Kurswechsel: Die Grünen trifft die Krise noch härter

(c) AP (Ronald Zak)
  • Drucken

Forscher Ulram prophezeit der Partei schwere Zeiten. Bei der Neu-Positionierung kommen den Grünen die Aussagen von Bundesrat Dönmez ungelegen.

WIEN. „Die Grünen gehen einem ordentlichen Problem entgegen“, sagt Fessel-Gfk-Politikforscher Peter Ulram. Denn zum innerparteilichen Umbruch – man könnte es auch Krise nennen – kommt die äußere, die Wirtschaftskrise, dazu. Das engt das Themenspektrum der Grünen ein. Mit Klimapolitik, dem Kernthema der Partei, wird man künftig wohl weniger Menschen hinter dem Ofen hervorlocken können.

Aber es ist ohnehin Neupositionierung angesagt. Die jüngsten Diskussionen bei den Grünen zeigen einen wirtschafts- und sozialpolitischen Ruck nach links (auf der Bundestagung vor einer Woche trat ein Vertreter der globalisierungskritischen Plattform Attac auf). In der EU und der Ausländerpolitik wird ebenfalls um eine neue Linie gerungen. Debatten sind erwünscht, sagt der grüne Parteisekretär Lothar Lockl. Trotzdem reagierte das Partei-Establishment hörbar entsetzt, als sich der freche junge Bundesrat aus Linz, Efgani Dönmez, eine rasche und ausnahmslose Rückführung von Asylwerbern nach einem negativen Bescheid wünschte (Bericht siehe unten). Lockl bemüht sich zwar um versöhnliche Töne, meint im „Presse“-Gespräch aber dennoch, dass die Dönmez-Aussage „weder im Stil noch im Inhalt unserer Position entspricht“. Schließlich wollen die Grünen auch weiter die Menschenrechtspartei sein.

Doch Dönmez passt durchaus zu anderen, wenn auch nur vereinzelten Stimmen der Partei. So hat Querdenker Christoph Chorherr schon im Oktober in einem „Presse“-Interview mehr Mut zu heiklen Themen gefordert. Man müsse auch über Integrationsprobleme reden können. Unausgesprochener Nachsatz: Die Grünen werden häufig als naive Gutmenschenpartei betrachtet.

Die SPÖ ist glaubwürdiger

Aber könnte eine sozial- und ausländerpolitische Neupositionierung denn Stimmen bringen? Eher nein, glaubt Ulram. Denn auf diesen Feldern sind die Konkurrenten, vor allem SPÖ und FPÖ, glaubwürdiger. Seiner Einschätzung nach wird die SPÖ, vor allem bei steigender Arbeitslosigkeit, von der Krise am meisten politisch profitieren. Dauert das Tief länger und traut man der etablierten Politik nicht zu, das Problem zu lösen, darf die FPÖ auf größeren Zulauf hoffen. Dass sich die SPÖ nun dagegen wappnet, indem sie die Freiheitlichen als undemokratisch abkanzelt und ins NS-Eck stellt, hält Ulram übrigens für die falsche Strategie. Das habe schon bei Jörg Haider nicht funktioniert.

Die Grünen haben mit dem Abgang Alexander Van der Bellens ihr größtes Plus verloren: einen Parteichef, der sich wohltuend als „Nichtpolitiker“ abhob. Er punktete auch bei Jungen und wirkte weit ins bürgerliche Lager hinein. Glawischnig fällt zwar als Frau in einer reinen Männerriege auf, werde ansonsten aber als konventioneller Politiker-Typ bewertet, glaubt Ulram. In der Folge könnte die Partei auf europäisches „Normalmaß“, also unter zehn Prozent, schrumpfen. Die österreichischen Grünen waren bisher – nur übertroffen von Luxemburg – Spitzenreiter bei den Wahlergebnissen. Aber für alternative Wirtschaftskonzepte gebe es in der Krise keinen ausreichenden Wählermarkt, so Ulram. Damit könne man höchstens „linkes universitäres Publikum oder Dritte-Welt-engagierte Katholiken“ ansprechen. Lockl ist naturgemäß anderer Meinung, hält das „neoliberale Wirtschaftssystem“ für gescheitert, will die Steuerprivilegien der „oberen Zehntausend“ abschaffen und beschwört unverdrossen eine „Energiewende“, mit deren Hilfe man die Wirtschaftskrise besser bewältigen könne: Demnach soll Österreich bis 2020 aus Öl, Gas und Atomenergie aussteigen und auf erneuerbare Energien setzen, was auch als eigener Wirtschaftzweig zukunftsträchtig sei.

Doch das sagte schon Van der Bellen. Glück für die Grünen: Zumindest Nationalratswahlen sind jetzt lange keine in Sicht. Krisen in der Krise sind hingegen ganz normal.

AUF EINEN BLICK

Platz fünf und mit 10,4 Prozent ein leichtes Minus bescherte die letzte Nationalratswahl den Grünen. Alexander Van der Bellen trat zurück. Nun versucht Eva Glawischnig der Partei neues Profil zu verleihen. Doch Themen wie Klimapolitik haben in der Wirtschaftskrise nicht Hochkonjunktur. Den Grünen drohen quälende Richtungsdebatten und ein weiterer Schrumpfungsprozess.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.