ÖVP-Pläne für neue Selbstbehalte

VERHANDLUNG UM GESUNDHEITSREFORM  IM PARLAMENT
VERHANDLUNG UM GESUNDHEITSREFORM IM PARLAMENT(c) APA (ROBERT NEWALD)
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Die Volkspartei arbeitet noch an einem Modell für Selbstbehalte beim Arzt. Gesundheitssprecher Rasinger warnt vor Hürden für sozial Schwache.

Wien. „Soll sich die ÖVP für eine Stärkung der Eigenverantwortung im Gesundheitsbereich, z.B. durch Einführung von Selbstbehalten bei gleichzeitiger Reduktion der Sozialversicherungsbeiträge einsetzen?“ 75 Prozent der ÖVP-Mitglieder haben bei der Befragung im Rahmen des „Evolutionsprozesses“ für die Einführung von neuen Selbstbehalten votiert.

Wie diese genau aussehen sollen, weiß man auch in der ÖVP-Zentrale noch nicht. „Das war eine von mehreren Fragen, die in Richtung mehr Eigenverantwortung gehen“, sagt Generalsekretär Gernot Blümel. Konkrete Vorstellungen dazu hat die ÖVP noch nicht ausgearbeitet, das wird erst im Zuge der Erstellung des neuen Parteiprogramms passieren. Und Blümel ist auch klar, „dass es da natürlich auch einige Gegenstimmen gibt. Das ist noch nicht durch.“

Als Beispiel, in welche Richtung es gehen könnte, nennt der Generalsekretär das Modell der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA): Dort gibt es – wie auch bei den Beamten und Eisenbahnern – Selbstbehalte beim Arztbesuch. Seit dem Jahr 2012 läuft dort ein Programm, bei dem gesunde Lebensweise finanziell honoriert wird.

Finanzielle Anreize

Das läuft so ab, dass nach einem Gesundheitscheck mit dem Arzt Gesundheitsziele definiert werden. Werden diese erreicht, muss nur noch der halbe Selbstbehalt bezahlt werden. Gesundheitsziele werden in fünf Bereichen festgelegt: Bluthochdruck, Gewicht, Bewegung, Rauchen und Alkohol. 55.000 Versicherte der SVA haben derzeit die Gesundheitsziele erreicht und profitieren von den geringeren Selbstbehalten.

Für ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger ist das der richtige Weg: Man müsse die Menschen motivieren und belohnen, wenn sie das Richtige machen und Vorsorge betreiben. Er verweist aber darauf, dass das österreichische Gesundheitswesen ohnehin schon eine ganze Reihe von Selbstbehalten kenne – etwa für Medikamente, Spitalsaufenthalte, Rehab-Maßnahmen oder die E-Card.

Maßnahmen mit Strafcharakter lehnt er ab – und man müsse vor allem darauf achten, keine sozialen Hürden aufzubauen und Menschen nicht vom Arztbesuch abzuhalten. So ist für ihn die Ausdehnung des Selbstbehalts für den Arztbesuch auf die Gebietskrankenkassen „sicher nicht das vorrangigste aller Ziele“. „Ich sehe mich da als Vertreter der Alten und chronisch Kranken“, sagt Rasinger. Der Zugang zur Medizin müsse unabhängig von Alter und Einkommen gewahrt bleiben. Wenn es neue Selbstbehalte geben sollte, müssten diese auf jeden Fall moderat sein.

Als Negativbeispiel nennt Rasinger die USA, wo laut neuesten Zahlen 62 Prozent jener, die nicht im staatlichen Gesundheitsprogramm Medicare sind, Probleme hätten, ärztliche Leistungen zu finanzieren. Und 36 Prozent der chronisch Kranken würden mehr als 20 Prozent ihres Einkommens für Gesundheitsleistungen ausgeben.

SPÖ-Pensionisten warnen

Ein generelles Nein zu neuen Selbstbehalten kommt von den SPÖ-Pensionisten. Diese würden vor allem die finanzschwächeren Bevölkerungsschichten, und da speziell die Pensionisten, treffen, sagt Vizepräsident Rudolf Edlinger. „Bekanntlich nimmt mit steigendem Alter die Inanspruchnahme von Gesundheitseinrichtungen biologisch bedingt zu. Der Vorschlag, die ältere Generation dafür gleichsam in Form von saftigen Selbstbehalten zu bestrafen, belegt das soziale Defizit in der ÖVP“, kritisiert der frühere Finanzminister.

AUF EINEN BLICK

ÖVP-Programm. „Evolution“ nennt sich der Prozess, mithilfe dessen sich die ÖVP ein neues Parteiprogramm geben will. Ein Teil davon: eine Umfrage, bei der die Partei ihren Mitgliedern 39 Fragen stellte. 12.835 ÖVP-Mitglieder nahmen daran teil, 75 Prozent davon sprachen sich für die Einführung neuer Selbstbehalte im Gesundheitswesen aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2015)

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