Sophie Karmasin: Feldforschung in New York

Karmasin: ´�sterreich zieht alleVorbehalte gegen Kinderrechtskonvention zur�ck´
Karmasin: ´�sterreich zieht alleVorbehalte gegen Kinderrechtskonvention zur�ck´(c) Shari Nijman (Shari Nijman)
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Auch wenn es im eigenen Land nicht immer umsetzbar ist, holt sich Ministerin Sophie Karmasin Inspiration im Ausland – diesmal in den USA.

New York. Es gibt Dinge, auf die kann man wohl nur in Amerika stolz sein. Zum Beispiel darauf, dass beim Schuleingang zwar Polizeibeamte stehen – aber keine Metalldetektoren. „Wir sind eine ruhige Einrichtung, wir brauchen das nicht“, erzählt Tisa Farley, Mitbegründerin und Leiterin der Midtown West School. Die meisten anderen Schulen in New York würden die strengen Sicherheitskontrollen benötigen – ihre Einrichtung sei eine Ausnahme.

Abseits der Sicherheitskontrollen gibt es aber auch andere Gründe dafür, dass das Institut in der Millionenstadt besonders sein soll. Auch aus europäischer Sicht. Daher legt Jugend- und Familienministerin Sophie Karmasin während ihres Besuchs in New York in der vergangenen Woche hier auch einen Zwischenstopp ein. Zuvor hat sie sich schon in Frankreich und Dänemark Vorzeigeprojekte angesehen.

Diesmal sind es die Vereinigten Staaten. Die Kinder an der Midtown West School sind so oft es geht im Viertel unterwegs. Das hat einerseits praktische Gründe: In der Millionenstadt herrscht chronischer Platzmangel, in den kleinen Räumen können sich die Vierjährigen nicht austoben. Andererseits steckt auch ein pädagogischer Zugang dahinter: Die Klassen sollen projektbezogen arbeiten.

Ein ganzes Jahr lang beschäftigen sich die Kinder zum Beispiel mit der Erforschung der eigenen Gesellschaft. Dazu besuchen sie das Zuhause jedes ihrer Kameraden. Sie sollen Fragen stellen und auf diese Weise lernen, welche Berufe es gibt oder wie unterschiedlich Familienkonstellationen sein können. Zum Schluss fassen sie ihre Erkenntnisse in einem (gezeichneten) Bericht zusammen.

Die Motivforscherin Karmasin ist begeistert: Der Zugang der Schule erinnere sie an ihre wissenschaftliche Arbeit. Die Kinder bräuchten keinen Frontalunterricht, sie würden durch Fragen und ihre Neugier lernen. Die Politikerin Karmasin ist da aber schon etwas gebremster: Sie habe sich das Modell jetzt einmal angeschaut. Auf Österreich lasse es sich aber nicht so schnell ummünzen, die Systeme seien einfach zu verschieden.

Ein Jahr Ministerin

Bald – im Dezember – ist es ein Jahr her, dass die 47-jährige Wienerin ihren Job als Motivforscherin aufgegeben hat und für die ÖVP in die Regierung eingezogen ist. „Früher wusste ich es besser. Heute versuche ich, es besser zu machen“, pflegt sie seitdem zu sagen. Einfach ist das aber nicht. Denn bisher hat sie politische Maßnahmen nur in homöopathischen Dosen gesetzt.

Das liegt aber nicht zwingend an Karmasin. Einerseits sind es die Ressorts Familie und Jugend, die ihr vergleichsweise wenig Macht und Gestaltungsspielraum verleihen. Andererseits ist es die ÖVP: Die gesellschaftlichen Forderungen Karmasins gingen der Partei oft zu weit. Zumindest war es so unter Michael Spindelegger. Mit Reinhold Mitterlehner als neuem ÖVP-Chef könnte die Position Karmasins gestärkt werden.

„Heftige Ohrfeigen“

Bis dahin konzentriert sich die Ministerin auf ihr selbst erklärtes politisches Ziel: „Österreich soll bis 2025 das familienfreundlichste Land Europas werden“, erklärt sie immer wieder. Wie dies genau funktionieren soll, steht noch nicht im Detail fest. Karmasin ist in der Vorgangsweise noch immer Forscherin. Zuerst wird Information gesammelt, ausgewertet – erst dann werden Maßnahmen vom Ergebnis abgeleitet.

In einem Teilbereich gibt es aber immerhin schon eine Studie: Die Gewalt gegenüber Kindern habe in den vergangenen drei Jahrzehnten abgenommen, dennoch berichtet heute immer noch jeder Fünfte in der Altersgruppe der 15- bis 29-Jährigen von „heftigen Ohrfeigen“ in der Kindheit. Und das, obwohl in Österreich bereits seit 25Jahren ein Gewaltverbot in der Erziehung herrscht.

Ein ähnliches Jubiläum feierte Karmasin auch im UNO-Gebäude in New York – nämlich das 25-jährige Bestehen der Kinderrechtskonvention. Nur drei UNO-Mitgliedsländer ratifizierten die Konvention nicht. Unter anderem die USA. In manchen Bereichen ist also doch Österreich ein Vorbild.


Compliance-Hinweis:

Die Journalistenreise erfolgte auf Einladung des Familienministeriums.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2014)

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