Wo das Steuergeld der Österreicher versickert

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Für Präsident Moser ist die Stunde einer echten Verwaltungsreform gekommen. Drastisch sind seine Beispiele für staatliche Ineffizienz.

Wien. Auch ein Fluss hat es in Österreich nicht leicht. Kaum der Quelle entsprungen, verfängt er sich im Dschungel der Kompetenzen. Bis zu vier Bundesministerien, die Länder und Gemeinden sollen dafür sorgen, dass er nicht über die Ufer tritt. Besonders bei der größten Gruppe, den „Interessentengewässern“, wird der Schutz vor Naturgefahren zur absurden Wissenschaft: mit vier verschiedenen Finanzierungsschlüsseln zwischen Anrainern, Ländern und Bund, je nach „Geschiebeführung“, „Sohlstufen“ und Flussbreite.

Einer der wenigen, die da noch durchblicken, ist Josef Moser. Der Präsident des Rechnungshofs hat auf einer Enquete in der Wirtschaftskammer mit drastischen Beispielen vor Augen geführt, wie viel Geld durch komplizierte und ineffiziente Verwaltung den Bach, Fluss und Strom hinuntergeht.

Während Gewässer überreguliert sind, herrscht im Finanzgebaren der Länder gefährliche Willkür. Das Dilemma der Haftungen (siehe Seite eins) erklärt Moser so: „Der Fall Kärnten hat klargemacht, dass wir Obergrenzen für die Haftung brauchen. Aber niemand hat festgelegt, wie sie zu berechnen sind.“ Die Folge sind nun 17 verschiedene Berechnungsarten. Kein Einzelfall, wie Moser zeigt:
•Die Länder haben über zehn Definitionen von Finanzschulden. Ein Beispiel: Tirol rechnet ausgeborgte Fondsmittel ein, Niederösterreich nicht. Sonderfinanzierungen wie Leasingverträge fehlen oft ganz. Vergleiche und Risikobewertung werden so unmöglich.
•Auch bei Vermögenswerten (und damit verbundenen Verpflichtungen) macht jedes Land, was es will. Kärnten etwa rechnet seine Landesstraßen ein, Tirol nicht. Niederösterreich aktiviert seine Gebäude zur Hälfte ihres Anschaffungswertes, Tirol zu 100Prozent.

„Wir füttern Strukturen“

Der Rechnungshofpräsident zeigt aber auch auf, wie immer stärker verästelte Gesetze und Regulierungen die Kosten treiben:
•Bei der Einkommensteuer gibt es 558 Begünstigungen, fast alle unbefristet. Sie sorgen für einen Steuerentfall von neun Mrd. Euro, etwa 35Prozent der Lohnsteuereinnahmen. Es fehlen aber konkrete Ziele, was damit gefördert werden soll, und die Kontrolle, ob solche Ziele erreicht wurden. Dafür verursacht der Vollzug der Regelungen pro Jahr 75 Mio. Euro, was in etwa den gesamten Einnahmen der Kfz-Steuer entspricht.
•In der Sozialversicherung zählt Moser schon 500 Beitragsgruppen. Allein der rare Fall eines Jägerlehrlings kann unter drei verschiedene fallen. 123 Seiten füllen die Unterscheidungen. Die Wirtschaft stöhnt darüber, dass sich die Basis bei Lohnsteuer und Sozialversicherung grundlos unterscheidet. So sind Trinkgelder und Schmutzzulagen steuerfrei, müssen aber für die Versicherung eingerechnet werden. Beim Werkzeuggeld und der Fehlgeldentschädigung ist es genau umgekehrt.
•Um Behinderte ins Arbeitsleben einzubinden, gibt es Förderungen. Um sie nutzen zu können, muss man sich an 17 verschiedene Ansprechpartner wenden, vom Bundessozialamt über diverse Behörden des Landes und das AMS bis zu Pensions- und Krankenversicherungen.
•Ein kleines Rätsel: Österreichs Lehrer unterrichten deutlich weniger als im OECD-Schnitt (607 statt 709 Stunden). Mosers Erklärung: Der Bund zahlt die Lehrer, aber die Gemeinden sind für die Infrastruktur verantwortlich. Deshalb zwingen Letztere den Lehrern administrative Aufgaben auf, die eigentlich (niedriger entlohnte) Gemeindesekretäre machen sollten. Damit sparen die Kommunen Geld. In Summe kostet es freilich mehr – immerhin 17 Mio. Euro jedes Jahr. Mosers Fazit: „Wir füttern Strukturen“, nicht gute staatliche Leistungen. All seine Beispiele mögen anekdotisch wirken und sanieren für sich betrachtet kein Budget. Aber in Summe seien die Potenziale enorm. Mit dem nicht gehaltenen Versprechen eines ausgeglichenen Haushalts und dem Druck aus Brüssel hat sich für Moser, in seinem zähen Kampf um eine Verwaltungsreform, etwas Wesentliches geändert: „Das Beharren wird unbequemer als das Bewegen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2015)

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