Wiener Wahlrecht: Häupl ist sauer auf die Grünen

Archivbild:  Bürgermeister Michael Häupl
Archivbild: Bürgermeister Michael HäuplClemens Fabry / Die Presse
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Wiens Bürgermeister ist über den jüngsten Vorstoß der Grünen "not amused". Den Wahltermin kennt Häupl bereits: "Aber ich sage ihn noch nicht".

Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) ist ordentlich sauer auf die Grünen. Der jüngste Vorstoß des kleinen Koalitionspartners, es gebe in Sachen Wahlrecht bereits eine Einigung, hat den SPÖ-Chef hörbar verstimmt. "Ich bin über das momentane Verhalten der Grünen not amused", sagte er am Dienstag vor Journalisten. Denn diese hätten Vereinbarungen gebrochen.

In der Debatte um die Wahlrechtsreform sei zuletzt Stillschweigen vereinbart worden. Er habe "mit tiefem Bedauern" zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich die Grünen daran nicht gehalten haben: "Das ist nicht gut. Ich hätte gerne, dass man sich auf das verlassen kann, was vereinbart wurde."

Häupl will "Verzerrer" maximal auf 0,75 reduzieren

Zum Hintergrund: Die Grünen hatten am vergangenen Donnerstag Gerüchte auf Twitter bestätigt, wonach sich die beiden Regierungsparteien bereits auf eine Lösung geeinigt hätten. Diese sehe eine Reduktion des mehrheitsfördernden Faktors von derzeit 1 auf 0,6 bei der kommenden Wahl und auf 0,5 bei den Urnengängen ab 2020 vor. Die SPÖ dementierte umgehend.

Häupl sagte nun, dass die SPÖ nach wie vor auf ihrem Standpunkt stehe, dass der heiß diskutierte "Verzerrer" bei der Mandatsverteilung maximal auf 0,75 reduziert wird. Die Grünen hatten schon vor Jahresende 2014 den Faktor 0,5 als Kompromissvorschlag angeboten - was Häupl schon damals verärgert hatte. Die Chance auf eine Einigung sieht der Bürgermeister trotz des nunmehrigen grünen Fouls aber offenbar trotzdem noch: "Wir werden uns bemühen, das hinzukriegen." Nachsatz: "Aber sicher nicht nach dem Motto: Der G'scheitere gibt nach."

Auf Chef-Ebene wird die Causa allerdings nicht (mehr) verhandelt. "Ich rede mit ihr (der grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, Anm.) zur Stunde nicht über das Wahlrecht", ließ Häupl wissen. Die Sache werde auf Klub- bzw. Parteiebene diskutiert.

Vassilakou: "Verhandlungen abgeschlossen"

Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou konterte am Dienstag umgehend: "Die Verhandlungen sind abgeschlossen", sagte sie am Nachmittag zur Austria Presseagentur. Die Verhandlungsteams hätten "ihren Dienst getan und einen gangbaren Weg aufgezeigt". Nun liege es an der SPÖ: Diese werde in den nächsten Tagen zu einer Entscheidung finden - "dann werden wir den Sack zumachen und uns anderen ebenso wichtigen Themen zuwenden".

Die Kompromissbereitschaft der SPÖ dürfte aber nicht allein vom Verhalten der Grünen abhängen. Denn offenbar ringt die Partei schon länger intern um eine einheitliche Linie in der Wahlrechtsfrage, wie aus dem Rathaus zu hören ist.

Häupl weiß Wahltermin: "Aber ich sage ihn noch nicht"

Über den Termin für die kommende Wien-Wahl wird seit Monaten gerätselt. Sie soll vom ursprünglich geplanten Herbst-Termin auf den Frühsommer vorverlegt werden. Häupl hat offenbar bereits eine Entscheidung getroffen, ziert sich aber noch, diese zu verraten. Ja, er wisse den Termin bereits, "aber ich sage ihn noch nicht", so das Stadtoberhaupt am Dienstag am Rande seiner wöchentlichen Pressekonferenz.

