"Sammelgesetze sind eine Beugung der Verfassung"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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ÖVP-Vizeklubchef ärgert sich, was Abgeordnete schlucken müssen. Neue überparteiliche Initiative für offenere Gesetzgebung läuft.

Wien. Parlamentarier, die von der Regierung ausgearbeitete Gesetze in den Kernpunkten einfach abnicken; Ausschusssitzungen im Parlament hinter verschlossenen Türen: Die Liste der Kritikpunkte an der Demokratie nach österreichischer Spielart ist lang. Es sind nicht nur recht machtlose Mandatare der Opposition, die sich mit dem Durchpeitschen von Gesetzen nicht abfinden wollen. Seit Freitag der Vorwoche ist eine neue Plattform www.besserentscheiden.at mit einem „Grünbuch für eine offene Gesetzgebung“ online, um Verbesserungen anzustoßen.

Unter den 20 Initiatoren sind auch Vertreter von Rot und Schwarz, etwa Ex-Innenminister Caspar Einem, seine SPÖ-Parteikollegin und Chefin der Jungen Generation, Katharina Kucharowits, der ÖVP-Vizeklubchef und Fraktionsführer im Bundesrat, Gottfried Kneifel, die Grün-Mandatarinnen Alev Korun und Gabriela Moser, ÖVP-EU-Abgeordneter Paul Rübig, LIF-Gründungsmitglied Friedhelm Frischenschlager und Neos-Chef Matthias Strolz. Ziel der vorerst bis knapp vor Weihnachten für interessierte Bürger geöffneten Plattform: mehr Einbindung der Bevölkerung ab der Entstehung eines Gesetzes. Eine transparentere Vorgangsweise soll etwa helfen, peinliche Pannen wie die zuletzt reparierte Auflösung bestimmter Bezirkgerichte, die von der Verfassung nicht gedeckt war, zu vermeiden, oder Schwachstellen in Entwürfen zu thematisieren und zu korrigieren.

Bei einer Aussprache einiger Betreiber mit Vertretern der Vereinigung der Parlamentsjournalisten und des Presseklubs Condordia machte ÖVP-Klubvize Kneifel am Montagabend seinem Ärger Luft. Er halte Sammelgesetze mit 120 Einzelgesetzen für eine „Beugung der Verfassung“. Das Problem: Frei gewählte Abgeordnete könnten dann nicht frei entscheiden, weil sie nur das gesamte Konvolut – etwa bei Budgetbegleitgesetzen – ablehnen und absegnen könnten, nicht aber dessen Einzelteile.

Harte Worte fand die grüne Parlamentarierin Korun. Ständiges Vertagen von Oppositionsanträgen sei ein Begräbnis erster Klasse und „Verarschung des Parlamentarismus“, wie sie – sich für die Wortwahl entschuldigend – sagte. Sie beklagte zudem, es gebe keine „Fehlertoleranz“. So gestehe die Regierung nie Schwächen ein, die Opposition dürfe nicht loben. Das sei fast ein Tabu, das nur Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen gebrochen habe, bedauerte sie. (ett)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2014)

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