Amtsgeheimnis-Gutachten: "Zäsur im Informationsrecht"

Der deutsche Jurist Bernd Holznagel plädiert in der OSZE-Stellungnahme für Nachbesserungen.

Die nun mit Verspätung veröffentlichte Stellungnahme der OSZE-Medienbeauftragten zur geplanten Abschaffung des Amtsgeheimnisses ist weitgehend positiv. Dennoch plädiert der deutsche Jurist Bernd Holznagel darin für Nachbesserungen. Konkret sollte ein Einsichtsrecht in Originalakten der Verwaltung geschaffen und eine Interessenabwägung zwischen Information und Geheimhaltung vorgeschrieben werden.

Holznagel hat sowohl den Entwurf des Kanzleramts als auch jenen der Grünen analysiert. Ergebnis: Beide Entwürfe brächten "eine Zäsur im österreichischen Informationsrecht". "Österreich würde damit in der vordersten Reihe der Staaten mit einer modernen Gesetzgebung zu den Themen Informationsfreiheit und Transparenz Platz nehmen", heißt es in dem Gutachten.

"Recht auf Akteneinsicht gehört zum Standard"

Gleichzeitig plädiert Holznagel aber für Nachbesserungen. Konkret vermisst er ein Einsichtsrecht in Originalunterlagen der Behörden. "Ein solches Recht auf Akteneinsicht gehört heute jedoch zum europäischen 'Standard'", schreibt der auf Informations- und Medienrecht spezialisierte Jurist. Nötig wäre aus seiner Sicht auch eine "Abwägungsklausel" - also die verbindliche Abwägung von Informationsrecht und Geheimhaltungsgründen.

Eben diese Geheimhaltungsgründe müssten der Analyse zufolge nachgebessert werden. Zu streng ist dem Juristen nämlich die Möglichkeit der Behörden, alle Informationen unter Verschluss zu halten, die der Vorbereitung einer Entscheidung dienen. Als mögliches Vorbild sieht Holznagel Deutschland, wo die Geheimhaltung nur greifen darf, wenn und solange andernfalls der "Erfolg der Entscheidung" gefährdet wäre. Zu wenig restriktiv sind die Ausnahmen dagegen beim Schutz privater Interessen. Hier schlägt Holznagel vor, die (derzeit nur implizit erfasste) Sicherung des Datenschutzes und privater Betriebsgeheimnisse explizit in die Geheimhaltungsgründe aufzunehmen.

"Veränderung der Verwaltungskultur" nötig

Positiv hervorgestrichen wird in dem Gutachten, dass die Informationspflicht nicht nur die Verwaltung erfassen würde, sondern auch Parlament und Justiz sowie öffentliche Unternehmen. Zu bedenken gibt Holznagel allerdings, dass die geplanten Umsetzungsgesetze auf Landesebene zu einer Zersplitterung der Transparenzregeln führen könnte und dass "angesichts der langen Tradition der Amtsverschwiegenheit" auch eine "Veränderung der Verwaltungskultur" nötig wäre.

Eine "unabhängige und schlagkräftige Vollzugsstelle" für die neuen Regeln wäre für den Gutachter daher "Dreh- und Angelpunkt für eine effektive Umsetzung von Informationsfreiheit und Transparenz". Die Regierung lehnt einen derartigen Informationsfreiheits-Beauftragten bisher jedoch ab und setzt darauf, dass die Volksanwaltschaft über die Einhaltung der Regeln wachen wird.

Dass die Studie nicht mit den zahlreichen anderen Begutachtungsstellungnahmen zum Amtsgeheimnis veröffentlicht wurde, bezeichnete das Parlament am Donnerstag als "bedauerliches Versehen". Begründung: Die Begutachtung endete am 7. Mai, die Studie wurde aber erst im Juli erstellt und dann über den österreichischen OSZE-Botschafter ans Außenministerium übermittelt. Erst im August sei der Text im Parlament eingelangt und dann urlaubsbedingt liegen geblieben, sagte ein Sprecher am Donnerstag.

Kanzleramt: Akteneinsicht vorgesehen

Das Bundeskanzleramt geht davon aus, dass nach der Abschaffung des Amtsgeheimnisses auch die Einsicht in Originalunterlagen der Verwaltung möglich sein wird. Aus dem Büro von Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) hieß es dazu, diese Möglichkeit sei im derzeitigen Entwurf eigentlich schon vorgesehen, man werde dies aber noch präzisieren.

(APA)

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