Mietrecht: Was die Reform bringen muss

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Zersplittert, schwer zu verstehen, Wohnungssuchenden nicht hilfreich: Das Mietrechtsgesetz gehört erneuert. Bevor ab dieser Woche die Koalition verhandelt, diskutierten Experten über mögliche Lösungen.

Wien. Es wird ernst: Ab dieser Woche verhandelt die Koalition über das Mietrecht. Einen Vorgeschmack auf die zu lösenden Probleme bot vorige Woche das „Rechtspanorama am Juridicum“. Dabei zeigte sich zweierlei: erstens, dass eine Reform dringend nötig ist. Und zweitens, dass die Einigung wegen der großen ideologischen Unterschiede nicht einfach werden wird.

Es sei momentan wahrhaftig „kein lustvolles Erlebnis“, das Mietrecht zu lesen. Ja, es zähle im Zivilrechtsbereich sogar „zu den legistisch schlechtesten Gesetzen“. So charakterisiert Martin Schauer, Professor für Zivilrecht an der Uni Wien, die rechtliche Situation. Auch die Politik und Experten aus der Praxis wissen das und wollen Änderungen. Doch welche, darüber gingen die Meinungen bei der Diskussion weit auseinander.

Dabei könne man schon manchmal „lustvolle Erlebnisse“ mit dem Mietrecht haben, meinte Walter Rosifka, Wohnrechtsspezialist in der Arbeiterkammer Wien. „Dann, wenn man wieder einmal ein Problem gelöst hat.“ So einfach sei das nämlich beileibe nicht. Die verschiedensten Paragrafen könnten zur Anwendung kommen. Je nachdem, wann vermietet wurde und um welche Art von Wohnung es geht. „Diese Zersplitterung ist ein Riesenproblem“, betonte Rosifka.

„Mietrechtsarchäologie“ nennen das Juristen, berichtete Schauer. Muss man doch, um einen Fall zu klären, die Gesetze vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses lesen. Das heutige Mietrechtsgesetz trat 1982 in Kraft, wurde aber seither 32 Mal novelliert – also fast jedes Jahr. „Man kann sich nie sicher sein, ob ein Vertrag gesetzeskonform ist, sagte Philipp Geymüller, Ökonom beim wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria. Sein Vorschlag: Das Gesetz solle beim Mietvertrag mehr freie Hand lassen.

Viel Vertragsfreiheit sinnvoll?

„In Österreich traut man dem Bürger leider wenig zu“, sagte Geymüller mit Blick auf das Gesetz. Mieter und Vermieter sollten sich selbst ausmachen dürfen, wie hoch die Miete ist oder wer wofür zahlt. In der Schweiz etwa gebe es viel mehr Vertragsfreiheit, und das führe zu klaren rechtlichen Lösungen. „Ich habe dort noch keinen Mietvertrag gesehen, der länger als zwei Seiten ist“, meint Geymüller. Und ein Mieter sei ja auch nicht gezwungen, einen Mietvertrag anzunehmen.

„Alle Erfahrungen sagen, dass Verträger vom Anbieter diktiert werden“, wandte Rosifka ein. Die Privatautonomie würde immer vom stärkeren Part, also hier vom Vermieter, ausgenutzt werden.

Der Vertreter der SPÖ, Manfred-Jürgen Brunner (er ist Mitarbeiter von Ruth Becher, der Vorsitzenden des parlamentarischen Bautenausschusses) erklärte, dass Österreich „ein Land der Mieter“ sei. Das sei gar nicht schlecht, weil man als Mieter flexibler sei, wenn sich die Lebenssituation ändere. Dass Leuten bei den momentanen Kaufpreisen Vorsorgewohnungen eingeredet werden, stört Brunner. Diese würden sich oft nicht rechnen: „Die Leute, die diese abstrusen Vorsorgemodelle verkaufen, gehören in Wirklichkeit zur Verantwortung gezogen“, meinte er.

SPÖ legte neues Modell vor

Die SPÖ habe einen Entwurf für ein neues Mietrecht vorgeschlagen, erinnerte Brunner. Mit diesem könne man einfach und sogar mit einer App am Handy ausrechnen, wie viel die Miete ausmache. Das SPÖ-Modell sieht vor, dass bei Wohnungen, die mindestens 20 Jahre alt sind, bei Neuvermietungen der monatliche Basiszins 5,50 Euro pro Quadratmeter beträgt. Für Lage und Ausstattung soll es fixe Zu- und Abschläge geben. Befristungen darf es nur noch für den Fall geben, dass der Vermieter die Wohnung selbst braucht. So leicht lasse sich aber nicht feststellen, wie viel eine Wohnung wert sei, wandte Geymüller ein. Das könne nur der freie Markt.

ÖVP-Abgeordneter Andreas Ottenschläger sagte, dass Österreich eigentlich „das Land der Eigentümer“ sei. Man müsse sich überlegen, wie man die Eigentumsquote bei Wohnungen erhöhen könne, dann würden sich manche Probleme auf dem Wohnungsmarkt erst gar nicht stellen. Probleme mit Mietwohnungen gebe es zudem vor allem in Wien, weniger im Westen.

Günstige Mieten vererbt

Ein Dauerbrenner ist die Frage nach den Eintrittsrechten. Ehepartner und minderjährige Kinder, die im Haushalt gemeldet sind, können zu den alten Bedingungen in den Mietvertrag eintreten, wenn der bisherige Mieter stirbt, bei erwachsenen Eintrittsberechtigten (Geschwister, Nachkommen) kann die Miete auf Kategorie A (3,43 Euro pro m2) angehoben werden. So werden günstige Mieten weitervererbt. Wurde über eine Reform in diesem Punkt gesprochen, als es im Vorjahr zu einer Minimietrechtseinigung kam (sie regelte die Kostentragung für die Therme sowie die Eigentumsbegründung bei Kellerabteilen, siehe Seite 16)? Das sei kein großes Thema gewesen, meinte Brunner. Dagegen Ottenschläger: Man habe darüber schon gesprochen, aber noch keine Lösung gefunden.

Rosifka hakte ein, dass ein verschärftes Eintrittsrecht nicht den Markt entlasten würde. „Sie haben dann nicht mehr Wohnungen auf dem Markt, sondern einen Wohnungssuchenden mehr.“ Wenn der Preis stark ansteigt, müssten Verwandte ausziehen, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können.

„Das Mietrecht tut viel für jene, die schon eine Wohnung haben. Aber wenig oder gar nichts für jene, die eine suchen“, resümierte Schauer. Man müsse sich schon fragen, ob die Besonderheiten des Mietrechts derart „massive staatliche Eingriffe“, wie sie momentan herrschen, rechtfertigen. Hingegen gebe es Mieter, die völlig ungeschützt seien, nämlich jene, die statt einer Wohnung ein Ein- oder Zweifamilienhaus bewohnen. Das sei auch wieder nicht in Ordnung.

Ob es eine baldige Lösung gebe? „Wir müssen irgendwann alle über unseren Schatten springen“, meinte Mandatar Ottenschläger. „Diesem Projekt muss man aber Zeit geben.“

AUF EINEN BLICK

„Das Rechtspanorama am Juridicum“ist eine Veranstaltungsreihe der „Presse“ und der Jus-Fakultät an der Universität Wien. Die letztwöchige Veranstaltung stand unter dem Motto „Leistbares Wohnen durch leistungsfähiges Mietrecht?“. Die nächste Diskussion dieser Reihe findet am 9. März statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2015)

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