Das Doppelleben des Helmut Zilk alias "Holec"

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Die Beweise sind erdrückend: Der Wiener Altbürgermeister war in den 60ern wohl ein Spion für die CSSR. Zwischen 1965 und 1968 soll er innenpolitische Details ausgeplaudert haben.

Kurt Scholz kann und will es nicht glauben. „Und was mich wirklich anwidert, ist diese Methode, über einen Toten herzuziehen, der sich nicht mehr wehren kann.“ Scholz war einer der engsten Freunde von Helmut Zilk, er diente ihm als Stadtschulratspräsident, als dieser Bürgermeister war. „Das Auftauchen von Akten sagt noch lange nichts über den Wahrheitsgehalt der Akten aus“, meint Scholz. In seinem Beisein habe Leonard Bernstein Helmut Zilk einst erzählt, welch Unfug in den Archiven des FBI über ihn, den gefeierten Dirigenten, lagere. „Zilk war ein untadeliger Patriot“, sagt Scholz. Dass er für die Kommunisten spioniert habe, könne er sich nicht vorstellen. „Ich habe selbst miterlebt, wie er sich mit den Dissidenten in Prag getroffen und ihnen geholfen hat.“

Doch die Beweislast ist erdrückend. Schon zu Lebzeiten war Zilk nachgesagt worden, er habe für den tschechoslowakischen Geheimdienst spioniert. Zilk dementierte stets aufs Heftigste. Bei der Trauerfeier für den im Vorjahr Verstorbenen im Wiener Stephansdom entschuldigte sich der frühere tschechische Staatspräsident Vaclav Havel sogar dafür, ihm deswegen einen hohen Orden vorenthalten zu haben.

Doch die Gerüchte dürften stimmen. Als Erster bekam nun ein Redakteur der tschechischen Zeitung „Mlada fronta dnes“ die Akte Zilk zu Gesicht, in der Vorwoche berichtete „Der Spiegel“ („Böhmisches Glas“) darüber in einer größeren Kurzmeldung. Am Wochenende brachte „profil“ dann die Details aus Zilks Vergangenheit als Spion.

Bargeld und Luster

Zwischen Dezember 1965 und Juni 1968 hatte der damalige TV-Direktor des ORF Informationen über Österreichs Innenpolitik und seine Partei, die SPÖ, an die Staatssicherheit der CSSR geliefert – unter dem Decknamen „Holec“. Zilk traf sich, wie die im „profil“ faksimilierten Unterlagen zeigen, immer wieder mit seinem Verbindungsmann des Geheimdiensts StB. Für seine Dienste entschädigt wurde Zilk mit Bargeld (rund 55.000Schilling und 13.000 Kronen) und durch Sachgeschenke wie einem Glasluster aus Böhmen.

Zilks Motive? Höchstwahrscheinlich Geld. Wichtigtuerei. Und der naive Glaube, den Reformprozess in Osteuropa mitvorantreiben zu können. Die Informationen, die Zilk aus Wien nach Prag lieferte, waren allerdings nicht sonderlich brisant. Die Tschechoslowaken erfuhren, wie weit der Entscheidungsfindungsprozess in der SPÖ zum Thema „Annäherung an die EWG“ gediehen sei, wie die Ostpolitik der ÖVP-Alleinregierung Klaus aussehen werde und dass Bruno Kreisky, der neue SPÖ-Vorsitzende, ihn, Zilk, nicht leiden konnte.

1968 endete Zilks mutmaßliche Tätigkeit für den tschechoslowakischen Geheimdienst. Nach dem Ende des Prager Frühlings hatte er Angst aufzufliegen. Im „Spiegel“ wird sogar die Vermutung geäußert, Zilk sei damals bereits unter dem Schutz der CIA gestanden. War der spätere Wiener Bürgermeister gar ein Doppelagent?

„Kein Kommunistenfreund“

„Zilk hat sich jedenfalls nie wie ein Kommunistenfreund verhalten“, erinnert sich Kurt Scholz. Und wieso haben die Geheimdienstagenten dann penibel Buch geführt über ihre Treffen mit Zilk? „Helmut Zilk hat als TV-Direktor immer wieder Sendungen über die CSSR gemacht, auch Karel Gott hat er eingeladen. Da gab es eben berufliche Kontakte, die nun gegen ihn verwendet werden“, glaubt Scholz. Der Grund dafür sei wohl in der aktuellen tschechischen Innenpolitik zu suchen.

Auch für den ehemaligen ORF-Generalintendanten Gerd Bacher, einst Zilks Mentor im Rundfunk, ist es „unvorstellbar“, dass die Vorwürfe stimmen: „Die Lächerlichkeit der Geldbeträge, der Unwert der gelieferten Ware – das ist doch grotesk.“ Allerdings, so räumt Bacher ein, könne man die nun veröffentlichten Belege auch nicht so einfach als Fälschung abtun.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2009)

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