SPÖ-Turbulenzen: Christian Kern in den Spuren des Kanzlers

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Werner Faymanns Sozialdemokraten starten ganz in der Defensive ins neue Jahr. ÖBB-Chef Christian Kern, als künftiger SPÖ-Obmann gehandelt, wählt hingegen dieselbe Medienstrategie, die man von Faymann gewohnt ist.

Wien. Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann wird es ebenfalls registriert haben: Auch wenn Nationalratspräsidentin Doris Bures ÖBB-Generaldirektor Christian Kern vor den Weihnachtsfeiertagen abgesprochen hat, für die Politik geeignet zu sein, manches beherrscht der ÖBB-Chef ganz in der Manier des Bundeskanzlers.

So fiel auf, dass Kern ausgerechnet das Boulevardblatt „Österreich“ am Weihnachtstag nützte, um Ambitionen auf den Posten des Regierungschefs in Abrede zu stellen („Es ist mir ein großes Anliegen, diese völlig absurde Diskussion zu beenden. Es gibt für diese Spekulationen keinerlei Anlass, und sie entbehren jeder Grundlage! Ich habe keinerlei Ambition, politisch tätig zu sein!“). Nun warben Kerns Bundesbahnen aber am gestrigen Sonntag mit einer entgeltlichen Einschaltung auf einer Doppelseite dieser Postille für den „Fahrplan ins neue Jahr“.

Warum das bemerkenswert ist? Nach dem verbalen Eigentor von Bures, mit dem die Faymann-Getreue aus Wien-Liesing eigentlich dem SPÖ-Vorsitzenden (der Ende November nur mit mageren knapp 84 Prozent wiedergewählt worden war) versicherte, die Frage nach einem Führungswechsel stelle sich nicht, bemühten sich wohl sämtliche Medien, darunter auch „Die Presse“, um eine persönliche Stellungnahme Kerns. Der ÖBB-Chef zierte sich zuerst, um nicht zusätzlich die Personaldebatte in der SPÖ um Faymann anzuheizen. Dann verkündete der ÖBB-Generaldirektor gegenüber der Austria Presseagentur, wie gern er weiter seinen wichtigen Job an der Spitze der Bundesbahnen ausübe.

Absage via Boulevard

In „Österreich“ ließ sich Kern dann mit einer noch klareren Absage an einen Wechsel Richtung Politik und Kanzleramt zitieren, weshalb seine Aussagen dann in den innenpolitisch nachrichtenarmen Weihnachtstagen auch im ORF-Teletext ihren Niederschlag fanden. Kern wählte damit für die Bekräftigung seines Dementis jenen publizistischen Weg, den auch Bundeskanzler Faymann besonders häufig beschreitet. Während der Regierungs- und SPÖ-Chef Interviewanfragen von Qualitätszeitungen oft auf die lange Bank schiebt und damit unbequemen Fragen aus dem Weg geht, findet er für „Österreich“ (neben der „Kronen Zeitung“ ) hingegen auffällig häufig Zeit für Interviews. Das Kanzleramt begründet dies üblicherweise damit, dass eben über die Boulevardmedien mehr Leser zu erreichen seien.

Faymanns Defensivstrategie

Die SPÖ schleppt aber nicht nur die intern zumindest geführte Diskussion mit, wie lange man mit Faymann an der Spitze tatsächlich als Partei noch am besten dran ist. Es bleibt auch vonseiten der Parteispitze zum Beginn des neuen Jahres bei der Defensivstrategie nach außen. Sich voll darauf zu konzentrieren, die roten Funktionäre und die Basis bei der Stange zu halten, hat Faymann trotz intensiven zeitlichen Einsatzes aber schon beim SPÖ-Bundesparteitag nicht den von ihm erhofften Erfolg gebracht.

Die Kanzlerpartei verzichtet heuer auch im Gegensatz zum Koalitionspartner ÖVP und zur Opposition auf eine große Klausur des SPÖ-Parlamentsklubs zum Start in das heurige Superwahljahr. Im Vorjahr war der damalige Ausflug ins Burgenland von den verunglückten Aussagen des SPÖ-Spitzenkandidaten Eugen Freund im EU-Wahlkampf über die Höhe eines Arbeitereinkommens überschattet. Auf die früher traditionelle SPÖ-Neujahrskonferenz pfeift die Kanzlerpartei schon länger. Auf dieses Rezept hat die ÖVP, um Personaldebatten aus dem Weg zu gehen, noch zu Zeiten von Parteiobmann Wolfgang Schüssel gesetzt: Dem fiel das traditionsreiche ÖVP-Dreikönigstreffen zum Opfer.

Faymann gönnt sich auch als Regierungschef nach Weihnachten noch eine verlängerte Pause. Während sonst nach einem Feiertag am Dienstag der Ministerrat üblicherweise am Mittwoch tagt, ist das nach dem heurigen Dreikönigstag anders. Die erste reguläre Sitzung der rot-schwarzen Bundesregierung im Jahr 2015 ist erst für kommende Woche vorgesehen.

Darüber hinaus ist die SPÖ gegenüber dem Koalitionspartner ÖVP unter dem neuen Parteiobmann Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bei der Programmdebatte öffentlich völlig ins Hintertreffen geraten. Diskussionsabende im Rahmen des als Evolution vermarkteten neuen ÖVP-Programms, das heuer im Frühjahr beschlossen wird, fanden seit Mitterlehners Amtsübernahme Ende August immer wieder unregelmäßig Niederschlag in Medien.

Funkstille zu SPÖ-Programm

In der SPÖ sind die Veteranen um Ex-Klubobmann Josef Cap und Pensionistenpräsident Karl Blecha gemeinsam mit Jungen wie Ex-Juso-Chef Wolfgang Moitzi und seiner Nachfolgerin, der scharfen Faymann-Kritikerin Julia Herr, zwar für die Arbeit an einem neuen SPÖ-Parteiprogramm eingeteilt. Nach außen hin herrscht allerdings weitgehend Funkstille, sieht man davon ab, dass sich manche SPÖ-Politiker, wie Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos oder Klubobmann Andreas Schieder, zu Fragen zur roten Neupositionierung äußern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2015)

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