Flüchtlinge: Mikl-Leitner bittet Kirche um Hilfe

Archivbild: Innenministerin Johanna Mikl-Leitner
Archivbild: Innenministerin Johanna Mikl-LeitnerClemens Fabry / Die Presse
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"Appell an den Kardinal". Innenministerin Mikl-Leitner bittet Christoph Schönborn um mehr Kirchenquartiere für Flüchtlinge. Heereschef Gerald Klug soll weitere Kasernen anbieten.

Die Presse: Von Weihnachtsruhe und -frieden kann bei Ihnen keine Rede sein. Sie sind mit der Unterbringung der Asylwerber bis zum Heiligen Abend und darüber hinaus beschäftigt.

Johanna Mikl-Leitner: Einer meiner großen Wünsche ist, über Weihnachten und Neujahr alle Kriegsflüchtlinge so unterzubringen, sodass kein einziger auf der Straße stehen muss.

Weihnachten ist bald: Wird das gelingen?

Ich hoffe, wir schaffen es den Bundesländern mit Kasernen zu helfen. Wir haben bis Jahresende einen Bedarf von 1500 Betreuungsplätzen, bis Mitte Jänner 2015 von etwa 2500. Es muss alle Kraft verwendet werden, damit diese Plätze zur Verfügung stehen.

Rund tausend Plätze werden noch gesucht, nachdem nunmehr die Martinek-Kaserne in Baden nicht mehr in Frage kommt.

Ich hoffe, es werden noch Alternativen vom Verteidigungsressort angeboten.

Also weitere Kasernen neben jenen in Salzburg, Freistadt und Klosterneuburg?

Die Kapazität von 900 oder 1000 Plätzen ist nach dem Ausscheiden der Martinek-Kaserne in Baden wieder offen, damit wir Zelte abwenden können. Ich hoffe dabei auch noch auf Signale der Kirche, um auch Pfarrhöfe, Klöster und Stifte für die Unterbringung von Kriegsflüchtlingen nützen können.

Wie viele Flüchtlinge sind derzeit in kirchlichen Quartieren untergebracht?

Was Pfarrhöfe, Klöster und Stifte betrifft, gibt es leider nur ganz seltene, dafür umso erfreulichere Ausnahmen.

Aus der Bevölkerung kommt da und dort die Frage, warum nicht mehr Flüchtlinge in ohnehin teils leerstehende Klöster und ähnliche Einrichtungen kommen.

Wenn ich unterwegs bin – egal in welchem Bundesland–, werde ich immer wieder darauf angesprochen, dass Pfarrhöfe leer stehen. Viele verstehen nicht, warum dort keine Kriegsflüchtlinge untergebracht werden können. Dazu muss man schon sagen, dass die Kirche nicht für die Quartiernot verantwortlich ist. Aber ich hoffe hier dennoch noch auf Signale.

De facto ist das auch ein Aufruf an den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Kardinal Christoph Schönborn, selbst.

Ja, es ist ein Appell, aber vor allem eine Bitte an den Kardinal und an die Bischofskonferenz, noch einmal zu schauen, ob es nicht doch noch Möglichkeiten gibt.

Zurück zu den Kasernen. In die Magdeburg-Kaserne in Ihrer Heimatstadt Klosterneuburg sollen zusätzliche Flüchtlinge kommen. Klosterneuburg bekommt damit für den gezeigten guten Willen jetzt mehr Asylwerber.

Ich sage dem Bürgermeister herzlich Danke für die Solidarität, die er gezeigt hat. Das ist ein Vorbild für viele andere Bürgermeister. Und ich verstehe natürlich sein Unverständnis darüber, dass Klosterneuburg weitere Flüchtlinge aufnehmen soll, wenn andere Städte, wo es auch Kasernen gibt, nicht einmal gefragt werden. Ich hoffe noch auf Alternativen. Aber bevor Zeltstädte aufgebaut werden, müssen wir Klosterneuburg als Alternative nehmen und dort mehr Flüchtlinge unterbringen.

Mit wie vielen Zelten haben Sie vorgesorgt?

