Jugendstraftaten: Neue Regeln gesucht

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Justizminister Brandstetter will über Sanktionen gegen unter 14-Jährige diskutieren. In der Schweiz gibt es solche. Auch eine Vertrauensstudie stellt die Justiz vor Herausforderungen.

Wien. „Das ist ein Problem, das man meistern muss.“ Durch „die frühere Adoleszenz“ stelle sich die Frage, wie man mit unmündigen Straftätern umgeht, erklärte Justizminister Wolfgang Brandstetter am Montag. Er sei hier für Diskussionen über neue Regeln offen. Auch wolle er sich das Schweizer Modell genau anschauen, erklärte der Minister. In der Schweiz ist man im Gegensatz zu Österreich nicht erst ab 14, sondern ab zehn Jahren strafmündig.

Anlass für die Debatte ist der Fall eines 14-jährigen Grazers, der eine Zehnjährige vergewaltigt haben soll und in U-Haft sitzt. Der Mann soll schon im Vorjahr ein siebenjähriges Mädchen vergewaltigt haben. Weil der Täter damals 13 war, konnten die Behörden nicht gegen den Buben vorgehen.

Dass es Schwierigkeiten mit unmündigen Straftätern gibt, bestätigt auch Doris Täubel-Weinreich, Vorsitzende der Fachgruppe Familienrecht in der Richtervereinigung. Dies zeige sich in Pflegschaftsverfahren. „Es gibt totale Probleme, aber nicht so, dass man die Strafmündigkeit herabsetzen muss“, sagt die Juristin zur „Presse“. Sie würde sich mehr Rechte für die Jugendwohlfahrt wünschen. Eine Idee: Man könnte den jungen Straftäter verpflichten, mit einer Art Bewährungshelfer Kontakt halten zu müssen. Diese Person – die freilich mangels Strafbarkeit nicht Bewährungshelfer heißen dürfte – solle dem Kind helfen, auf die rechte Bahn zu kommen, meint Täubel-Weinreich, die auch betont: „Kinder sind jetzt mit zwölf Jahren anders drauf als in den 1970er-Jahren.“

Mal Länder-, mal Bundessache

Auch Brandstetter erwägt, die Jugendwohlfahrt zu stärken. Allerdings gebe es ein kompetenzrechtliches Problem, denn diese sei Ländersache. Täubel-Weinreich beschreibt die Situation ähnlich: „Man wartet, bis die Kinder 14 sind und in U-Haft kommen, dann gehören sie dem Bund.“ Die Jugendämter der Länder können in schweren Fällen Kinder den Eltern abnehmen, wenn die Erziehung nicht gewährleistet ist. Aber solche Rechte seien „bei einem Zwölfjährigen de facto zahnlos“, sagt Täubel-Weinreich, denn der könne ohnedies davonlaufen.

Zu Gesprächen zwingen dürfe man jugendliche Täter nicht, skizziert die in Wien für Jugend zuständige MA 11 die aktuelle Situation. Man mache aber ein vielfältiges pädagogisches Angebot und biete Einzelgespräche an. „Und wir halten nichts davon, Zehnjährige strafrechtlich zu sanktionieren“, betont eine Sprecherin der MA 11.

Laut dem Sicherheitsbericht des Innenministeriums aus dem Vorjahr wurden 786 Delikte von unter Zehnjährigen begangen. Die Zehn- bis 14-Jährigen verübten sogar 4908 Straftaten im Jahr. Sie bleiben in Österreich ungeschoren, in der Schweiz wäre das anders. Ab zehn ist man strafmündig. Als Sanktionen für die Jüngsten kommen etwa der Verweis (eine Art Verwarnung) oder eine unentgeltliche persönliche Leistung infrage. Angeordnet werken kann zudem eine Aufsicht, eine persönliche Betreuung oder eine Unterbringung des Täters in Erziehungseinrichtungen. Freiheitsstrafen hingegen gibt es in der Schweiz erst ab 15 Jahren.

„Ich glaube aber nicht, dass man leichtfertig die Grenze der Strafbarkeit nach unten verschieben sollte“, meint Werner Zinkl, langjähriger Strafrichter und Präsident der Richtervereinigung. Denn dann könnten auch „Lausbubenstreiche“ eine Strafbarkeit auslösen. Und es gebe Jugendliche, die nach außen schon erwachsen wirken, aber geistig noch kindlich seien.

„Gesunde Watsche“ bestrafen?

Ein anderes viel diskutiertes Thema ist die sogenannte „gesunde Watsche“ von Eltern an Kindern. Jugendanwältin Monika Pinterits hatte dafür einen Straftatbestand gefordert. Brandstetter betonte, dass es sich hier um den höchstpersönlichen Lebensbereich handle und schon fraglich sei, ob man dafür strafrechtliche Mittel brauche. Ohrfeigen können momentan höchstens als Ehrenbeleidigung, nicht als Körperverletzung angeklagt werden.

Vor Aufgaben stellt Brandstetter eine Umfrage im Auftrag des Justizministeriums: Sie zeigt, dass das Vertrauen in die Gerichte langfristig etwas gesunken ist. Diese stehen aber im Vergleich zu anderen Institutionen noch immer recht gut da. Gut kommt laut Umfrage der Weisenrat an, den Brandstetter für Weisungen installiert hat. Wie hier die endgültige Lösung aussehen wird, wollte Brandstetter nicht sagen. Er betonte aber, dass eine Verfassungsänderung (die nötig wäre, um das Weisungsrecht als Minister ganz abzugeben) nie leicht zu schaffen sei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2014)

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