Ab Juli will das Innenressort die geplante Reform des Asylwesens umsetzen: Mit rascheren Rückführungen und neuen Erstprüfungszentren.
30.12.2016 um 17:04
In dieser Woche will Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ihre Novelle des Fremdenrechts in Begutachtung schicken – und die Reform ab Sommer in die Praxis umsetzen. Der Koalitionspartner SPÖ hält sich mit der Zustimmung zu den Plänen allerdings zurück und berät noch intern. Was sich in Zukunft für Asylwerber ändern könnte, und wie das System derzeit organisiert ist: ein Überblick.Von Iris Bonavida
APA/HERBERT NEUBAUER
ALT: Jeder Asylsuchende, der in Österreich aufgegriffen wird oder sich bei den Behörden meldet, wird in eines der beiden Erstaufnahmezentren gebracht: In Thalham oder Traiskirchen werden die Menschen medizinisch betreut und ihre Daten aufgenommen. Während ihr Antrag auf Asyl geprüft wird, bleiben sie unter der Obhut des Bundes. Geht das Asylverfahren los, muss eines der Bundesländer den Flüchtlingen bis zum (positiven oder negativen) Bescheid eine fixe Unterkunft bieten. So weit zumindest die Theorie. In der Praxis stellen die Länder zu wenige Plätze zur Verfügung. Das Ergebnis: Die beiden Erstaufnahmezentren sind überfüllt.NEU: Daher will Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) die Erstaufnahmezentren in ihrer jetzigen Form auflösen. Sie sollen nur noch für Ausnahmefälle (wie unbegleitete Flüchtlinge) geöffnet sein. Alle anderen Flüchtlinge könnten von Beginn an in jenem Bundesland bleiben, in dem sie mit den Behörden in Kontakt gekommen sind. Dafür werden sogenannte Verteilerzentren in den Ländern geschaffen, die die Erstprüfung übernehmen. Im Idealfall werden die Flüchtlinge nach wenigen Tagen von einem solchen Zentrum in ein fixes Quartier im Land verlegt.
Die Presse
ALT: Derzeit werden Asylwerber gleichmäßig nach einem bestimmten Quotensystem verteilt: Je nach Einwohnerzahl sollen die Länder einen bestimmten Anteil aufnehmen. Wien und Niederösterreich müssen beispielsweise je ein Fünftel der Gesamtzahl unterbringen. Wie viele Menschen das in absoluten Zahlen bedeutet, schwankt allerdings je nach Ansturm stark nach oben oder nach unten. Vor allem im Westen haben die Länder Mühe, genügend Betten zur Verfügung zu stellen.NEU: Mit den neuen Verteilerzentren soll sich die Lage nach den Plänen von Mikl-Leitner beruhigen: Die Flüchtlinge bleiben von Beginn an in den Bundesländern und müssen nicht hin- und herfahren. Auch von der Quote, die sich je nach Anzahl von Asylwerbern täglich ändert, will man sich verabschieden – und den Ländern mehr Vorbereitungszeit geben: Das Ministerium hat ein Planungstool entwickelt, das jeweils für zwei Monate im Voraus eine bestimmte Zahl an benötigten Plätzen berechnet. Statt der täglich wechselnden Quote gilt in Zukunft das, was jedes Land bis zum jeweiligen Monatsende erreichen soll. Um den Ausgleich zwischen den Ländern sicherzustellen, bleibt die Quote im Hintergrund allerdings aufrecht.
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ALT: Wie lange ein Asylverfahren im Durchschnitt dauert, weiß derzeit niemand so genau. Eine Statistik mit den Daten aller drei Instanzen (Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Bundesverwaltungsgericht, Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof) gibt es nicht. Laut Innenministerium werden Entscheidungen zumindest in erster Instanz durchschnittlich nach drei Monaten entschieden. In bestimmten Fällen wird auch ein Schnellverfahren eingesetzt: Diese beschleunigten Verfahren werden maximal nach fünf Monaten geklärt, etwa wenn der Asylwerber aus einem von der Regierung ernannten „sicheren Herkunftsland“ kommt (wie Serbien oder Kosovo) – oder wenn eine Person nachweislich eine Straftat begangen hat. 2014 wurden 616 Fälle innerhalb von 15 Tagen entschieden.NEU: Rechtlich soll sich in diesem Punkt nicht viel ändern, in der Praxis allerdings schon: Das Innenressort wird seine Ressourcen verstärkt für Schnellverfahren nutzen. Verfahren von Menschen aus sicheren Herkunftsländer sollen in zehn Tagen entschieden werden. Neu ist, dass solche Verfahren auch eingeleitet werden sollen, wenn sich Menschen weigern, Fingerabdrücke abzugeben und mit gefälschten Dokumenten einreisen.
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ALT: Die Rechtsberatung für Flüchtlinge wird derzeit von NGOs vorgenommen: Von der evangelischen Diakonie und der Volkshilfe im Rahmen der Arge Rechtsberatung sowie auch vom Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ). Laut EU-Verfahrensrichtlinie ist darauf zu achten, „dass die Rechtsberatung und -vertretung nicht willkürlich eingeschränkt und der Antragsteller nicht an der effektiven Wahrung seiner Rechte gehindert wird“.NEU: In diesem Punkt sind die Pläne von Mikl-Leitner besonders umstritten: Das Innenministerium behält sich vor, eine eigene juristische Person zu errichten und diese mit der Rechtsberatung zu betrauen – wie zum Beispiel eine Anstalt des öffentlichen Rechts oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Diese könnte in Zukunft aus finanziellen Gründen eingesetzt werden – also wenn NGOs aus Sicht des Ministeriums zu viel Geld verlangen. Im Innenressort erklärt man diese Neuerung damit, dass es in Zukunft einen Mehrbedarf an Beratung geben könnte (siehe Grundversorgung). Daher wolle man vorsorgen, dass es jedenfalls ein entsprechendes Angebot gibt. Kritiker befürchten allerdings ein Ende der unabhängigen Flüchtlingsrechtsberatung.
(c) Clemens Fabry
ALT: Mit Ende 2014 wurden rund 31.000 Personen in der Asyl-Grundversorgung staatlich betreut: Der Großteil davon sind Menschen, die auf eine Entscheidung ihres Verfahrens warten. Wird ihr Antrag auf Asyl abgelehnt, fällt man derzeit aber nicht zwingend sofort aus dem System. Bescheide können im Instanzenzug auch eine aufschiebende Wirkung haben: Wird in erster Instanz kein Asyl gewährt, muss es nicht zu einer Abschiebung kommen. Wird Berufung eingelegt, und der Aufschub zuerkannt, bleibt der Betroffene zumindest bis zum Urteil in zweiter Instanz im Versorgungssystem.NEU: Mit einem negativen Erstbescheid ohne aufschiebende Wirkung soll man laut Innenressort in Zukunft sofort aus dem System. Und es gibt andere neue Gründe für den Ausschluss aus der Grundversorgung: Etwa, wenn ein Asylwerber sich gegenüber Betreuungspersonal gewalttätig verhält. Auch „selbsterhaltungsfähige“ Fremde werden nicht versorgt: Darunter fallen Menschen, die mit mindestens 5000 Euro nach Österreich kommen. Bis sie diese Mittel aufgebraucht haben, bekommen sie weder Unterkunft noch Verpflegung. NGOs kritisieren, dass man so Flüchtlinge in die Obdachlosigkeit drängen würde.
APA/HANS KLAUS TECHT
Asyl in Österreich: Wie es ist, wie es sein soll
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