Krise: Und die SPÖ kommt nicht zur Ruhe

Bleibt auf der roten Ersatzbank für das Kanzleramt – vorerst zumindest: ÖBB-Chef Christian Kern.
Bleibt auf der roten Ersatzbank für das Kanzleramt – vorerst zumindest: ÖBB-Chef Christian Kern.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Ablösegerüchte um Werner Faymann verhallen nicht. Parteifreunde denken bereits laut über Alternativen nach. Doch bis zum Steuerreform-Entscheid bleibt der Kanzler jedenfalls im Amt.

Wien. Christian Kern hielt sich lieber zurück. Kein Kommentar zu Nationalratspräsidentin Doris Bures, die ihm die Befähigung zum Kanzler abgesprochen hatte. Und auch kein Wort darüber, ob er grundsätzlich Interesse an diesem Job hätte. Er beteilige sich nicht an den Spekulationen, sagte Kern am Montag. Nur so viel: „Chef der ÖBB zu sein ist eine der interessantesten und spannendsten Aufgaben in Österreich.“

Doch die Debatte um den angezählten Werner Faymann, der beim SPÖ-Parteitag im November von 16 Prozent der Delegierten gestrichen wurde, war damit nicht beendet. Ganz und gar nicht. Im Burgenland etwa meldete sich Soziallandesrat Peter Rezar zu Wort und erklärte – anders als Bures – den ÖBB-Direktor sehr wohl für kanzlertauglich.

Eine subtile Botschaft war das insofern nicht, als Rezar dem SPÖ-Chef sogleich ein Ultimatum stellte: Faymanns Zukunft sei von den anstehenden Entscheidungen abhängig. Gelinge die Steuerreform, sitze er „fest im Sattel“. Andernfalls müsse die SPÖ ihre Situation überdenken – auch personell. Im Übrigen wäre Kern nicht der erste Manager, der in die Regierung wechsle, sagte der Landesrat. Das habe in Österreich Tradition. Siehe Franz Vranitzky. Oder Viktor Klima. Beide brachten es bis zum Kanzler.

Niessl pfeift Rezar zurück

Sein Vorgesetzter war mäßig erfreut. „Rezar spricht für Rezar“, hieß es aus dem Büro von Landeshauptmann Hans Niessl. Die SPÖ Burgenland vertrete hier eine andere Linie: Scheitere die Steuerreform, sei die Koalition mit der ÖVP nicht mehr sinnvoll. Aber der Kanzler stehe derzeit nicht zur Debatte.

Niessls Darstellung dürfte der Wahrheit am nächsten kommen. Also der Vorgangsweise, auf die sich die mächtigen Sozialdemokraten, vom Wiener Bürgermeister, Michael Häupl, abwärts, verständigt haben. Dem Vernehmen nach will man zunächst den 17. März abwarten, den Tag, an dem die Regierung ihr Steuerreformkonzept vorstellen will.

Setzt sich die SPÖ mit ihren Forderungen – Steuerentlastung für Arbeitnehmer, Gegenfinanzierung durch Vermögensteuern – durch, darf Faymann bleiben. Kommt es zu keiner Einigung mit der ÖVP, wird man wohl eine Neuwahl riskieren. Denn ohne Steuerreform rechnen sich die Sozialdemokraten bei den Landtagswahlen 2015 – Wien, Burgenland, Oberösterreich, Steiermark – kaum Chancen aus.

Die Frage ist, ob der SPÖ-Spitzenkandidat bei einer vorgezogenen Nationalratswahl erneut Werner Faymann heißen würde. Oder Christian Kern. Oder doch Rudolf Hundstorfer. So weit wolle man im Moment nicht vorausdenken, war am Montag der Tenor in der SPÖ.
Stattdessen wunderten sich große Teile der Partei über Bures. Was habe sich die Nationalratspräsidentin eigentlich dabei gedacht, als sie Kern das Zeug zum Regierungschef abgesprochen hat? Wenn sie Faymann damit helfen wollte, ging der Plan gehörig schief. Denn Bures hat die Ablösegerüchte erst recht befeuert. Und ganz nebenbei einen der wenigen Manager aus dem SPÖ-Lager diskreditiert.

Franz Vranitzky, vor seiner politischen Karriere Direktor der Länderbank, ließ seinem Ärger freien Lauf: „Ich habe kein Disqualifizierungselement darin gesehen, wenn jemand vor seiner Tätigkeit in einem verantwortungsvollen Beruf stand.“ Mit dieser Ansicht sei er in der SPÖ früher nicht allein gewesen, sagte Vranitzky dem „Kurier“.

Mitterlehner: Auch mit Kern

Zu allem Überdruss mischte sich auch noch der Koalitionspartner in die Debatte ein. Er glaube nicht, dass ein Wechsel an der SPÖ-Spitze zum Koalitionsende führen würde, sagte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner den „Oberösterreichischen Nachrichten“: „Nach ein paar Wochen würde sich das einpendeln.“

Die Frage, ob Kern das Zeug zum Kanzler habe, wollte Mitterlehner nicht beantworten: „Jede Regierungspartei hat das Recht auf Änderungen.“ Als ÖVP-Obmann weiß er immerhin, wovon er spricht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2014)

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