Niederösterreich: Abrechnung mit rotem Machtgehabe

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Verluste bei den Gemeinderatswahlen bereiten der SPÖ im Superwahljahr über die Lokalpolitik hinaus Kopfzerbrechen. Der Absturz in Wiener Neustadt ist exemplarisch.

Wiener Neustadt. Ein Bundespräsident als Festgast ist keine Alltäglichkeit. Die Rede von Heinz Fischer ist für den 13. Februar im Wiener Neustädter Stadttheater bei einem „Europakonzert“ angekündigt. Bürgermeister Bernhard Müller (SPÖ) wird dann bis zur Konstituierung des neuen Gemeinderats in der zweitgrößten Stadt Niederösterreichs offiziell nur mehr eine Woche im Amt sein. Tatsächlich hat Müller nach zehn Jahren als Stadtchef wegen der neuerlichen SPÖ-Schlappe bei der Gemeinderatswahl bereits Sonntagabend seinen Rücktritt erklärt. Sportstadtrat Horst Karas soll ihm nachfolgen.

Sicher ist das nicht. Denn Herausforderer Klaus Schneeberger (ÖVP) hat bereits mit den vier anderen Parteien im künftigen Gemeinderat Kontakt aufgenommen, wie der „Presse“ bestätigt wurde. Nach einem Zuwachs von fast zehn Prozentpunkten hat Schneeberger, wie angekündigt, mit 34 Prozent der Stimmen und 14 von 40 Mandaten den Anspruch auf den Bürgermeisterposten bekräftigt. Heute, Dienstag, kommt es zu einem ersten Sondierungsgespräch mit dem Wahlverlierer SPÖ, bei dem Vizebürgermeister Wolfgang Trofer vorerst die Geschäfte führt.

Jetzt geht es darum, ob die SPÖ mit 17 Mandaten eher einen Partner findet oder die ÖVP mit 14. Dabei kommt der FPÖ mit fünf Sitzen eine Schlüsselrolle zu. Berührungsängste bezüglich der Freiheitlichen haben in Wiener Neustadt weder Rot noch Schwarz. Im nahen Neunkirchen wurde es seit 2010 vorexerziert. Dort war die SPÖ trotz Verlusten noch stärkste Partei, regiert haben aber ÖVP, FPÖ – und Grüne.

Aufbruchsstimmung erzeugt

Eine kleine Revolution ist es schon jetzt. Die jahrzehntelange absolute Mehrheit der SPÖ ist weg, Müller auch – er ist seit Montag auf Urlaub. Was der Grund für den Denkzettel der rund 36.500 Wahlberechtigten war? Ganz klar ist man sich darüber im Rathaus auch nicht. Am ehesten handelt es sich um mehrere Komponenten: Dazu zählt auch der Unmut über ausgeprägtes (rotes) Machtgehabe, während die Bevölkerung teils den Eindruck hatte, es gehe zu wenig weiter.

Mit neun anderen Listen hatte die SPÖ mit Bürgermeister Müller von allen 570 Gemeinden, in denen am Sonntag gewählt wurde, die meisten Gegner. St. Pölten, Krems und Waidhofen an der Ybbs wählen an einem anderen Termin. Dazu kommt, dass die ÖVP mit Schneeberger mit dem Slogan „Neustart“ in einer Zeit des Frusts über Politiker Aufbruchsstimmung verbreiten konnte. Die Landes-ÖVP und Landeshauptmann Erwin Pröll waren im Wahlkampf voll hinter Klubobmann Schneeberger gestanden, so wurde es zu einer Prestigesache. Schneeberger werde als Bürgermeister weiter ÖVP-Klubchef im Landtag bleiben, wurde der „Presse“ versichert.

Wenn Niederösterreichs SPÖ-Landesparteivorstand die Gemeinderatswahlen, an denen rund 65 Prozent der 1,5 Millionen Wahlberechtigten teilgenommen haben, heute analysiert, müssten sich die Roten um SPÖ-Chef Matthias Stadler der Frage stellen: Warum musste die SPÖ auch in einer Reihe weiterer Städte bittere Einbußen hinnehmen?

So ist nun in Amstetten ebenfalls die absolute Mehrheit weg; gut vier Prozent minus gab es in der Stahlstadt Ternitz im südlichen Niederösterreich; ebenso in Stockerau; in Gmünd im Waldviertel stellt die SPÖ mit Andreas Beer den jüngsten Bürgermeister. Mit minus 3,7 Prozentpunkten ging auch dort die Absolute verloren.

Auf soziale Themen, auf Kinder- und Nachmittagsbetreuung haben sie genauso gesetzt wie ihr erfolgreicher Genosse, Traiskirchens Stadtchef Andreas Babler. Der baute die absolute SPÖ-Mehrheit auf 73,1 Prozent aus. Er nennt der „Presse“ dafür als einen Hauptgrund: „Ich habe ein hohes Maß an Vertrauen und Glaubwürdigkeit.“

Purkersdorf: Schlögl legte zu

Das hat Ex-Innenminister Karl Schlögl ebenfalls: Auch er konnte mit seiner SPÖ-Liste die Mehrheit in Purkersdorf bei Wien mit 65 Prozent ausbauen. Das gelang auch an der Wiege der SPÖ: In Hainfeld legte der rote Stadtchef Alfred Pitterle auf 65 Prozent ebenfalls noch zu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2015)

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