Hohe Steuerquote sorgt für entspanntes Budget

Bernhard Felderer
Bernhard Felderer(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Trotz sich abkühlender Konjunkturlage sei die Beinahe-Erreichung eines strukturellen Nulldefizits ungefährdet, beruhigt der Fiskalrat. Grund dafür seien vornehmlich die Steuererhöhungen der jüngsten Zeit und die kalte Progression.

Wien. Gesenkte Konjunkturprognosen im Wochentakt, ein Rückgang im Weihnachtshandel, der auf eine aufkommende Konsumflaute hindeutet und eine Russland-Krise, die wichtige heimische Banken mit sich nach unten zieht: Auf den Bergen mag es derzeit viel zu warm sein, die wirtschaftliche Lage in Österreich hat sich zuletzt aber deutlich abgekühlt. Eine Situation, die auch in den Staatsfinanzen deutliche Spuren hinterlassen müsste, möchte man meinen.

Doch weit gefehlt. Bei der Präsentation der Budgetprognose für 2015 des Fiskalrats zeichnet dessen Präsident und ehemaliger IHS-Chef, Bernhard Felderer – der in der Vergangenheit vor drastischen Warnungen nicht zurückschreckte –, ein ungewohnt positives Bild. „Wir sind der Meinung, dass das mittelfristige Ziel eines beinahe ausgeglichenen strukturellen Budgetsaldos (minus 0,5 Prozent des BIPs, Anm.) schon 2015 möglich ist“, so Felderer. Die Staatsschuldenwächter sind damit sogar optimistischer als die für die Zahlen verantwortliche Politik. Denn das Finanzministerium rechnet noch mit einem strukturellen Minus – darin sind Einmaleffekte und die Wirkung von konjunkturellen Schwankungen nicht enthalten – von einem Prozent (siehe Grafik).

Ökonomen dürften Prognose halbieren

Und auch die erwartete Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage werde daran nichts ändern. Zwar hat der Fiskalrat bei seiner Prognose noch mit den Zahlen des Wifo aus dem September gerechnet, laut denen die heimische Volkswirtschaft heuer um 0,8 Prozent und 2015 um 1,2 Prozent wachsen sollte. Allgemein wird angenommen, dass die Ökonomen ihre Zahlen heute, Donnerstag, bei der neuesten Prognose etwa halbieren werden. Und wenn es der Wirtschaft schlechter geht, fallen einerseits die Steuereinnahmen und andererseits das BIP als Nenner bei der Angabe des Defizits geringer aus. Auf das heimische Budgetdefizit habe das jedoch eine Auswirkung von „maximal zwei Zehntelprozentpunkten“, so Felderer. Der Staat wird seinen Kurs also fortsetzen, durch den sich das strukturelle Minus von 3,2 Prozent im Jahr 2010 auf erwartete 0,7 Prozent heuer gesenkt hat.

Doch was ist der Grund für diese positive Veränderung? Die Antwort dazu findet sich in jenem Bericht, den der Fiskalrat bereits im Mai veröffentlichte. Darin wurden die Reformen der vergangenen Jahre auf ihre Wirkung hin untersucht. Das Ergebnis: Durch die vier Pakete, die zwischen 2011 und 2014 geschnürt wurden, ergab sich 2013 eine Verbesserung im Staatshaushalt von 5,6 Milliarden Euro (1,8 Prozent des BIPs), die heuer bereits auf 8,6 Milliarden (2,7 Prozent) steigen und ab 2017 sogar 13 Milliarden (3,6 Prozent) ausmachen soll.

(C) DiePresse

Entscheidend für diese Verbesserung durch die einst „Sparpaket“ titulierten Pakete waren aber weniger Einsparungen bei den staatlichen Ausgaben als vielmehr Steuererhöhungen. So schreibt der Fiskalrat: „Zu Beginn des Konsolidierungszeitraums tragen einnahmenseitige Maßnahmen zu rund zwei Dritteln [. . .] zum Gesamtkonsolidierungsvolumen bei.“ Rechnet man zu diesen Steuererhöhungen, die es etwa bei Normverbrauchsabgabe und Mineralölsteuer oder dem Verkauf von Grundstücken gegeben hat, noch die kalte Progression und die Zinsersparnis des Staates hinzu, dann „verteilen sich die Maßnahmen zu mehr als zwei Dritteln auf Einnahmen und zu weniger als einem Drittel auf Ausgaben“, so der Fiskalrat. Erst im Jahr 2018 werde sich dies durch längerfristige Maßnahmen etwa im Pensionsbereich circa 50:50 verteilen.

Bei Abgaben im EU-Spitzenfeld

Die heimische Abgabenquote, die laut EU-Kommission mit 45,2 Prozent im europäischen Spitzenfeld liegt, hat also zumindest den positiven Effekt, dass sich der Staat nicht mehr weiter strukturell verschuldet. Dass im gleichen Zeitraum die Staatsschulden dennoch sprunghaft von 82 Prozent des BIPs im Jahr 2010 auf 86 Prozent heuer angestiegen sind (siehe Grafik), hat vor allem mit Einmaleffekten zu tun. Wie mehrfach berichtet, verpflichtete die europäische Statistikbehörde Eurostat die Republik dazu, ausgelagerte Schulden (unter anderem ÖBB) in die Staatsverschuldung einzurechnen. Hinzu kamen die Kosten der Bankenhilfe. Diese trägt per Ende dieses Jahres 33,9 Milliarden Euro zum Schuldenstand von 285 Milliarden Euro bei. Rund 70 Prozent davon entfallen auf die Bad Bank der Hypo Alpe Adria. Der Rest auf die Bad Bank der Kommunalkredit und das Spitzeninstitut der Volksbanken ÖVAG.

Felderer erwartet jedoch, dass sich dieser Schuldenberg in den kommenden Jahren durch den Verkauf von Assets wieder deutlich reduzieren wird. Bei der Kommunalkredit könnte der Rest sogar „gegen null gehen“. Bei der Hypo werde einiges übrig bleiben. Wie viel, darüber hat der Fiskalrat jedoch keine Berechnungen angestellt.

Senken der Schulden dauert Jahrzehnte

Die Rückführung der gesamten Verschuldungsquote unter das Maastricht-Ziel von 60 Prozent des BIPs werde jedenfalls noch Jahrzehnte dauern, rechnet der Fiskalrat weiter vor. Selbst wenn das Defizit bei 0,5 Prozent gehalten wird und es ein nominelles Wachstum von drei Prozent gibt, würde dies bis 2030 dauern. Gibt es nur zwei Prozent Wachstum und das Defizit bleibt bei einem Prozent, können sich erst die Urenkel von Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner im Jahr 2078 darüber freuen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2014)

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