Steuerreform: Die Beißwut der Landeschefs

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Die Abwehrfront gegen Sparpläne des Bundes formiert sich in den Ländern nach parteipolitischer Opportunität. SPÖ-Baugewerkschafter warnt ÖVP vor Nein zu Steuergutschrift.

Wien/Bregenz/Linz. Zu den internen rot-schwarzen Konflikten um die Steuerreform von der Vermögensteuer bis zur Negativsteuer, also einer höheren Steuergutschrift für rund 2,4 Millionen Bezieher von niedrigen Löhnen und Pensionen, kommt für die Regierung ein bekanntes Problem. Die Landeshauptleute stemmen sich dagegen, dass sie mit geringeren Anteilen an den Steuereinnahmen („Finanzausgleich“) ihr Scherflein zur Steuerreform beitragen.

Da zeigen die Landeschefs der Bundesregierung wieder fast reflexartig die Zähne. Daran hat sich nach dem Wechsel an der ÖVP-Spitze zu Vizekanzler Reinhold Mitterlehner nichts geändert.

Bemerkenswert ist, dass der Protest, wie am Wochenende via Austria Presse Agentur gemeldet, von Vorarlbergs Landeshauptmann, Markus Wallner (ÖVP), offenkundig nach parteipolitischen Erwägungen erfolgt. So hat Wallner SPÖ-Pläne als Affront abgetan („Die Presse am Sonntag“ berichtete). Er hatte sich gegen ein „Plündern“ der Landeskassen für die Steuerreform im Zuge des Finanzausgleichs von Bund, Ländern und Gemeinden verwahrt.

Schellings Plan geschluckt

Die politische Beißwut gegenüber der Bundesregierung bei Sparplänen mit den Ländern macht sich allerdings unterschiedlich bemerkbar, je nachdem, ob sie von SPÖ oder ÖVP kommen. Denn lange vor der SPÖ hat ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling bereits Ende September erklärt, dass der Anteil der Länder am Steuerkuchen zu groß sei und im Finanzausgleich neu geregelt werden müsse.

Reaktion? Praktisch keine. Einzig Oberösterreichs Landeshauptmann, Josef Pühringer (ÖVP), der für die Volkspartei auch in der Gruppe bei den politschen Verhandlungen über die Steuerreform ab Mitte Dezember sitzen wird, hatte daraufhin als erster Landespolitiker überhaupt in einem „Presse“-Interview Anfang Oktober gegen den Finanzminister rebelliert. Seinen ÖVP-Kollegen war dieser Spar- und Effizienzplan des ÖVP-Ministers damals zumindest in der Öffentlichkeit einerlei – anders als nun bei dem via Agentur verkündeten Aufschrei gegenüber dem SPÖ-Vorhaben, dass die Länder bis zu einer Milliarde zur Steuerreform beisteuern sollten.

Bei einem Linz-Besuch im Oktober präzisierte Minister Schelling dann seine Position für den neuen Finanzausgleich: Die Steuermittel sollten künftig nach den jeweiligen Aufgaben, die einzelne Gebietskörperschaften übernehmen, aufgeteilt werden. Das blieb bei einer Pressekonferenz mit Pühringer in Linz von diesem unwidersprochen.

Finanzausgleich wartet

Hintergrund für Schellings Ansatz ist, dass beispielsweise die tausenden Pflichtschullehrer von den Ländern eingestellt, aber vom Bund bezahlt werden. Die Länder haben in der Vergangenheit sogar mehr Lehrer, als nach dem vereinbarten Lehrer-Schüler-Verhältnis erlaubt wäre, eingestellt. Zig Millionen an Mehrkosten wurden dennoch vom Bund übernommen.

Schelling wird die Verhandlungen über einen neuen Finanzausgleich, der die Aufteilung der Steuereinnahmen ändert, 2015 rasch beginnen, obwohl der jetzige Finanzausgleich bis Ende 2016 gilt. Der Start der Gespräche dürfte damit vor der bis zum 17. März 2015 von der SPÖ-ÖVP-Regierung versprochenen Entscheidung über die Details der Steuerreform fallen.

Nicht „gescheit“ von der ÖVP

Im Bund löst Mitterlehners Absage an eine höhere Negativsteuer – er will lieber, dass die Länder auf 100 Euro aus Gebühren verzichten – Kopfschütteln aus. Der Chef der Gewerkschaft Bau-Holz, Josef Muchitsch (SPÖ), der seit 2012 die Geschäfte führt und sich diese Woche erstmals der Wahl stellt, warnt im Gespräch mit der „Presse“ die ÖVP davor, an einem Nein zu einer Steuergutschrift festzuhalten. Bezüglich der Varianten zur Entlastung zeigt er sich aber offen. Er frage sich allerdings schon, ob es von der ÖVP „wirklich gescheit“ sei, die Negativsteuer/Steuergutschrift für Personen mit niedrigem Einkommen abzulehnen.

Gerade bei dieser Gruppe sei bei finanziellen Verbesserungen der größte Konjunkturschub zu erwarten, „weil das Geld im Land bleibt“. Es gebe aber bei der Umsetzung „den einen oder anderen Gestaltungsspielraum“. Ein Scheitern einer Steuerreform im März 2015 kann sich die Koalition seiner Ansicht nach nicht leisten: „Es ist auf beiden Seiten der Druck sehr groß.“ Gleichzeitig fordert Wifo-Chef Karl Aiginger nicht fünf, sondern acht Milliarden Euro Entlastung.

Kampfmaßnahmen, wie sie zuletzt SPÖ-Pensionistenchef Karl Blecha wegen des Fehlens eines Bonus-Malus-Systems für Betriebe bei den Pensionen angedroht hat, hält Muchitsch vorerst für wenig sinnvoll: „Ich bin nicht derjenige, der mit der Kette rasselt.“ Vor der Wirtschaftskammerwahl im Frühjahr kommenden Jahres werde sich die Wirtschaft in dieser Frage „nicht bewegen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2014)

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