Der bürgerliche Kampf um Wien

Manfred Juraczka
Manfred Juraczka(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Als Stadtpartei hat die traditionelle ÖVP in Wien keinen leichten Stand. Noch dazu, wo jetzt mit den Neos starke Konkurrenz droht. Wie stehen die Chancen der beiden Parteien?

Wann immer die Wiener SPÖ oder die Grünen auftreten, bekommt man derzeit den Eindruck, die Wienwahl stehe unmittelbar bevor: In der Verkehrs-, Wohn- und Bildungspolitik konkurrieren die beiden, als ob sie nicht in einer Koalition verbunden wären. Mit einem Wort: Es kriselt in der rot-grünen Stadtregierung. Wahlkampf führt aber auch schon längst die FPÖ – die am heutigen Sonntag ihren Landesparteitag abhält. Dauerthemen sind Ausländer und Islam in Wien.

Die bürgerliche Seite hält sich noch zurück und wartet offenbar auf den genauen Wahltermin (Anfang Oktober oder Mitte Juni), bis die Schlagzahl erhöht wird. Dabei geht es der Wiener ÖVP seit dem Antritt von Reinhold Mitterlehner als Bundesparteiobmann gar nicht so schlecht. Dessen steigende Umfrage-Werte färben auch auf Wien ab und bescheren der Stadtpartei ein kleines Plus verglichen mit noch vor einem Jahr. Derzeit sollen es 13 bis 14 Prozent sein. Das ist in etwa das gleiche Ergebnis wie bei der Wienwahl 2010. Nicht wirklich berauschend, aber für Parteichef Manfred Juraczka und seine Politik derzeit eine gute Ausgangslage.

Just in dem Augenblick bricht an einer Bezirksfront, in der Inneren Stadt, ein interner VP-Konflikt aus. Die streitbare Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel, Synonym für ein traditionelles Bild der ÖVP, soll sowohl in der Partei als auch an der Bezirksspitze dem jüngeren Markus Figl weichen. Sie will aber jetzt doch nicht und liebäugelt mit einer Gegenkandidatur auf einer eigenen Liste. Sie werde jeden Tag von vielen Leuten bestürmt, dies zu tun, lässt ihre Sprecherin verlauten.

Verjüngung geplant. In der Landespartei sieht man das mit Ärger: Eigentlich sei seit dem Frühjahr vereinbart gewesen, auch im Ersten zu verjüngen – so wie in Hietzing oder in der Josefstadt. Und plötzlich sei die Idee mit einer eigenen Liste lanciert worden, sagt ein VP-Politiker. „Das ist weder für sie noch für die Partei gut.“ Tatsächlich kann es in einem Wahljahr nur schaden, wenn immer wieder Berichte über eine zerstrittene Volkspartei erscheinen.

Gefahr droht der Stadt-ÖVP aber noch mehr von einer anderen Seite, den Neos, die oft auch als die jüngere ÖVP bezeichnet werden. Was an ähnlichen Schwerpunktthemen (Wirtschaft, Bildung) liegt, aber auch daran, dass ein Teil der Neos-Führung aus der ÖVP kommt. Dass die Neos-Bundespartei wegen ihrer Cannabis-Diskussion und ihres starken wirtschaftsliberalen Ansatzes (Zwölf-Stunden-Arbeitstag) zuletzt einiges an Glanz eingebüßt hat, wird zwar auch in den VP-Strategiezentren konstatiert, das könne sich bis zur Wahl ändern. „Wir fürchten sie nicht, aber wir unterschätzen sie auch nicht“, sagt VP-Klubchef Fritz Aichinger.

Von den Wiener Neos ist im Moment noch wenig zu hören. Das hat einen banalen Grund: Sie sind erst dabei, sich zu formieren. Erst vor wenigen Tagen wurde die neue Parteizentale in der Zollergasse bezogen, derzeit wird das Parteiprogramm für Wien ausformuliert, das Mitte Dezember beschlossen werden soll. Dann werden die Kandidaten für die Listen erstellt, Ende Februar soll das Landesteam feststehen, sagt Beate Meinl-Reisinger, derzeit Neos-Nationalratsabgeordnete und Wiener Landessprecherin.

Inhaltliche und strukturelle Debatten würden zu einem großen Teil online geführt, betont sie. Und das zeigt auch, wo sie ihre Klientel sucht: bei den Jungen, bei den Start-ups, auf den Unis; aber auch in den Jungfamilien oder bei jenen, die ohne große Bürokratie die Stadt mitbestimmen wollen. Was im Moment aber auch Plattform für so manche abstruse Idee sein kann.

Bei den Umfragewerten liegen die Neos deutlich hinter der VP: Acht Prozent werden den Pinken in Wien derzeit zugesprochen. Und auch beim Bekanntheitsgrad der Spitzenkandidaten müssen sie noch aufholen. Nur etwa 19 Prozent hat Meinl-Reisinger derzeit; ÖVP-Chef Juraczka kennen immerhin 57 Prozent. Das Rennen läuft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2014)

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