Fortpflanzungsgesetz: „Erster Schritt zum Designerbaby“

Peter Schipka und Christoph Schönborn
Peter Schipka und Christoph SchönbornWuthe/Kathpress
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Massiv wie selten fordern die Bischöfe von der Regierung die Rücknahme eines Vorhabens. Generalsekretär Schipka kritisiert im Interview besonders Justizminister und ÖVP.

Wien. Das Nein der Bischöfe könnte kaum deutlicher ausfallen. Am Montag, dem letzten Tag der zweiwöchigen Begutachtungsfrist für das Fortpflanzungsmedizingesetz, hat der Episkopat einen Einspruch formuliert, wie er nicht alle Tage vorkommt. Die Bischofskonferenz fordert in ihrer Stellungnahme, die der „Presse“ vorliegt, „dringend“, den Entwurf zurückzuziehen, der einem „ethischen Dammbruch“ gleichkomme.

Das Wohl des Kindes sollte in den Mittelpunkt gestellt werden. Oberste Maxime dürfe „nicht der Freiheitsrausch“ sein. Peter Schipka, Generalsekretär der Bischofskonferenz, am Montag im Gespräch mit der „Presse“: „Auch wenn es geleugnet wird, das ist ein erster Schritt zum Designerbaby.“

Die Frage, was der Entwurf für das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und Politik bedeute, beantwortet der Generalsekretär so: „„Der Schutz des ungeborenen Lebens wird weiter ausgehöhlt. Das ist eine weitere Wunde, was den Lebensschutz betrifft.“

Harte Kritik übt er auch am von der ÖVP in die Regierung entsendeten Justizminister Wolfgang Brandstetter. Interessantes Detail: Schipka wurde in seiner vortheologischen Zeit von Brandstetter als Assistent an das Strafrechtsinstitut der Universität Wien geholt. Und der heutige Justizminister war Erstbegutachter der Dissertation Schipkas. Der Bischofskonferenz-Generalsekretär: „Ich halte den Gesetzesentwurf für einen Kniefall des Justizministers vor der reproduktionsmedizinischen Lobby. Für die ist das auch ein gutes Geschäft.“ Er habe ein Gespräch mit dem Ressortchef geführt. Das Gesetz scheine aber auf Schiene. Die nächste Spitze Schipkas: „Gerade von jemandem, der aus der Wissenschaft kommt, würde ich erwarten, dass er Argumenten zugänglich ist.“ Ob er von der ÖVP, die sich als christlich-sozial definiert, enttäuscht ist? Schipka: „Ich stelle mir schon die Frage, ob das Parteiprogramm noch gilt.“ Und wie er die Frage beantwortet? „Man hat nicht den Eindruck, dass gelebt wird, wozu sich die ÖVP mit ihrem Grundsatzprogramm verpflichtet, zur uneingeschränkten Achtung vor dem menschlichen Leben – dem geborenen und dem ungeborenen.“ Ob diese Haltung dem Wunsch nach einer liberaleren Neuausrichtung der ÖVP unter Reinhold Mitterlehner geschuldet ist? Schipka: „Das lässt sich nicht ausschließen.“

Er selbst und alle Bischöfe wenden sich grundsätzlich gegen Präimplantationsdiagnostik. Dabei „geht es nur darum, Embryonen herzustellen, um sie dann zu töten, wenn sie genetisch nicht passen“. Und weiter: „Auch die Vorgangsweise (zwei Wochen Begutachtung; Anm.) ist zu kritisieren. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Demokratie und von Menschen, die sich für die menschliche Würde einsetzen.“ Es wäre gerade in einer so sensiblen Frage notwendig, dass das Thema breit in der Gesellschaft diskutiert wird.

„Recht auf Mutter und Vater“

Sowohl die Präimplantationsdiagnostik als auch die Eizellenspende durch Dritte und die Fremdsamenspende seien mit einem christlichen Menschenbild unvereinbar. Weshalb? Schipka: „Weil die genetische und die soziale Mutterschaft und Vaterschaft getrennt werden. Deswegen widersprechen Fremdsamenspende und Eizellenspende dem Kindeswohl. Außerdem hat das Kind ein Recht auf Vater und Mutter. Durch das Gesetz werden bloß Erwartungen von Erwachsenen erfüllt.“ Ein generelles Verbot der Fremdsamenspende sei möglich und würde die Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs erfüllen.

Das Fortpflanzungsmedizingesetz wurde Mitte November von SPÖ und ÖVP neu ausverhandelt – anlässlich eines Urteils des Verfassungsgerichtshofs. Eine Reihe bisheriger Verbote soll nun fallen: Lesbische Paare sollen sich künftig mittels Samenspende fortpflanzen können. Auch für heterosexuelle Paare soll bei der In-Vitro-Fertilisation (IVF) eine Samenspende Dritter– also nicht nur des Ehemanns oder Lebenspartners – zulässig sein. Außerdem soll auch die Eizellenspende erlaubt sein. Vermittlung und Kommerzialisierung werden verboten. Die Präimplantationsdiagnostik (PID) wird erstmals eingeschränkt ermöglicht. In zwei Fällen soll ein durch künstliche Befruchtung entstandener Embryo vor der Einpflanzung untersucht werden dürfen: Nach drei erfolglosen IVF-Versuchen oder drei Fehlgeburten soll auf Lebensfähigkeit untersucht werden dürfen. Auch zur Verhinderung schwerer, nicht behandelbarer Krankheiten soll die PID erlaubt werden – wenn das Risiko besteht, dass das Kind schwerste Hirnschäden, dauerhaft schwerste Schmerzen hätte oder nur mit intensiver Unterstützung überleben würde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2014)

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