Fekter: "Einbrecher kommen wie Heuschrecken"

Bundesministerin für Inneres Maria Fekter
Bundesministerin für Inneres Maria Fekter (c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Innenministerin Maria Fekters brisante Vorstöße: Bei Anzeigen "auf freiem Fuß" muss der Verdächtige eine Kaution hinterlegen, Polizisten mit Fahndungserfolgen sollen Prämien erhalten, die Justiz darf nicht so viele Strafverfahren einstellen.

Die Presse am Sonntag: Gefallen Sie sich in der Rolle der Eisernen Lady?

Maria Fekter: Dieses Attribut haben mir die Medien umgehängt. Da die Eiserne Lady Margaret Thatcher eine sehr erfolgreiche Politikerin war, empfinde ich das nicht als Schimpfwort.

Aber Thatcher stand für Privatisierungen und eine neoliberale Wirtschaftspolitik, die der ÖVP entgegen anderslautenden Gerüchten fremd ist.

Wir haben eine andere Philosophie, wir stehen für soziale Marktwirtschaft.

Sie schreiben sich „sozial“ auf die Fahnen: Wie passt Ihr Plan dazu, dass Einwanderer in ihrem Heimatland Deutsch lernen müssen. In Nigeria oder Usbekistan werden kaum Deutschkurse angeboten.

Wenn man ernsthaft hier leben will, wird man überall Wege finden, Deutsch zu lernen. Das Sprachprobleme ist das größte Hindernis für Integration.

Sie reden immer davon, ausgebildete Einwanderer ins Land holen zu wollen, gleichzeitig formulieren Sie Bedingungen, die etwa für den indischen IT-Spezialisten nicht gerade wie eine charmante Einladung klingen.

Sie verkennen völlig die Realitäten. Die größte Gruppe von Zuwanderern in Österreich haben im Schnitt nicht mehr als einen Pflichtschulabschluss, die müssen zumindest Deutsch können. Das ist in ganz Europa Standard.

Die von Ihrem Vorgänger ins Leben gerufene Integrationsplattform hat viel geduldiges Papier gefüllt. Hätten Sie das auch so geplant?

Seine Integrationsplattform war die Aufarbeitung von über hundert guten Ideen zur Beseitigung von Defiziten im Integrationsbereich. Wie sich herausgestellt hat, hat das Summieren aller Initiativen zu einem Wettlauf aller Institutionen geführt, wo jeder genannt werden wollte. Diesen Reibungsverlust werden wir diesmal beseitigen, indem wir eine neue Strategie anwenden: Alle Projekte, die gut funktionieren, lassen wir, wie sie sind. In den Nationalen Aktionsplan kommen nur Maßnahmen, die Defizite beseitigen sollen.

Einen österreichischen Aktionsplan brauchen Sie aber noch dringender, wenn es um die Kriminalität geht: Die Anzahl der Einbrüche zum Beispiel steigt rapide an.

Moment, da brauchen wir keinen Nationalen Aktionsplan, dafür ist ein Wiener Aktionsplan notwendig. Wir müssen da einen Schwerpunkt setzen, das Ballungszentrum Wien ist unser größtes Sorgenkind. Die Einbrecher machen sich hier wie die Heuschrecken über uns her. Gemeinsam werden alle Sicherheitsbehörden gezielt gegen dieses Phänomen vorgehen, dafür brauchen wir die richtige Ausrüstung, die richtige Mannschaft und die richtige Strategie.

Ihre Wiener Beamten sollen nicht einmal das richtige Schuhwerk haben.

Das ist Unsinn. Unser Kleidungsfonds wird in diesem Jahr die Bekleidung genau überprüfen, für die neuen Schuhe wird es eine Ausschreibung in der kommenden Woche geben. Wichtiger ist, dass die Mannschaft aufgestockt worden ist. Nun müssen wir die Strategie verbessern. Wir werden etwa Tatortarbeit wie Spurensicherung intensivieren.

Spurensicherung? Wenn Sie in Wien Opfer eines Wohnungseinbruchs werden, müssen Sie froh sein, wenn die Polizei kommt.

Sie verbreiten hier Gerüchte aus Zeiten, die längst vorbei sind. Wir werden die Tatortarbeit weiter intensivieren. Und vor allem werden wir uns Best-Practice-Modelle anschauen. Es ist schon eigenartig, warum es dieses Phänomen in Wien gibt und nicht im selben Ausmaß in anderen Ballungszentren wie Linz, Graz oder Salzburg.

Etwa weil Wien einfach größer ist?

Der Ballungsraum von Linz, Wels und Steyr ist in diesem Fall mit Wien vergleichbar: Er liegt an einer Hauptverkehrsroute, hat auch einen hohen Ausländeranteil und eine nahe Grenze.

Dann ist das das Vorbild?

Ja, weil wir dort bei der Aufklärungsquote viel besser sind als in Wien, brauchen wir einen intensiven Gedankenaustausch zwischen den Behörden.

Sie glauben also, die Effizienz in Wien könnte höher sein?

Ja.

Weil Sie nicht die beste ist?

Man kann sie steigern. Vielleicht hat die Wiener Polizei durch die Reformen der vergangenen Jahre noch nicht die Effizienz, die möglich und nötig ist.

So argumentiert man im Wiener Rathaus: Durch die radikalen Reformen des früheren Innenministers und Ihres neuen EU-Spitzenkandidaten Ernst Strasser hat die Effizienz in der Wiener Polizei abgenommen.

