Neugebauer: "Da wird die Regierung uns kennenlernen"

Fritz Neugebauer
Fritz NeugebauerDie Presse (Clemens Fabry)
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Der Druck für die Heeresreform steigt: Beamtengewerkschaftschef Neugebauer droht mit einer breiten Aktion für Bedienstete. In der Schulpolitik lobt er Mitterlehners Dialog, es gebe aber keine 180-Grad-Wendung.

Die Presse: Haben Sie schon ein Dankschreiben an Präsident Kapsch geschickt? Ist das Schulreformkonzept der Industrie mit verpflichtender Ganztagsschule und Gesamtschule genau jetzt vor den Personalvertretungswahlen bei Lehrern und Beamten nicht eine Wahlhilfe?

Fritz Neugebauer: Ich kenne das nur aus der Zeitung, dass die Industriellenvereinigung ein Konzept vorgelegt hat. Am Schluss des Berichts bin ich da auf einen bemerkenswerten Satz gestoßen. Auf die Frage, ob eine Kostenberechnung zu den Vorschlägen vorliegt, hat der Präsident erklärt, das habe man sich noch nicht angeschaut. Ist denn die Finanzierung nicht wichtig?

Ein Kernpunkt ist die verpflichtende Ganztagsschule von 8.30 bis 15.30 Uhr. Die ÖVP hat das seit Jahren als „Zwangstagsschule“ abgelehnt. Bleibt es dabei?

Es gibt einen vermehrten Bedarf, der ist zu erheben. Dafür gibt es Geld, das ist aber nichts Neues. Die Eltern haben darüber ein Mitsprache- und Abstimmungsrecht im Schulgemeinschaftsausschuss. Da gibt es vor Ort eine Willensbildung zwischen Eltern, Schulerhaltern und Lehrern. Ganztägige Schulformen kosten viel und müssen finanziert werden, wie insbesondere Freizeiteinrichtungen, Essensversorgung, Sportmöglichkeiten und dergleichen.

Es soll eine schulautonome Entscheidung bleiben statt einer bundesweiten Verpflichtung?

Eine flächendeckende Einführung ganztägiger Schulformen widerspricht dem Elternwunsch. Das ist auch eine Frage der Finanzierung. Im Pflichtschulbereich etwa sind Gemeinden Schulerhalter.

ÖVP-Obmann Mitterlehner hat sich zumindest offen gegenüber einer gemeinsamen Schule der Sechs- bis 14-Jährigen gezeigt. Hat die Gewerkschaft öffentlicher Dienst da keinen Einfluss mehr?

Es ist der neue Stil Mitterlehners, Fragen faktenbasiert zu diskutieren. Das heißt aber nicht, dass sich die ÖVP vom differenzierten Schulsystem absentiert. Mitterlehner ist mit so vielen Argumenten ausgestattet, dass man eine 180-Grad-Wendung nicht befürchten muss. Und auch der Blick über die Grenzen nach Deutschland zeigt, dass dort Bundesländer mit einem differenzierten Schulsystem, wie etwa Bayern, besser dastehen.

Stichwort Output der Schulen: Ist dieser so gut?

Die Wirtschaftskammer hat jetzt ganzseitige Inserate geschaltet, wo unsere Schülerinnen und Schüler Europa- und Weltmeister in vielen Bewerben des Bildungswesens sind.

Aber Kritiker, Wirtschaft und Industriellenvereinigung sagen, dass ein hoher Prozentsatz nach der Schulpflicht nicht ordentlich schreiben, lesen und rechnen kann. Das ist doch mit ein Grund für Reformen.

Es kommt nicht auf die Schulorganisation an, das ist der alte österreichische Fehler. Es kommt auf die Lehrerpersönlichkeit an, sie muss ich stärken, nicht mit etwas überfrachten. Der Zug der Zeit ist, dass zum Unterricht mehr Erziehungsaufgaben dazukommen. Ich muss mehr Freiräume für Übungen schaffen. Ich muss zu Hause bewusst machen, dass es kein Fehler ist, wenn Eltern, Großeltern oder wer immer mit den Kindern Lesen üben, Gedichte auswendig lernen, die alten Kulturen des Trainings. Es geht nicht: Sechs, sieben Stunden Schule und zu Hause darf niemand mehr damit in Berührung kommen.

Das ist aber genau ein Punkt, der von Ministerin Heinisch-Hosek angefangen betont wird: Mit der Ganztagsschule hat man daheim von der Schule eine Ruhe.

Die Übungseinheiten sind nicht allein in der Schule zu bewältigen, da sind alle gefordert. Mich freut vor allem auch sehr, dass Vizekanzler Mitterlehner in der Arbeitsgruppe die Frühkindpädagogik angesprochen hat.

Sind Sie für ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr?

Wenn man jetzt das eine Jahr ordentlich hinbringt, ist schon viel gewonnen. Man muss auch an die Finanzierbarkeit denken.

Kommende Woche gibt es Personalvertretungswahlen im öffentlichen Dienst. Einheitlich ist: Fast überall wird über Personalmangel geklagt. Fällt das den Christgewerkschaftern (FCG, Anm.) auf den Kopf?

Das fällt der Regierung auf den Kopf. Grosso modo ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Im Landesgericht kommen etwa die Kanzleikräfte gar nicht nach, die Protokolle schnell fertigzustellen. Bei der Finanz wurden bei den Betriebsprüfungen 190 Planstellen eingespart, das ist ein Schwachsinn. Die Außenstände betragen 2,3 Milliarden Euro, sie müssen wir nur einbringen, haben aber keine Leute dafür.

Beim Heer gibt es genügend Personal. Wie sind Sie mit dem Reformplan zufrieden?

Was beim Bundesheer nach der Volksbefragung 2013 passiert, ist demokratiepolitisch abzulehnen. Das Ergebnis war allgemeine Wehrpflicht mit einer Milizkomponente. Nun wird dieser Volksentscheid finanziell ausgehungert.

Wer hungert sie aus?

Die Regierung. Vielleicht wollen manche ja solang reden, bis man sagt: Machen wir doch ein Berufsheer.

Was sind die Konsequenzen?

Als Gewerkschafter sage ich: Die Regierung muss über ein Konzept bald einig werden, auf dem Rücken der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen darf das nicht ausgehen. Das betrifft die Kürzung von Gehältern und ähnliches. Gegebenenfalls werden sie die GÖD (Gewerkschaft öffentlicher Dienst, Anm.). kennenlernen.

Kennenlernen bedeutet Protest.

Das sind 22.000 Mitarbeiter. Da gibt es sicher eine geeignete Solidaritätsaktion des gesamten öffentlichen Dienstes. So geht man mit den Bediensteten nicht um.

Zum Abschluss eine persönliche Frage: Bleiben Sie bis zum Ende der Amtsperiode 2016 Chef der Gewerkschaft öffentlicher Dienst?

Gesundheit vorausgesetzt – ja.

ZUR PERSON

Fritz Neugebauer (70) ist seit 1997 Chef der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD, vulgo Beamtengewerkschaft). Am 26./27. November wählen rund 232.000 Bundesbedienstete und Pflichtschullehrer ihre Personalvertreter neu. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2014)

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