Hundstorfers Lust am Strafen

GENERALVERSAMMLUNG �STERREICHISCHER WIRTSCHAFTSBUND: LEITL
GENERALVERSAMMLUNG �STERREICHISCHER WIRTSCHAFTSBUND: LEITL(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Traditionell schießen Parteien und Verbände am Aschermittwoch gegen die Regierung. Heuer besonders scharf: Christoph Leitl.

Wien. Man würde es ihm nicht zutrauen, aber Christoph Leitl weiß zu unterhalten. Bei Abendessen im kleinen Kreis ohnehin, gestern bei seiner Aschermittwoch-Rede aber auch öffentlich. 70 Minuten lang sprach der Wirtschaftskammer-Präsident frei vor 200 Gästen, lieferte tief greifende Erkenntnisse („Ein guter Wirt erspart drei Psychiater“), harte Attacken („ideologische Eierschalenträger der SPÖ“) und Bonmots eines Arbeiters bei einem Betriebsbesuch („Leitl, hat er g'sagt, du bist der erste Schwarze seit dem Kreisky mit dem i red“).

Die letzte Bemerkung war vielleicht auch ein subtiler Seitenhieb auf die aktuelle SPÖ-Führung. Denn „Sonnenkönig“ Bruno Kreisky soll einst gesagt haben: „Solange ich regiere, wird rechts regiert.“ Von dieser Linie sind Werner Faymann und Genossen weit entfernt, daher schoss sich Leitl so scharf wie selten auf den politisch linken Teil der Regierung ein – angeheizt wohl auch durch die Wirtschaftskammer-Wahlen, die kommende Woche beginnen.

Unternehmer als Melkkuh

„Jene, die Eigentumssteuern und andere Belastungen fordern, sehen in den Unternehmern die Melkkuh. Sie sagen Millionäre, aber sie meinen den Mittelstand.“ Nach der Arbeit von Kanzler Faymann sei sein, Leitls, Spruch vom „abgesandelten“ Wirtschaftsstandort noch „zu optimistisch“ gewesen. „Der Bundeskanzler hat damals gesagt, er lässt sich Österreich nicht schlechtreden. Herr Bundeskanzler, Sie haben Österreich schlechtgemacht!“ Faymann sollte nicht über eine Vermögen-, sondern eine Unvermögensteuer nachdenken.

Den Steuerideen der Sozialdemokraten – Erbschafts-, Schenkungs-, Vermögensteuern – erteilte Leitl einmal mehr eine Absage. Sie seien „ein Blödsinn“. Selbst die SPÖ-Wähler würden mehrheitlich meinen, man solle die Steuerreform durch Einsparungen und nicht durch neue Steuern finanzieren. „Hört die Signale“, meinte der ÖVP-Politiker anlehnend an die „Internationale“ in Richtung SPÖ. In Österreich benötige man jetzt einen gemeinsamen Schulterschluss, um wieder Wachstum zu schaffen. An Werner Faymann gerichtet: „Tun Sie, was notwendig ist, um Österreich wieder auf Erfolgskurs zu bringen, und nicht, was ideologische Eierschalenträger von vorgestern Ihnen einflüstern.“

Auch Leitls Freund, Sozialminister Rudolf Hundstorfer, bekam wegen seiner Idee eines Malussystems für Unternehmen zur Steigerung der Altersbeschäftigung sein Fett ab. „Er red' nur von den Strafen, wie wenn's ihm ein körperliches Wohlbefinden bereiten würde – ,Shades of Grey‘.“ Das gefiel den Besuchern auf dem Hefeboden der Ottakringer Brauerei in Wien.

Den Arbeitsmarkt sieht der ÖVP-Wirtschaftsbund-Chef „auf dem Weg zur Hölle“. Experten würden mit 500.000 Arbeitslosen in Österreich rechnen. Bei dieser Zahl gehe das Land „in Krankheitssymptome hinein, die wir alle nicht brauchen können“. Statt alles zu diktieren, müsse man den Unternehmen mehr Freiheiten lassen. „Wir wissen schon, was gut für das Land ist. Lasst uns einfach arbeiten.“

Teils konnte man bei Leitls Rede den Eindruck gewinnen, es gäbe eine SPÖ-Alleinregierung. Einmal glaubte man die Andeutung einer Kritik an der ÖVP zu hören, als es um höhere Beiträge ging. Wie berichtet, kann sich Parteichef Mitterlehner eine Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage für die Sozialversicherung vorstellen. Bevor Leitl aber zu deutlich wurde, wechselte er das Thema.

Deutlicher lehnte er den Schwenk seines obersten Parteifreundes hin zu einem generellen Rauchverbot in der Gastronomie ab. Bei einer „Beisltour durch Simmering“ habe ihm ein Wirt sein Leid geklagt und gemeint, wenn das Rauchen auch noch verboten werde, könne er zusperren.

Die SPÖ konterte auf die Angriffe mit dem Hinweis, dass die ÖVP seit 28 Jahren den Wirtschaftsminister stelle. Leitls Kritik sei daher ein „vernichtendes Urteil“ über die Arbeit der eigenen Partei und des Parteichefs Mitterlehner, so SPÖ-Geschäftsführer Darabos. (rie)

WIRTSCHAFTSKAMMERWAHL

Ab kommender Woche können Österreichs Unternehmer ihre Standesvertretung neu wählen. Den Anfang macht Salzburg, wo schon am 23.Februar gewählt wird. Der Wahlgang endet am 26. Februar. Beim letzten Urnengang 2010 erhielt der ÖVP-Wirtschaftsbund österreichweit mehr als 70 Prozent der Stimmen, die SPÖ kam auf 11,5 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2015)

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