Franz Voves: "Ich bin ja kein Krakeeler hinterm Semmering"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Zur Bundespolitik sagt Franz Voves nichts mehr. Zwölf Jahre habe er sich einzubringen versucht – vergeblich. Jetzt will er, rechtzeitig vor der Landtagswahl, die steirische SPÖ reformieren. Eine Erbschaftssteuer hätte er allerdings schon gern.

Die Presse: Die SPÖ wurde in der Steiermark zweimal hintereinander von der FPÖ überholt, bei der Nationalratswahl und bei der EU-Wahl. Kann man das auf die umstrittenen Reformen im Land zurückführen, vor allem auf die Gemeindefusionen?

Franz Voves: In unserer Gesellschaft ist eine gewisse Oberflächlichkeit eingekehrt. Und genauso oberflächlich werden Wahlergebnisse interpretiert. Man sagt einfach: Das waren die Reformen – punkt.

Wie ist es denn wirklich?

Niemand sieht, dass die Neos erstmals angetreten sind. Niemand sieht den Faktor Stronach, den es in der Steiermark noch gibt. Niemand berücksichtigt die Grundstimmung, die es gegen die beiden Altparteien im Bund gegeben hat. Dieses Vereinfachen ist ja geil geworden in unserer Gesellschaft.

Es gibt also keinen Widerstand im Land gegen die Gemeindefusionen?

Dass wir da und dort Unzufriedenheit ausgelöst haben, ist schon klar. Wobei das sehr stark von den Funktionären ausgegangen ist. Die Bevölkerung ist mitgezogen. Aber insgesamt sind vielleicht 20 Prozent der Wahlverluste auf die Reformen zurückzuführen.

Rechnen Sie bei der Landtagswahl im Herbst 2015 auch mit Stimmenverlusten?

Sie können doch nicht die Nationalratswahl und die EU-Wahl als Maßstab nehmen. Die Steiermark hatte historisch immer das größte Potenzial an FPÖ-Wählern, wenn es eine generelle Unzufriedenheit mit den beiden Altparteien im Bund gegeben hat. Jörg Haider hat in seiner Glanzzeit 29 Prozent im Land geholt, aber bei einer Nationalratswahl.

Das heißt, die Steirer sind eigentlich rundum zufrieden mit der Landespolitik?

Ich stelle mich der Wahl. Aber ich würde mich jetzt lieber mit der Frage beschäftigen, was wir tun müssen, damit die Jugend auch künftig in einem Wohlfahrts- und Sozialstaat leben kann. Mit der Oberflächlichkeit, mit der politische Bemühungen derzeit behandelt werden, werden wir das nicht schaffen.

Sie meinen Ihre Bemühungen.

Ich war 13 Jahre Finanzvorstand in einem Zwei-Milliarden-Konzern. Ich habe gelernt, konzeptionell zu arbeiten. Was soll ich mir da erzählen lassen? Die, die unsere Arbeit lächerlich machen wollen, haben das in 100Jahren nicht drauf. Dabei ist die Frage, ob nicht andere Länder nachziehen müssen, wenn wir unseren Wohlstand einigermaßen erhalten wollen. Weil wir da und dort einfach überbordende Strukturen haben.

Ist das Ihre Motivation für eine neuerliche Kandidatur – Sie wollen den reformunwilligen Politikern zeigen, wie es geht?

Ich bin fast 62, ich brauche niemandem mehr etwas zeigen. Meine Eitelkeit habe ich schon im Sport befriedigt. Ich stelle mich noch einmal dem Wählervotum, gerade weil ich gemeinsam mit dem Kollegen Schützenhöfer Änderungen im Land herbeigeführt habe. Alles andere würde ja als Flucht gesehen.

Sie hätten auch im Bund weiter auf Reformen drängen können, anstatt beleidigt aus allen Bundesparteiämtern zu flüchten.

Das ist Ihre Interpretation. Ich habe mich zwölf Jahre einzubringen versucht. Ich war der Kernölsozialist, oft ein Fremder – heute diskutiert man meine Vorschläge. Okay, dann will ich nicht mehr stören und meine ganze Kraft auf die Steiermark konzentrieren.

Welche Reformen braucht es im Bund?

Was wollen Sie hören? Die Medien versuchen immer, einen Sager gegen Wien zu provozieren, den Sie als Überschrift verwenden können. Dafür bin ich zu alt. Ich bin ja kein 17-jähriger Krakeeler da hinterm Semmering.

Wir wollen überhaupt nichts provozieren, wir wollen Ihre Meinung hören.

