Die taumelnde SPÖ: Viele Wege sind das Ziel

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Michael Häupl hat die SPÖ noch mehr durcheinandergebracht, als sie es zuvor ohnehin schon war. Allerdings besteht für sie nun auch die Chance, dass es doch noch ein halbwegs gutes Ende nimmt. Wenn sie aus dem Chaos wieder herausfindet.

Wien. Will man die Steuerreformdebatte in der SPÖ zusammenfassen, landet man fast zwangsläufig beim deutschen Finanzminister, Wolfgang Schäuble, der Anfang Februar, nach einem ergebnislosen Gespräch mit seinem griechischen Amtskollegen, Yanis Varoufakis, gemeint hat: „We agree to disagree“ – „Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind.“

Beispiel eins: Der Wiener Bürgermeister, Michael Häupl, hat sich in der Vorwoche von einer Vermögenssubstanzsteuer verabschiedet. Woraufhin die SPÖ-Spitze um Werner Faymann auf die Häupl-Linie eingeschwenkt ist. Der Gewerkschaftsflügel der Partei, die Sozialistische Jugend und wesentliche Teile der Basis halten jedoch an der Vermögensteuer (ab einer Million Euro) fest.

Beispiel zwei: Um die Steuerentlastung der Arbeitnehmer gegenfinanzieren zu können, tritt die Parteiführung nunmehr für eine Erhöhung der Kapitalertragsteuer (KESt) ein, die derzeit bei 25 Prozent liegt. Im Gespräch sind Sätze von 30 oder 35 Prozent. Sparbuchzinsen sollen allerdings ausgenommen werden, wie SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder am Montag präzisierte. Es gehe um Erträge aus Fonds, Aktien und Derivaten.

Diese Rechnung kann wiederum der burgenländische Landeshauptmann, Hans Niessl, nicht nachvollziehen, wie er am Montagabend vor Journalisten erklärte. Was, wenn die Dividenden ausblieben – und so kaum frisches Geld in die Staatskasse käme?, fragte der Landeshauptmann, der am 31. Mai eine Wahl zu schlagen hat.

Niessl: 1000 Euro mehr

Ziel der Steuerreform müsse sein, dass jedem Österreicher im Jahr rund 1000 Euro mehr in der Geldbörse blieben. Eine höhere KESt lehnt Niessl ganz grundsätzlich ab: Immerhin handle es sich dabei um eine Massensteuer. Und er sei prinzipiell gegen Massensteuern.

Beispiel drei: Der burgenländische Landeschef bleibt bei der Forderung nach einer Erbschaftssteuer ab einer Million Euro. Allerdings ist sich die SPÖ nicht einig, ob es sich bei Erbschaften und Schenkungen um Vermögenssubstanzen oder um Vermögenszuwächse handelt. Von Ersteren hat man sich – siehe Beispiel eins – verabschiedet, um einen Kompromiss mit der ÖVP möglich zu machen.

Michael Häupl als Auslöser der Debatte hat mit seiner Absage an Vermögensteuern die Partei also noch mehr durcheinandergebracht, als sie es vorher ohnehin schon war. Bereits seit Längerem, erst recht seit dem SPÖ-Parteitag, schwelt in der Partei eine Personaldebatte um Werner Faymann. Ablösegerüchte machen die Runden, am häufigsten wurde zuletzt ÖBB-Chef Christian Kern genannt. Und diese Gerüchte erhielten neue Nahrung durch den ebenfalls von Häupl am Montag verkündeten Termin für die Wien-Wahl am 11. Oktober. Eine Faymann-Ablöse noch vor oder im Sommer könnte der SPÖ für die Herbstwahl neuen Schwung verleihen.

Man kann die Sache allerdings auch ganz anders sehen: Für die SPÖ ist es entscheidend, dass überhaupt eine Steuerreform kommt, damit ihre Klientel, vor allem die unteren Einkommensbezieher, entlastet wird. So gesehen hat Häupl den Weg für einen Kompromiss mit der ÖVP frei gemacht und, sofern diese ein wenig nachgibt und es am 17. März tatsächlich zur Präsentation der Steuerreform kommt, auch Faymann den Kopf gerettet. Denn in der SPÖ gilt – eben auch im Hinblick auf die Wien-Wahl: Lieber den Spatz (niedrigere Einkommensteuertarife) in der Hand als die Taube (Reichensteuern) auf dem Dach.

Dennoch wird es der Kanzler, der es allen recht machen will, weiterhin nicht allen recht machen können. Im ÖGB und in der Arbeiterkammer, die in ihrer gemeinsamen Steuerreformkampagne auch Vermögensteuern ganz massiv beworben haben, ist man derzeit nicht gut auf Faymann und Häupl zu sprechen. Und auch Teile des SPÖ-Klubs sind unglücklich. Die oberösterreichische Abgeordnete Daniela Holzinger verschickte via Facebook sogar eine Warnung an den Kanzler: Wenn er die zahllosen ehrenamtlichen Kampagnenstunden, „die unsere Basisfunktionäre gerne in die richtige Sache investiert haben“, am grünen Tisch verschenke – „dann wird's eng“.

AUF EINEN BLICK

Die SPÖ-Spitze hat sich – angestoßen vom Wiener Bürgermeister, Michael Häupl – von der Forderung nach einer Vermögensteuer verabschiedet. Das soll einen Kompromiss mit der ÖVP bis Mitte März ermöglichen. Doch intern sorgt dieser Schwenk für Kontroversen. Vor allem der Gewerkschaftsflügel, Teile des Nationalratsklubs und die Parteijugend wollen das nicht hinnehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2015)

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