Das stimmt nicht, durch die Reformen Ernst Strassers sind mehr Polizisten auf der Straße. Aber vielleicht sind die Reformen in den Köpfen noch nicht angekommen. Wir werden uns jedenfalls genau anschauen, wie wir dort besser motivieren, etwa indem wir die einzelnen Einheiten stärker vergleichen und bewerten. Oder durch ein neues stärkeres Prämien- und Belohnungssystem. Derzeit werden Prämien mit der Gießkanne vergeben. Ich will die belohnen, die gute Fahndungserfolge haben. Die Bevölkerung will, dass die Effizienten belohnt werden. Dann müssen wir auch bei der Prävention ansetzen, ein Beispiel: In Wien gibt es viele Doppeleingangstüren in Altbauten, das sind nicht die sichersten Türen. Sicherheitstüren müssten gefördert werden, das erwarten wir auch von der Stadt Wien.

Die gibt es aber bereits.

Solche Förderungen gibt es, aber nicht zielgenau. Wir müssen bei der Prävention breiter denken: etwa dass erhöhte Investitionen für bauliche Sicherheitsmaßnahmen auch bei den Betriebskosten berücksichtigt werden sollten.

Das heißt, ein Hauseigentümer sollte Investitionen und höhere Kosten für Sicherheit seinen Mietern verrechnen.

Ja, das geht laut Mietrecht noch nicht.

Zur Strategie gehört auch eine politische Linie: Stehen Sie für eine stärkere Null-Toleranz-Linie, dass etwa sogenannte Bagatelldelikte stärker sanktioniert werden sollten?

Wien ist eine sichere Stadt, in der sogar die Innenministerin zu Fuß gehen kann. Man darf nicht den Eindruck erzeugen, Wien wäre wie Sodom und Gomorrha. Eine solche Darstellung, wäre eine Einladung an Kriminelle, nach Österreich zu kommen. Und wir wollen, dass das Land für Kriminelle unattraktiv wird.

Was heißt das konkret?

Das heißt etwa, dass wir nicht länger Täter auf freiem Fuß anzeigen und diese dann für das Strafverfahren suchen müssen und nicht mehr finden. Wir werden eine Sicherheitsleistung abverlangen, also eine Art Kaution in der Höhe von ein paar tausend Euro. Wenn der mutmaßliche Täter die nicht hat, beschlagnahmen wir sein Auto oder seine Wertgegenstände. Wenn er die Kaution nicht binnen 72 Stunden hinterlegt, werden diese Vermögenswerte versteigert.

Das machen Sie, bevor er überhaupt verurteilt ist! Klingt nach einem kleinen Problem für den Rechtsstaat.

Sie können versichert sein, dass ich nur rechtsstaatliche Vorschläge mache. Wenn er nicht verurteilt, sondern freigesprochen wird, bekommt er das Geld plus Zinsen zurück. Das machen wir immerhin bei Lkw-Lenkern so, wenn wir grobe Delikte bei Nichteinhaltung der Ruhezeiten oder bei Gefahrengutdelikten feststellen.

Aber der Lkw wird selten versteigert.

Weil sie schnell ihre Lkw zurückhaben wollen. Es ist ein Gebot der Stunde, dass wir nicht mehr so attraktiv für Täter sind. Anzeigen auf freiem Fuß schrecken niemanden ab. Ich muss eine Abschreckung schaffen. Also entziehen wir den Tätern die Ressourcen. Das werden wir legistisch aufsetzen und beschließen. Das ist notwendig. Sonst glaubt jeder Kriminelle, er könne Österreich als Selbstbedienungsladen benutzen.

Was machen Sie, wenn ein mutmaßlicher Täter keine Vermögenswerte hat?

Bei „Anzeigen auf freiem Fuß“ geht es meist um Leute, die einen Wohnsitz in Österreich angeben, dort werden wir auch etwas finden. Aber noch zu Ihrer Fragen wegen der angeblichen Bagatelldelikte: Die Polizei gibt eine Fülle von Straftaten an die Justiz, und dort werden leider im großen Stil Verfahren eingestellt. Daher wollte ich von der früheren Justizministerin Berger eine genaue Statistik der Einstellungen. Die soll laut ihren Angaben bereits angelegt worden sein, wir werden sie analysieren und schauen, warum so viel eingestellt wird.

Ihnen wird zu viel eingestellt?

Ja.

Erfüllen Sie den Wunsch der USA und erlauben den Zugang zu allen Daten?

Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Amerikaner unsere Datenschutzbedenken nicht ernst nehmen. Aber gewisse Daten wollen wir austauschen, etwa DNA. Es wird keinen Austausch geben, wenn Datenschutz-relevante Daten betroffen sind. Am liebsten wäre uns ein Abkommen zwischen der EU und den USA. Auf bilateraler Ebene wird jedes Abkommen über Datenaustausch dem Parlament vorgelegt und abgestimmt. Geheimnistuerei wird es nicht geben.

Ist der Fall Zilk für Sie abgeschlossen?

Wir recherchieren weiter, ob es noch Akten gibt, wir haben noch nicht alle Rückmeldungen bekommen. Aber ich gehe rechtsstaatlich vor: Wenn es Verdachtsmomente gibt und der Verdächtige tot ist, gibt es keine Ermittlungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2009)

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