Vranitzky: "EU ist ein neoliberales Projekt"

Harte Worte des Ex-Kanzlers.
Harte Worte des Ex-Kanzlers.(c) Die Presse (Teresa Zötl)
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Ex-Kanzler Vranitzky kritisiert die mangelhafte Sozialunion. Faymann und Mitterlehner verteidigen ihre Budgetmaßnahmen angesichts der Krise.

Lob für die Europäische Union als einzigartiges Friedensprojekt, aber auch Kritik für eine mangelhafte Sozialunion gab es am Dienstagabend bei einer Podiumsdiskussion in Wien anlässlich des 20. Jahrestages der Zustimmung des österreichischen Parlamentes zum EU-Beitritt. "Die EU ist ein neoliberales Projekt, ein Europa der Konzerne", kritisierte der ehemalige SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky.

"Seit 2008 bekämpft die Europäische Union ununterbrochen Krisen, ohne dass diese weggehen. Ununterbrochen werden Haushalte saniert, in Wirklichkeit bedeutet das aber einen Rückgang der sozialen Sicherheit der Bürger in der Europäischen Union", beanstandete der ehemalige Kanzler. Nach der "zehnjährigen Flaute Barroso" (Jose Manuel, langjährigen Kommissionschef, Anm.) setze er nun neue Hoffnung in den neuen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. "Ich glaube, dass Juncker und Schulz (Martin, EU-Parlamentspräsident, Anm.) ein Gespann sein könnten, das den Bürgern über die momentanen Vorbehalte gegenüber der EU hinweg hilft", kommentierte Vranitzky eine Statistik der Wirtschaftskammer, nach der sich 67 Prozent der Österreicher für einen Verbleib Österreichs in der EU aussprechen.

Regierung verteidigt Budgetmaßnahmen

"Relativ pessimistisch" bewertete Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) die Ansichten des ehemaligen Bundeskanzlers. Budgets zu sanieren sei eine richtige Vorgangsweise gewesen, hingegen habe man in der europäischen Union noch in den Bereichen "Binnenmarkt, Bürokratie und Eliten-Orientierung" nachzubessern. Auch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) verteidigte die Budgetmaßnahmen: "Ich glaube, dass die EU in der Finanz- und Wirtschaftskrise einen völligen Zusammenbruch, wie es etwa in den 30er-Jahren der Fall war, verhindert hat."

Laut Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) würde die krisenbedingte Arbeitslosigkeit und soziale Ungerechtigkeit Zweifel bei vielen Europäern wecken: "Überwunden geglaubte Nationalismen erstarken wieder. Eine Antwort darauf kann nur ein starkes Europa und stärkere Parlamente mit mehr Mitsprache, Transparenz und damit auch mehr demokratischer Legitimation sein."

Vor 20 Jahren Zustimmung zu EU-Beitritt

"Dieses gemeinsame Europa ist ein einzigartiges Projekt, eine faszinierende Idee von Solidarität und Frieden. Aber Frieden ist keine Selbstverständlichkeit, das kann sich ganz schnell ändern", betonte Bundesratspräsidentin Ana Blatnik (SPÖ) das ursprüngliche Friedensargument der Union und verwies auf die momentane Konfliktsituation in der Ukraine. "Ich glaube, dass Frieden nach innen auf Dauer nur halten kann, wenn es soziale Gerechtigkeit gibt - sie ist die Grundlage für innere Stabilität und Solidarität in einer Gesellschaft. Gerade deshalb darf es uns nicht egal sein, was in anderen Ländern passiert", so Blatnik.

Vor 20 Jahren, am 11. November 1994 stimmten 141 der 181 Abgeordneten, also mehr als zwei Drittel, für den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union. Zuvor sprachen sich Mitte Juni 1994 mehr als 66 Prozent der österreichischen Bürger für die EU-Mitgliedschaft aus.

(APA)

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