Ich bitte um Verständnis, aber nachdem ich aus allen Funktionen ausgeschieden bin, sagt mir mein Charakter, dass ich die Bundespolitik auch nicht mehr kommentieren sollte. Wir versuchen, die steirische SPÖ zu öffnen.

In welche Richtung?

Wir haben keine Vision für die jungen Generationen. Die europäische Sozialdemokratie will nur Symptome bekämpfen. Wie reguliere ich den Finanzmarkt, zum Beispiel. Die Jungen sind da schon weiter. Sie fragen sich, wie sich die Gesellschaft grundlegend ändern muss, damit sozialer Frieden garantiert ist.

Haben Sie denn eine Vision?

Am 15. November wird es einen Reformparteitag der SPÖ Steiermark geben. Da fällt der Startschuss für eine Vision 2030. Die soll unsere Jugend federführend erarbeiten. Ich werde ihr nur ein paar Fragen mitgeben, von denen ich glaube, dass man sie stellen muss.

Von einem Landesparteichef erwartet man sich aber Antworten und keine Fragen.

Die heutige Social-Media-Generation wurde in ein ganz anderes Lebensumfeld hineingeboren als ich in den 1950er-Jahren. Ich kann der digitalen Revolution gar nicht mehr richtig folgen. Wir Alten müssen loslassen und der Jugend das Szepter in die Hand geben.

Welche Fragen werden Sie stellen?

Das werde ich jetzt nicht vorwegnehmen.

Wie kommt die Bundes-SPÖ zu einer Vision?

Der Charly Blecha und der Josef Cap (die die Reform des Parteiprogramms federführend betreuen, Anm.) sind sicher prädestiniert, um das der Jugend glaubwürdig darzulegen.

Sind Sie heute zynisch?

Überhaupt nicht.

Wird auch die Steuerpolitik Thema beim Reformparteitag der steirischen SPÖ sein?

Vordergründig wird es sicher kein Thema sein. Und ich persönlich habe zu einer notwendigen Steuerreform bereits alles gesagt.

Aber das ist lange her. Inzwischen ist viel passiert. Die Bundesregierung hat einen Zeitplan für die Steuerreform beschlossen. Im März will sie ein Konzept vorlegen.

Ich habe gesagt, wie ich mir die Gegenfinanzierung vorstelle. Und vom Stacheldrahtzaun habe ich gesprochen – die Security wird bald gleich viel kosten wie in Amerika, für all die, die glauben, sie müssen keinen Beitrag leisten. Die CDU hat mit Merkel wieder eine Erbschafts- und Schenkungssteuer eingeführt. Aber bei uns ist das nicht nötig, weil das bringt ja angeblich nur 300 oder 500 Millionen. Was hat das christlich-soziale Leistungsprinzip mit dem Erben zu tun?

Vermögen ist nicht gleich Vermögen?

Ich habe meiner Tochter, die in München lebt, eine Eigentumswohnung gekauft, geschenkt und noch zwei Prozent Steuer bezahlt. Wer dieses Geld hat – und ich rede hier nicht von Betriebsnachfolge, da muss man sensibler sein –, kann sich auch die Schenkungssteuer leisten. In Deutschland hat man gemeint, das kann man ruhig zahlen, in Österreich nicht. Wo ist da der Kernölsozialist?

Wollen Sie neben der Erbschafts- und Schenkungssteuer auch eine Steuer auf Vermögenssubstanzen?

Das habe ich der Bundespolitik völlig offengelassen. Man könnte sich auch in der Gewinnbesteuerung einiges anschauen.

Egal kann Ihnen die Steuerreform aber nicht sein. Immerhin wird sich das Ergebnis auch auf die Landtagswahl auswirken.

Die SPÖ hat sich entschieden, das Konzept des ÖGB eins zu eins zu übernehmen. Sie wird auch an dem gemessen werden.

Bleiben Sie die gesamte nächste Periode, wenn Sie wiedergewählt werden?

Ich trete natürlich für die ganze Legislaturperiode an. Aber schauen wir einmal, wie sich das mit dem Nachwuchs entwickelt. Wir haben eine Vielzahl guter junger Leute.

So viele Nachfolger sind derzeit aber nicht in Sicht.

Das ist auch ein Mitgrund, warum ich bleibe. Es ist meine Aufgabe, das so zu organisieren, dass es nicht heißt, hinter mir die Sintflut.

Sie werden also innerhalb der nächsten Periode übergeben.

Das kann sein, muss aber nicht sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2014)

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