgefäß gezogenes Bäumchen, das durch Kulturmaßnahmen (Formschnitt, Wurzelschnitt, Blattschnitt, Drahtung) klein gehalten wird und in künstlerischer Gestaltung in eine gewünschte Wuchsform gebracht wird.“

Wuchsbegrenzung und ästhetische Durchformung sind auch die wesentlichen Ziele der politischen Gartenkunst in Österreich. Die beiden Chefgärtner, vor kurzem noch leitende Böcke in der abgewählten Regierung gleicher Zusammensetzung, haben sowohl in der Inszenierung als auch in der inhaltlichen Ausgestaltung ihrer künftigen Zusammenarbeit sichtlich Wert darauf gelegt, das Ergebnis überschaubar zu halten. Es hat bequem auf einem Blumentischchen in der Hofburg Platz, wo es der Bundespräsident von seinem Schreibtisch aus mit Wohlgefallen und ohne jede Angst vor unvorhergesehenen Veränderungen durch die Einflüsse der wirklichen Welt betrachten kann.

In die nährstoffreiche Pflanzschale der Sozialpartnerschaft eingebettet, wird dieses Bäumchen in den kommenden Jahren seine Form nicht verlieren: Jedes Ästelchen, das sich dem Design seiner Schöpfer widersetzen will, wird mit der vorbildlich geschärften Proporzschere fein säuberlich abgezwickt werden. Der Wind und das unabsehbare Gewusel eigenwilliger Kleinlebewesen aller Art, die schon draußen im gepflegten Volksgarten – und erst recht im knorrigen Wald der Weltwirtschaft – für botanische Unordnung sorgen, werden ihm nichts anhaben können. Es wird seinen Schöpfern und seinem Betrachter in der Hofburg ein steter Quell der Freude und Ausgeglichenheit sein.

Mutlosigkeit und Kleingeist


Die Mutlosigkeit und Kleingeistigkeit, mit der die Verlierer der letzten Wahl an die Fortsetzung ihrer Regierungstätigkeit herangegangen sind, muss jeden, der eine Reaktion auf die Krise da draußen erwartet hätte, zur Verzweiflung treiben. SPÖ und ÖVP haben buchstäblich nichts von dem getan, was als Minimalanforderung an eine Regierung, die auch nach eigenem Bekunden ihre „letzte Chance“ wahrnimmt, zu gelten hätte: keine Staatsreform, keine Gesundheitsreform, keine Neuordnung der ministeriellen Zuständigkeiten, um die Zwei- und Mehrgleisigkeiten in den entscheidenden Politikfeldern Bildung und Forschung zu beseitigen.

Es geht nicht darum, effizientere Strukturen zu schaffen, sondern darum, die Einflussmöglichkeiten beider Parteien – Besetzung von Posten in staatsnahen Strukturen und Verteilung von Werbegeldern zur Ruhigstellung kritischer Medien – zu maximieren.

Jede Handlung, aber auch jede unterlassene Handlung, vor allem des zukünftigen Bundeskanzlers, zeigen mit schmerzhafter Deutlichkeit, dass persönliche Beziehungen und persönlicher Einfluss alles sind, die Sache selbst hingegen im Zweifelsfall nichts. Der befreundete Postgewerkschafter darf mit sofortiger Unterstützung rechnen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der in ökonomischer und in publizistischer Hinsicht ein abbruchreifes Denkmal ist, wird Zuwendung erst erfahren, wenn dort die richtigen Leute aus der richtigen Clique in den richtigen Positionen sitzen.

Man wird diese Regierung an ihren Taten messen müssen. In dieser, aber auch nur in dieser Hinsicht haben die politischen Kleingärtner Weitblick bewiesen: Sie halten die Erwartungen so bonsaiklein, dass auch in fünf Jahren noch niemand enttäuscht sein kann.

michael.fleischhacker@diepresse.com

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