Kultusgemeinde: "Jüdische Opfer vergessen"

Kanzler Faymann beim Gedenken an die Opfer der Paris-Anschläge
Kanzler Faymann beim Gedenken an die Opfer der Paris-AnschlägeAPA/HERBERT NEUBAUER
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Die Israelitische Kultusgemeinde kritisiert die Regierung: Bei der Wiener Gedenkkundgebung für die Pariser Opfer seien alle "Charlie" gewesen, aber keiner Jude. VP-Chef Mitterlehner weist die Kritik zurück.

Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) kritisiert das Vorgehen der Regierung bei der Gedenkkundgebung für die Opfer der Terrorattacken in Paris. Es erfülle die Gemeinschaft "mit Befremden und Trauer", dass "vergessen wurde, das Wort 'jüdische Opfer' auch nur ein einziges Mal zu erwähnen", schreibt IKG-Präsident Oskar Deutsch am Montag in einer Aussendung.

Die vier Terroropfer im jüdischen Supermarkt seien nicht "als Angehörige verschiedener Religionen, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren" gestorben, wie es die Regierung betont hatte - "sondern weil sie am Freitagnachmittag für den kommenden Sabbath Einkäufe tätigten", betont Deutsch. "Sie starben weil sie Juden waren."

"Alle sind Charlie, keiner ist Jude"

"Alle sind Charlie, keiner ist Jude", wird in dem offenen Brief kritisiert. In Frankreich seien eindeutige Erklärungen der Politik und Zivilgesellschaft erfolgt. "Die jüdische Gemeinde stellt sich die Frage, wieso es in Österreich bei einer so wesentlichen Veranstaltung, die wir vollinhaltlich mit unserer Teilnahme als Veranstalter unterstützt haben, nicht möglich ist, eine klare Aussage und Solidarität der Bundesregierung zu erhalten."

Nach den Anschlägen in Toulouse und Brüssel mit jeweils vier Toten sei dies der dritte Terroranschlag islamistischer Fanatiker gegen eine jüdische Einrichtung in Europa gewesen. "Die jüdische Gemeinde fragt sich, warum es so schwer erscheint, der jüdischen Menschen zu gedenken und diese auch beim Namen zu nennen, damit sie niemals vergessen werden. Sie waren Bürger Europas, die wegen ihrer Religion hingerichtet wurden", heiß es in dem Schreiben.

An der Gedenkveranstaltung am Wiener Ballhausplatz "Gemeinsam gegen den Terror" am Sonntag hatten über 10.000 Menschen teilgenommen.

Mitterlehner weist Kritik zurück

VP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner wies die IKG-Kritik zurück: "Ich glaube, es war die richtige Vorgangsweise und die richtige Tonalität und das richtige Wording." Man habe mit den Verantwortlichen vorher und nachher diese Frage diskutiert, betonte der VP-Chef.

Es sei keine Absicht gewesen, aber wäre aus seiner Sicht auch "nicht sinnvoll" gewesen, nach Religion oder sonstigen Zugehörigkeiten zu differenzieren. "Wir haben im besten Wissen und Gewissen pauschal aller Opfer gedacht", so Mitterlehner.

Jüdische Opfer werden in Jerusalem beigesetzt

Die vier jüdischen Opfer werden am Dienstag in Jerusalem beigesetzt. Die Begräbniszeremonie ist am Mittag auf dem Givat-Schaul-Friedhof am Eingang der Stadt geplant. Die Särge mit den sterblichen Überresten sowie die Angehörigen werden am Dienstagmorgen in Israel erwartet. Ein islamistischer Attentäter hatte die vier Männer im Alter von 21 bis 60 Jahren am Freitag in einem Geschäft am östlichen Stadtrand von Paris getötet.

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