Wien-Wahl: Der Herbst des Michael Häupl

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Häupl(c) FABRY Clemens
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Bürgermeister Michael Häupl verkündet den 11. Oktober – das letztmögliche Datum – für den Urnengang in der Bundeshauptstadt. Die aktuell schwachen Umfragen seiner Partei geben ihm recht.

Wien. Die Entscheidung ist gefallen. Und zwar früher als erwartet, aber für einen späteren Termin als erwartet. „Wien wird am 11.Oktober den neuen Gemeinderat und Landtag wählen“, wurde am Montag in einer gemeinsamen Erklärung von Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und seiner grünen Vizebürgermeisterin, Maria Vassilakou, bekannt gegeben. Die offizielle Begründung: „Diese Regierung hat noch Arbeit zu tun. Es gibt daher keinen Grund, vor dem Ablauf der Regierungsperiode neu zu wählen.“ Damit wird Häupl im Herbst seiner politischen Karriere zum letzten Mal für seine Partei antreten. Gleichzeitig bedeutet das: Es wird keine Vorverlegung der Wien-Wahl auf Juni geben (Häupl bestätigte offiziell, ein Vorziehen der Wien-Wahl sei überlegt, aber rasch wieder verworfen worden).

Auf den Oktobertermin hat bereits vor wenigen Tagen die inszenierte „Lösung“ des koalitionären Streitpunkts (ein neues Wiener Wahlrecht) gedeutet: Die SPÖ darf nochmals mit dem alten, SPÖ-freundlichen Wahlrecht wählen. Die Grünen können behaupten, die SPÖ im koalitionsfreien Raum unter Druck zu setzen. Und damit nicht nur ihr Gesicht wahren, sondern als kooperativer Koalitionspartner auf eine Neuauflage von Rot-Grün hoffen. Gleichzeitig ist ein Argument für eine Vorverlegung der Wien-Wahl weggefallen. Doch es gibt wichtigere Gründe, weshalb Häupl die Wien-Wahl nicht vorverlegt hat.

1. Die aktuellen SPÖ-Umfragewerte sind schlecht. Häupl will deshalb möglichst spät wählen.

Es läuft nicht so gut für die Wiener SPÖ. Sämtliche Umfragen, die in jüngster Zeit veröffentlicht wurden, zeigen: Eine Vorverlegung der Wahl könnte für Michael Häupl in einem Debakel enden. Hatte die Wiener SPÖ bei dem Urnengang 2010 noch 44,34 Prozent, rangiert sie nun im Bereich von 37 Prozent. Eine Umfrage sprach sogar von 35 Prozent; Ähnliches wird derzeit innerhalb der SPÖ kolportiert. Diesmal dürfte es sich aber nicht um das übliche innerparteiliche Tiefstapeln handeln, um mit einem überzogenen Negativszenario die Funktionäre zum Laufen zu bringen. Diesmal dürfte die Bandbreite von 36 bis 38 Prozent wirklich stimmen. Damit würde die mächtigste SPÖ-Landespartei sogar unter dem Ergebnis von 1996 liegen (39,15 Prozent), als die Partei erstmals in ihrer Geschichte ihre absolute Mehrheit verlor– unter Michael Häupl, der erstmals antrat. Wer Häupl kennt, ahnt: Er will nicht als Bürgermeister in die Geschichte eingehen, der bei seinem Antritt erstmals die SPÖ- Absolute verloren hat und dann auch noch mit einem Debakel abtritt. Also spielt er auf Zeit. Und wartet. Lang. Denn: Aus SPÖ-Sicht kann es kaum schlechter werden.

2. Es weht Gegenwind vom Bund, die Steuerreform wird mager ausfallen.

Die groß angekündigte Steuerreform wird kleiner als erhofft. Selbst Häupls Abrücken von einer neuen Vermögensteuer, um die Steuerreform für seinen Wien-Wahlkampf zu retten, konnte die Fronten nicht aufweichen. Die erhoffte Erbschaftssteuer ist auch in weiter Ferne. Für den Junitermin ist Häupl also der große Klassenkampfzünder abhandengekommen. Dazu kommt: Derzeit richten sich ÖVP und SPÖ aus, was „sicher nicht“ geht. Dauerstreit im Bund würde bei einer Wien-Wahl im Juni als politischer Störer den Wahlkampf der Wiener SPÖ treffen. Daher muss Häupl aus seiner Sicht spät wählen. Dafür nimmt er ein wohldosiertes Risiko in Kauf: Die zeitliche Nähe zur Steiermark-Wahl (sie findet im Herbst statt), bei der die SPÖ unter Landeshauptmann Franz Voves mit deutlichen Verlusten rechnen muss, aber wohl doch klar auf Platz eins bleibt.

(C) DiePresse

3. Die erste rot-grüne Landesregierung in Österreich muss positiv bilanzieren.

2010 wurde die erste rot-grüne Landesregierung Österreichs gebildet. Diese will die SPÖ nicht mit Streit beenden, sich auch weiter alle Optionen offenhalten. Denn eine Vorverlegung könnte als Eingeständnis gesehen werden, dass Rot-Grün gescheitert sei. Auch, weil die Grünen (die Spaß am Regieren finden) sich gegen einen Junitermin gewehrt haben. Denn für sie ist unklar, ob sie es wieder in die Regierung schaffen. Derzeit deutet aber viel darauf hin. Häupl erklärte: „Die Regierung hat erfolgreich zusammengearbeitet und wird dies bis zum 11. Oktober weiter tun.“

4. Ein Oktobertermin gibt der SPÖ Zeit, Werner Faymann als Kanzler auszutauschen.

Werner Faymann ist angezählt. Obwohl der Bundeskanzler 2014 eine Werbetour durch die Partei absolviert hatte, konnte er am SPÖ-Parteitag sein Ergebnis von 2010 (das historisch schwächste eines SP-Chefs) nur minimal auf 83,9 Prozent verbessern. Seit Wochen läuft nun eine (indirekte) Personaldiskussion. Selbst wenn ein Wechsel an der Spitze derzeit nicht wahrscheinlich ist: Mit dem Oktobertermin lässt sich Häupl, der zumindest zweitwichtigste Mann in der österreichischen Sozialdemokratie, die Hintertür offen, um notfalls noch etwas zu ändern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2015)

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