Wirtschaftskammer: Kammerwahl erhöht Reformstau

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Von den Pensionen über das Vergabegesetz bis zum Rauchverbot in den Lokalen: Bis zur WKO-Wahl Ende Februar sind für Unternehmen heikle Neuerungen aufgeschoben.

Wien/Linz. Finanzminister Hans Jörg Schelling kam mit der Zusage, dass Unternehmen bei der Steuerreform im Ausmaß von 800 Millionen Euro entlastet werden sollen. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der im Dezember 2008 aus der Wirtschaftskammer in die Bundesregierung gewechselt war, versprach, sich noch stärker für den Abbau der Bürokratie einzusetzen.

Beide ÖVP-Spitzenpolitiker waren am Montagabend nach der Klausur des schwarzen Parlamentsklubs im steirischen Pöllauberg zum Wahlauftakt des ÖVP-Wirtschaftsbundes in Wien in die Stadthalle gekommen. Die schwarzen Wirtschaftsvertreter mit ihrem seit 15 Jahren amtierenden Kammerpräsidenten Christoph Leitl verteidigen Ende Februar (siehe Grafik) bei den Kammerwahlen eine satte Zweidrittelmehrheit.

Das Superwahljahr 2015 mit einer Serie von Gemeinderats- und Landtagswahlen wirft längst seine Schatten voraus. Mitterlehner hat gerade bei der ÖVP-Klubklausur Reformen das Wort geredet. Aber selbst die Wirtschaftskammerwahlen sorgen dafür, dass Reformprojekte der rot-schwarzen Bundesregierung aufgeschoben werden. Das wird mit hörbarem Zähneknirschen in der Koalition verfolgt.

Schließlich wird in Koalitionskreisen darauf hingewiesen, gerade Wirtschaftsvertreter würden öffentlich nie müde, von der Regierung mehr Tempo bei Reformen zu verlangen. Wenn es um unangenehme Vorhaben für Unternehmen geht, sperrten sich deren Vertreter jedoch selbst gegen Änderungen.

►Pensionen: ÖVP-Wirtschaftsbündler machen Druck für weitere Reformen der Altersversorgung, weil die Milliardenzuschüsse aus dem Budget ständig steigen. Erst am Montag wurde von ihnen bezweifelt, dass die von SPÖ und ÖVP beschlossenen Verschärfungen etwa bei den Invaliditätspensionen seit Anfang 2014 ausreichen, um die Finanzierung sicherzustellen.

Während die Zahl der Arbeitslosen über 50 Jahre stärker steigt als die durchschnittliche Arbeitslosenrate, drängt Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) mit Mitterlehner (ÖVP) schon seit Monaten auf ein Maßnahmenpaket der Sozialpartner. Inklusive einer Lösung für das umstrittene Bonus-Malus-System. Dieses soll Unternehmen entlasten, die mehr Ältere über 50 Jahren beschäftigen als im Bundesschnitt. Umgekehrt würden Firmen finanziell mit einem Malus bestraft, wenn ältere Mitarbeiter hinausgeworfen worden und deren Anteil unterdurchschnittlich hoch ist. Der Haken dabei: Die Sozialpartner haben sich bisher nicht geeinigt, weil es von Unternehmerseite gegen einen Malus massiven Widerstand gibt. Daran haben sich Hundstorfer sowie die Verhandler von Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammer die Zähne ausgebissen. Vor der Wirtschaftskammerwahl sei da nichts zu machen, wird beklagt.

►Vergabegesetz: Seit Monaten sind Vertreter der Wirtschaftskammer um Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel und der Gewerkschaft mit dem Bau-Holz-Vorsitzenden Josef Muchitsch (SPÖ), intensiv um eine Neuregelung bemüht. Hauptziel der Aktion ist, dass statt dem Billigstbieterprinzip bei Vergaben der öffentlichen Hand das Bestbieterprinzip zur Anwendung kommt. Dann würden neben dem niedrigen Preis, der hauptentscheidend bleibt, andere Kriterien berücksichtigt, wie die Zahl der ausgebildeten Lehrlinge oder die Zahl der beschäftigten älteren Mitarbeiter. Noch vor Weihnachten zeigten sich die Verhandler zuversichtlich, dass bald nach Jahresbeginn 2015 die Details geklärt sein werden und der entsprechende Gesetzesentwurf in Begutachtung gehen kann.

Nicht einmal ein Monat später wachsen die Zweifel, ob eine Einigung so rasch zustande kommt. In diesem Fall wird ebenfalls der hinhaltende Widerstand nicht in der Bauinnung, sondern übergeordnet in der Wirtschaftskammer für weitere Verzögerungen verantwortlich gemacht. Als Grund gilt die Kammerwahl Ende Februar.

►Rauchverbot: Vizekanzler Wirtschaftsminister Mitterlehner drückt seit Anfang Jänner zur Verblüffung vieler bei der Umsetzung eines generellen Rauchverbots in Lokalen stark aufs Tempo. Es ist zwar nun die Umsetzung noch heuer vor dem heurigen Sommer fix vorgesehen, aber jedenfalls erst nach der Kammerwahl.

Vor den Wiener Wirtschaftstreibenden warb Mitterlehner nun dafür um Verständnis, weil er das geltende – von ihm im Parlament mitbeschlossene – Gesetz für die „schlampigste Regelung“ halte. Zugleich bekräftigte er sein Versprechen, es werde an einer Abgeltung für die erfolgten Umbauten der Lokalbetreiber gearbeitet. Was er nicht sagt: Zahlen dürfen das die Steuerzahler.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2015)

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