Wir haben im Innenministerium keine Zelte. Da sind wir im engen Gespräch mit dem Roten Kreuz.

Wie viele wären das?

Das liegt auf der Hand. Wir brauchen bis Ende des Jahres 1500, bis Mitte Jänner 2500 Betreuungsplätze.

Wo würden diese Zelte aufgestellt werden?

Auf großen Plätzen, wie zum Beispiel auf Polizeisportplätzen. Aber ich hoffe wirklich, dass wir Zeltstädte verhindern können. Das kann es nicht sein.

Mit Jahresbeginn 2015 übernimmt Ihr politischer Mentor, Niederösterreichs Landeschef Erwin Pröll, den Vorsitz in der Konferenz der Landeshauptleute. Rechnen Sie damit, dass Pröll seine Kollegen dazu bewegen kann, endlich alle ihr Pflichten zu erfüllen.

Alle Landeshauptleute haben signalisiert, die unwürdige Herbergsuche hinter sich lassen zu wollen. Sonst hätten sie der neuen Grundversorgung ab Juli kommenden Jahres nicht zugestimmt. Das Innenministerium hat ein neues System mit einem Automatismus vorgeschlagen, der garantiert, dass in Zukunft alle Bundesländer die 100-Prozent-Quote bei Flüchtlingsquartieren erfüllen.

Das kommt allerdings zu spät.

Das gilt mit 1. Juli 2015. Zusätzlich gibt es das Versprechen aller Bundesländer, bis Ende Jänner 2015 die 100-Prozent-Quote einzuhalten.

Wird das funktionieren, obwohl Wien angekündigt hat, 650 Flüchtlinge, die in Erdberg und in der alten Wirtschaftsuni beherbergt werden, müssen Ende Jänner raus.

Ich gehe davon aus, dass das Wort der Landeshauptleute etwas zählt.

Erwarten Sie noch Widerstand gegen Ihr neues System?

Alle haben dem Modell zugestimmt: das heißt Automatismus; 100-Prozent-Quote und Verteilerquartiere, um die Aufteilung der Flüchtlinge auf Privatquartiere vornehmen zu können. Dadurch können wir noch schnellere Verfahren garantieren.

Es stellt sich die Frage, ob in den Ländern genügend Dolmetscher und andere Betreuungspersonen zur Verfügung stehen?

Wir haben in jedem Land die fremden- und asylrechtlichen Kompetenzen mit den Regionaldirektionen vor Ort.

Es gibt die Forderung zur Erhöhung der Tagsätze von 19 Euro für Quartiergeber. Wird dieses ab Juli ebenfalls erhöht?

Wir haben ab dem Jahr 2016 eine kleine Erhöhung von 19 auf 20,50 Euro zugesagt. Aber es hat noch nie am Geld gemangelt, wenn es um die Unterbringung von Kriegsflüchtlingen geht. Es ist immer nur am Willen und am Wollen gescheitert und am Widerstand einzelner Bürgermeister.

Die meisten der mehr als 2000 Bürgermeister gehören Ihrer Partei, der ÖVP, an.

Gerade in diesem Bereich spielt die politische Zugehörigkeit keine Rolle. Da gibt es immer wieder Widerstand. Aber ich muss fairerweise sagen, dass immer mehr Bürgermeister bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen. Dafür ist ein großes Dankeschön angebracht, diese Frauen und Männer sind ein Vorbild für die anderen.

Auf europäischer Ebene läuft die Herbergssuche für Flüchtlinge nach wie vor.

Wir haben eine Schieflage auf EU-Ebene: zehn Mitgliedstaaten erledigen 90 Prozent aller Asylanträge. Aber es gibt einen großen Fortschritt. So weit waren wir noch nie. Wir haben unser Save-life-Projekt vorgestellt, dass vom EU-Kommissar gelobt worden ist. Jetzt wird ein Pilotprojekt eingeleitet. Damit werden Flüchtlinge mittels Quote auf alle 28 EU-Staaten aufgeteilt, was zur Entlastung Österreichs führen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21. Dezember 2014)

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