Zuletzt hatte sich der 14. Juni als naheliegender Termin herauskristallisiert. Die SPÖ könnte im Windschatten des Song Contests von der guten Stimmung des Wahlvolks profitieren. Häupl ließ nun anklingen, dass er den endgültigen Wahltermin womöglich im Rahmen der Klubtagung der Wiener SPÖ in Rust öffentlich machen wird. Diese findet am 26. und 27. Februar statt.

Das Geheimnis der Mandatsverteilung

SPÖ und Grüne streiten seit vier Jahren um eine Wiener Wahlrechtsreform. Knackpunkt ist die Frage, wie die eroberten Stimmen künftig in Landtagsmandate umgelegt werden. Denn derzeit sind stimmenstarke Parteien - und damit vor allem die SPÖ - bevorzugt. Der Grund liegt in der speziellen Berechnungsmethode, die es den Roten leichter macht, mehr Mandate in den großen Flächenbezirken abzuschöpfen.

Nach jeder Wien-Wahl werden 100 Sitze im Gemeinderat bzw. Landtag vergeben. Das passiert in einem zweistufigen Verfahren, das in der aus 1996 stammenden Gemeindewahlordnung festgelegt ist. Im ersten Schritt geht es um die 18 Wahlkreise, in die Wien unterteilt ist. Sie sind grundsätzlich mit den Bezirken ident - mit Ausnahme des 1., 4., 5. und 6. sowie des 7., 8. und 9. Bezirks, die jeweils zu einem Wahlkreis zusammengefasst werden. In diesen Wahlkreisen werden die sogenannten Grundmandate vergeben, wobei sich deren Anzahl nach den wahlberechtigten Personen des jeweiligen Wahlkreises richtet.

Als Voraussetzung dafür braucht es die Wahlzahl. Sie legt fest, wie viele absolute Stimmen man für je ein Grundmandat braucht. Ermittelt wird sie, indem die Anzahl der abgegebenen gültigen Stimmen durch die Anzahl der zu vergebenden Grundmandate plus 1 dividiert wird. Und genau um dieses historisch gewachsene "plus 1" dreht sich die rot-grüne Debatte. Denn durch diesen Zusatz werden die benötigten Stimmen gesenkt, die Grundmandate werden also "billiger". Gibt es etwa zehn Mandate zu holen, braucht man dafür nicht zehn Prozent, sondern nur 9,09 Prozent der Stimmen.

In Flächenbezirken (z .B. Floridsdorf, Donaustadt oder Favoriten), die viele Grundmandate zu vergeben haben, ist die SPÖ traditionell stark. Sie kann folglich viele dieser "billigen" Grundmandate abschöpfen - was in der Vergangenheit dazu führte, dass die Roten mit insgesamt weniger als 50 Prozent der Stimmen trotzdem die absolute Mandatsmehrheit einheimsen konnten.

Die Grünen wollten dieses "plus 1" ursprünglich gegen Null senken, die Sozialdemokraten freilich an diesem "Verzerrer" möglichst festhalten. Glaubt man den Grünen, haben sich die beiden Parteien nun auf eine Reduktion auf 0,6 für die anstehende Wien-Wahl und auf 0,5 ab dem Urnengang 2020 geeinigt. Die SPÖ dementierte einen Kompromiss jedoch vehement.

Nicht geschraubt wird indes am zweiten Schritt der Mandatsermittlung. In diesem werden die "Restmandate" zugewiesen - also jene Gemeinderatssitze verteilt, die durch Grundmandate nicht schon vergeben worden sind. Dafür werden alle Reststimmen aus dem ersten Schritt sowie jene Stimmen von Parteien, die zwar die Fünf-Prozent-Hürde geschafft, aber kein Grundmandat erreicht haben, herangezogen. Die Verteilung in diesem Verfahren ist etwas komplexer, hat aber grundsätzlich keinen mehrheitsfördernden Mechanismus eingebaut. Allerdings: Die Berechnungsmethode macht Restmandate relativ "teuer", wodurch kleine Parteien ihren Grundmandate-Nachteil nur schwer aufholen können.

(APA/Red.)

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